Dienstag, 20. April 2021

Schadensersatzanspruch bei unwirksamer Darlehenskündigung

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner

 

 

In einem Fall, in welchem das Landgericht Aachen mit rechtskräftigem Urteil vom 19.10.2017, Az. 1 O 480/16, (BeckRS 2017, 131604) die vom Institut wegen Verschlechterung der Einkommensverhältnisse nach § 490 BGB ausgesprochene Kündigung für unwirksam erklärt hatte, gewährte das Landgericht Bonn im „Anschlussprozess“ mit Urteil vom 17.09.2020, A. 19 O 251/19 (vgl. hierzu Piekenbrock, EWiR 23/2020, 709 f.) dem Kreditnehmer gegenüber der das Darlehen kündigenden Bank einen Anspruch auf Schadensersatz. In diesem Zusammenhang hielt das Landgericht Bonn fest, dass sich das Kreditinstitut nicht auf einen unverschuldeten Rechtsirrtum berufen könne. Insbesondere könne sich das Kreditinstitut zu ihrer Entlastung hinsichtlich der Frage des Vorliegens der Kündigungsvoraussetzungen nach § 490 BGB im Zusammenhang mit der Kündigung von Bankkrediten nicht auf eine durch sie durchgeführten bloßen Plausibilitätsprüfung berufen. Vielmehr könne in einer solchen Fallkonstellation der Kündigung von Bankdarlehen ein Verschulden nur dann verneint werden, wenn sich ein Irrtum trotz sorgfältiger Prüfung nicht hätte vermeiden lassen können. Dies könne beispielsweise dann angenommen werden, wenn günstige Umstände wie beispielsweise das Vorliegen einer günstigen Instanzsrechtsprechung für die Zulässigkeit des Ausspruchs der Kündigung vorliegen. Nachdem solche Umstände nach Auffassung des Landgerichts Bonn im konkreten Fall nicht vorgelegen haben, vielmehr einige Gerichtsentscheidungen für die Unzulässigkeit der ausgesprochenen Kündigung sprachen, bejahte das Landgericht Bonn das Verschulden. 

 

BUCHTIPP

Drittschuldnerkommentar Kreditwirtschaft, 2021.

 

Was wiederum den Schadensumfang anbelangt, so lehnte das Landgericht Bonn eine Vorteilsanrechnung zu Gunsten der kündigenden Bank ungeachtet der Tatsache ab, dass ein Teil des durch den Ausspruch der sich im Nachhinein als unwirksam herausgestellten Kündigung entstandenen Schadens vom Kreditnehmer dadurch kompensiert wurde, dass der Darlehensnehmer nach Ausspruch der Kündigung bei einer anderen Bank ein Darlehen mit einem günstigeren Zinssatz abschließen konnte. Zur Begründung führte das Landgericht Bonn aus, dass der vom Kreditnehmer erlangte Vorteil nur durch dessen überobligationsmäßigen Einsatz sowie den Einsatz dessen Verfahrensbevollmächtigten erzielt werden konnte. Erbringe aber der Geschädigte Leistungen, ohne hierzu im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB gehalten zu sein, so sei es nach Auffassung des Landgerichts Bonn unbillig, die Vorteile der gleichwohl vorgenommenen Handlungen dem Schädiger zugutekommen zu lassen.

 

SEMINARTIPP

Leistungsgestörte Verbraucherkredite, 11.05.2021, Zoom.

 

PRAXISTIPP

Dass das Landgericht Bonn für das Berufen auf einen unverschuldeten Rechtsirrtum im Rahmen der Kündigung eines Darlehensvertrages die Durchführung einer bloßen Plausibilitätsprüfung nicht hat ausreichen lassen, ist im konkreten Fall zwar vertretbar, jedoch nicht frei von Zweifeln. Denn immerhin hat das Landgericht Bonn selbst darauf hingewiesen, dass es zur entscheidenden Frage der Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung eine höchstrichterliche Rechtsprechung zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung nicht gab. Bedenkt man weiter, dass es durchaus zweifelhaft ist, ob die vom Landgericht Bonn zitierten Instanzgerichte, wie z. B. die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 21.04.2020 (vgl. hierzu BTS 2020, 112), aus damaliger Sicht wegen der nicht ohne Weiteres vergleichbaren Fallkonstellationen für die Unzulässigkeit der seinerzeitigen Kündigung gesprochen haben, dann hätte man bei großzügiger Sichtweise durchaus das vermutete Verschulden der kündigenden Bank verneinen können.

 

Erheblicher Zweifel begegnet auch wiederum dem weiteren Ergebnis des Landgerichts Bonn, wonach die durch den Kreditnehmer aufgrund eigener Initiative aufgenommenen Verhandlungen erzielten Vorteile (günstigere Zinskonditionen) nicht im Wege der Vorteilsanrechnung zu berücksichtigen sind. Dies deshalb, weil die vom Kreditnehmer bzw. seinem Verfahrensbevollmächtigten erzielten zinsgünstigen Konditionen, anders als vom Landgericht Bonn unterstellt, weniger dem eigenen Verhandlungsgeschick als vielmehr dem Umstand zu verdanken sind, dass die Marktkonditionen in Bezug auf die Zinsen günstig waren.

 


Beitragsnummer: 18164

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