Donnerstag, 21. Juli 2022

Gruppe verbundener Kunden – aktuelle Änderungen/Präzisierungen geplant

Änderungen für Kredit- und Meldewesenprozesse!?

Frank Günther, Seniorconsultant, Kreditregulatorik-Spezialist Kredit und Aufsichtsrecht, FCH Consult GmbH

 

Rechtlicher Rahmen und Ziele des neuen technischen Standards

Für die deutschen LSI-Banken gelten seit 01.01.2019 durch Umsetzung der finalen EBA-Leitlinien zur Bildung von Gruppen verbundener Kunden (Guidelines on connected clients under Article 4(1)(39) of Regulation (EU) No. 575/2013 (EBA/GL/2017/15)) im BaFin Rundschreiben 14/2018 – Umsetzung der EBA-Leitlinien zu verbundenen Kunden gemäß Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 – die aktuellen Anforderungen zur Bildung von Kreditnehmergruppen in den wesentlichen Kredit- und Meldewesenprozessen. Gemäß Art. 4 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 (Capital Requirements Regulation – CRR) war die EBA aufgefordert, Entwürfe technischer Regulierungsstandards (RTS) zu erarbeiten, in denen festgelegt wird, unter welchen Umständen die in Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 genannten Bedingungen für die Bildung einer Gruppe verbundener Kunden erfüllt sind. Am 08.06.2022 legte die EBA ein Konsultationspapier zum Regulatory Technical Standard zur Ermittlung einer Gruppe verbundener Kunden gemäß Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 vor.

Während sich der RTS auf eine klare und harmonisierte Spezifizierung der Umstände konzentriert, unter denen die in Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 der CRR genannten Bedingungen für die Bildung einer Gruppe verbundener Kunden erfüllt sind, enthalten die Guidelines perspektivisch ausschließlich praktische Beispiele und geben verfahrenstechnische Hinweise (z. B. wann die Bemühungen zur Ermittlung von Gruppen verbundener Kunden verstärkt werden müssen). Der RTS wird in Verbindung mit der überarbeiteten Leitlinie den vollständigen Rahmen für die Ermittlung einer Gruppe verbundener Kunden darstellen.[1]

In rechtlicher Umsetzung des Standards werden somit die Leitlinien nicht vollumfänglich ersetzt. Der Standard wird ein rechtliches Rahmenwerk für die Bildung von Gruppen verbundener Kunden, wobei dieser die eigentlichen europäischen Konkretisierungen bezüglich CRR enthält. Hier werden vor allem die präzisierten Abschnitte 4 (Ausführungen zur Kontrolle), 6 (Ausführungen zur wirtschaftlichen Abhängigkeit) und 7 (Verhältnis zwischen beiden Gruppierungsgründen zueinander) der Leitlinie integriert. Die Leitlinie wird somit um diese verbindlichen Regelungen reduziert und übernimmt die Praxisunterstützung mit Beispielen und weiteren Spezifizierungen. (siehe heutige Leitlinie Abschnitte 5 (Siloansatz für Staaten) und 8 (Kontroll- und Managementverfahren)).

 

Inhalt

Heutige Leitlinie

RTS Entwurf

Kontrollverhältnis

Abschnitt 4 

Artikel 1

Wirtschaftliche Abhängigkeit

Abschnitt 6

Artikel 2

Wechselwirkung Kontrolle und wirtschaftliche Abhängigkeit

Abschnitt 7

Artikel 3

 Abbildung 1: Überleitung Leitlinie in RTS


Nach Konsultationsende am 08.09.2022 wird der finale Entwurf des technischen Standards der Europäischen Kommission bis Ende 2022 vorgelegt und dem europäischen Gesetzgebungsverfahren zugeführt. Parallel hierzu erfolgt die Überarbeitung der Leitlinie. In Kraft treten soll das Werk am 20. Tag nach der Veröffentlichung im offiziellen Journal der Union. Darüber hinaus ist durch die deutsche Aufsicht das Rundschreiben 14/2018 zu überarbeiten, um die Anwendung des RTS und der Guidelines über den § 19 Abs. 3 KWG auf die Organkreditvorschriften nach § 15 KWG, der Offenlegung nach § 18 KWG sicherzustellen. Im Rahmen der Umsetzung der EBA-Leitlinien für die Kreditvergabe und -überwachung durch die anstehende 7. MaRisk-Novelle werden die o. g. technischen Standards mittelbar Auswirkungen auf das gesamte Kreditgeschäft haben.

 

Geplante Neuerungen/Spezifizierungen im technischen Standard

Kontrolltatbestand

Trotz einiger Umformulierungen bleibt es beim grundlegenden Entscheidungsschema zur Bildung einer Gruppe verbundener Kunden:

 

Abbildung 2: Dreistufiges Entscheidungssystem Kontrolle


Im Art. 1 Abs. 4 des Entwurfes wurde explizit die Notwendigkeit der Gruppenbildung aufgenommen, auch wenn ein Konzernabschluss auf Grund nationaler rechtlicher Befreiungsvorschriften nicht erstellt wird. Bei den Indikatoren nach Abs. 3 wird die Kapitalmehrheit nicht mehr erwähnt, dies unterstreicht vor allem das Abstellen der Beherrschung entsprechend der Abs. 1, 2 und 4 auf die Stimmrechtsmehrheit, da von der Kapitalmehrheit keine Kontrollrelevanz entstehen kann. Im Rahmen des Abschnitts 3 (Hintergrund und Beweggründe) nimmt die EBA zu viel diskutierten Spezialfällen Stellung, z. B. wird unterstrichen, dass die Kontrolle durch eine Person erfolgen muss. Im dargestellten Szenario E 7 wird ausgeführt, dass sofern zwei Gesellschafter, welche 50 % Anteilseigner an einem Unternehmen sind (paritätische Unternehmen) und keiner allein die Kontrolle hat, die wirtschaftliche Abhängigkeit von den Unternehmen und ggf. die Ansteckungsgefahr zwischen den Gesellschaftern zu prüfen ist. Grundsätzlich gilt in Fällen, in denen ein Anteilseigner weniger als 50 % besitzt, aber dennoch eine bedeutende Beteiligung hält und die Möglichkeit hat, einen beherrschenden Einfluss auszuüben, dass die Institute die Anforderungen an die Gruppierung auf der Grundlage einer Einzelfallanalyse bewerten müssen. Betreffs der Beherrschung durch familiäre Verbünde wird die individuelle Bewertung hervorgehoben. Im Szenario E 8 wird der Fall einer horizontalen Gruppe (Art. 22 Abs. 7 der Richtlinie 2013/34/EU) illustriert. 

 

Wirtschaftliche Abhängigkeiten

Die Kriterien für wirtschaftliche Abhängigkeiten wurden im Wortlaut im Art. 2 Abs. 1 überarbeitet. Als Umstand der wirtschaftlichen Abhängigkeit wurde quasi als Generalissimus ohne Angabe der Form der wirtschaftlichen Beziehungen folgender Passus im Art. 2 Abs. 1 a des RTS-Entwurfs aufgenommen: „Wenn die Zahlungsunfähigkeit oder der Ausfall einer natürlichen oder juristischen Person die Zahlungsunfähigkeit oder den Ausfall einer oder mehrerer anderer natürlicher oder juristischer Personen zur Folge haben kann“.

Vom Grundsatz her bleibt es Aufgabe der Bank, die Gefahr von Ansteckungen zwischen Personen bei Finanzierungs- und Rückzahlungsschwierigkeiten zu ermitteln und Gruppen verbundener Kunden zu bilden. Betreffs der Einschätzung der Umstände, die nicht zu wirtschaftlichen Abhängigkeiten führen, wurde die rechtzeitige Ersetzbarkeit der Einkommensquellen ohne hohe Kosten direkt in die Beschreibung der Tatbestände unter Art. 2 Abs. 1 c, f, h aufgenommen. Die wirtschaftliche Abhängigkeit bei gleichen Finanzierungsquellen wurde im RTS-Entwurf ggü. den Leitlinien stärker auf den wesentlichen Umstand fokussiert: „Wenn zwei oder mehr natürliche oder juristische Personen für den Großteil ihrer Finanzierung auf dieselbe Quelle angewiesen sind und diese Finanzierungsquelle bei Insolvenz oder Ausfall dieser Quelle […]“.

Insgesamt wurde beim Thema wirtschaftliche Abhängigkeiten formulierungsmäßig eine Verschärfung vorgenommen, da z. B. bei wesentlichen Forderungen zwischen mehreren Personen zwingend eine Gruppe verbundener Kunden zu bilden ist (Art. 2 Abs. 1 e RTS–Entwurf). Demnach hat die Bank dann nur noch in Anwendung des Art. 2 Abs. 2 die Möglichkeit, dies in Ausnahmefällen nachweispflichtig zu widerlegen.  

 

PRAXISTIPPS

  • Verfolgen Sie die weitere Entwicklung und deren Auswirkungen.
  • Sensibilisieren und schulen Sie Ihre Mitarbeiter Markt/Marktfolge Kredit, Meldewesen und Revision.
  • Überprüfen Sie Ihre Praxis und die internen Anweisungen zur Bildung der Gruppe verbundener Kunden.
  • Ermitteln Sie die Auswirkungen ggf. notwendiger Veränderungen vor allem bei der Ermittlung der wirtschaftlichen Abhängigkeiten und der umfassenden Ansteckungskette auf die Kreditprozesse, das Meldewesen und die interne Steuerung der Bank.

 


[1] Siehe EBA-Konsultationspapier zum Entwurf technischer Regulierungsstandards für die Identifizierung von Gruppen von verbundenen Kunden gemäß Artikel 4 Absatz 1 Nummer 39 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013, Pkt. 2 Zusammenfassung.


Beitragsnummer: 21724

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