Donnerstag, 6. Juni 2019

Anforderungen an ein schlüssiges Sanierungskonzept

Thomas Wuschek, Rechtsanwalt, MBA, SanExpert-Rechtsanwalt

Der Bundesgerichtshof beschäftigte sich in der nachfolgenden Entscheidung mit dem Anforderungsprofil eines schlüssigen Sanierungskonzepts.

BGH, Urt. v. 14.06.2018, Az.: IX ZR 22/15

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 01.04.2012 eröffneten Insolvenzverfahren der S GmbH & Co.KG (Schuldnerin). Diese hatte bei dem Beklagten beträchtliche Steuerschulden. Hierüber wurde im Februar 2010 eine Ratenzahlungsvereinbarung mit Vollstreckungsaufschub getroffen, welche die Schuldnerin nicht einhalten konnte.

Mit anwaltlichen Schreiben vom 21.12.2010 wandte sich die Schuldnerin an den Beklagten, teilte mit, dass eine hinreichende Zahlungsfähigkeit nicht mehr bestehe und die Schuldnerin mit Blick auf das Alter des Firmeninhabers nun abgewickelt werden solle.

Hierzu werde ein außergerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren angestrebt, das u.a. einen Teilverzicht des Beklagten vorsehe. Dem stimmte der Beklagte mit Schreiben vom 11.02.2011 mit der Maßgabe zu, dass die Schuldnerin alle laufenden steuerlichen Verpflichtungen pünktlich erledige und die weit überwiegende Anzahl der anderen Gläubiger der Lösung ebenfalls zustimme.

SEMINARTIPPS

Effiziente und bezahlbare Sanierungskonzepte, 18.11.2019, Frankfurt/M.

Haftungsfalle Sanierungsgutachten, 19.11.2019, Frankfurt/M.

Der Kläger begehrt gestützt auf §§ 133 Abs. 1, 143 InsO die Rückzahlung der im Zeitraum zwischen Mai 2010 und Februar 2012 von der Schuldnerin an den Beklagten geleisteten Zahlungen.

Das Berufungsgericht hat das der Klage in vollem Umfang stattgebende Urteil des Landgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Für Zahlungen am und nach dem 11.02.2011 seien eine Benachteiligungsabsicht der Schuldnerin und eine Kenntnis der Beklagten hiervon aufgrund eines Sanierungskonzepts nicht zu erkennen. Zwar habe der Beklagte aufgrund der Verhandlungen im Februar 2010 gewusst, dass die Schuldnerin nicht in der Lage war, ihre Verbindlichkeiten beim Beklagten zu erfüllen.

Dieser habe jedoch den Nachweis erbracht, dass ein tauglicher Sanierungsplan vorgelegen habe und er daher bei Entgegennahme der Zahlungen jedenfalls nicht von einer Gläubigerbenachteiligungsabsicht der Schuldnerin habe ausgehen müssen. Ein Sanierungskonzept sei nicht schon deswegen unschlüssig, weil es nicht den formellen Anforderungen des IDW S 6-Standards entspricht, denn nicht die Einhaltung einer bestimmten Form, sondern allein deren Inhalt könne über die Erfolgstauglichkeit eines Sanierungskonzepts entscheiden.

Die Behauptung des Klägers, es habe kein taugliches Sanierungskonzept vorgelegen, sei mit den von ihm bekannten Unterlagen der Schuldnerin und den tatsächlich eingeräumten vergleichsweisen Nachlässen nicht vereinbar. 86 von 102 Gläubigern hätten ihre Zustimmung zum Sanierungskonzept bereits erteilt.

Mit seiner vor dem BGH zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Lösungsmöglichkeit

Die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit kann nach ständiger BGH-Rechtsprechung ihre Bedeutung als Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Gläubigers hiervon verlieren, wenn die angefochtene Rechtshandlung Bestandteil eines ernsthaften Sanierungsversuchs ist, auch wenn dieser letztlich fehlgeschlagen ist.

In diesem Fall ist die Rechtshandlung von einem anfechtungsrechtlich unbedenklichen Willen geleitet und das Bewusstsein der Benachteiligung anderer Gläubiger tritt in den Hintergrund (BGH, Urt. v. 12.05.2016, Az.:IX ZR 65/14).

Der Anfechtungsgegner muss konkrete Umstände darlegen und beweisen, die es naheliegend erscheinen lassen, dass im Hinblick auf den Sanierungsversuch der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners unbekannt geblieben ist.

Ein Sanierungsplan muss, um zu einer Verneinung des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes des Insolvenzschuldners zu führen, zwar nicht bestimmten formalen Erfordernissen, wie sie in dem IDW Standard S 6 aufgestellt sind, entsprechen.

Voraussetzung auf Schuldnerseite ist jedoch, dass zu der Zeit der angefochtenen Handlung ein schlüssiges, von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehendes Sanierungskonzept vorlag, das mindestens in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt war und die ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigte. Die bloße Hoffnung des Schuldners auf eine Sanierung räumt seinen Benachteiligungsvorsatz nicht aus (BGH, Urt. v. 12.05.2016, Az.: IX ZR 65/14).

Sowohl für die Frage der Erkennbarkeit der Ausgangslage als auch für die Prognose der Durchführbarkeit ist auf die Beurteilung eines unvoreingenommenen branchenkundigen Fachmanns abzustellen, dem die vorgeschriebenen oder üblichen Buchhaltungsunterlagen zeitnah vorliegen.

Erforderlich sind eine Analyse der Verluste und der Möglichkeit deren künftiger Vermeidung, eine Beurteilung der Erfolgsaussichten und der Rentabilität des Unternehmens in der Zukunft und Maßnahmen zur Vermeidung oder Beseitigung der (drohenden) Insolvenzreife. Bei einem Sanierungsvergleich müssen zumindest die Art und Höhe der Verbindlichkeiten, die Art und Zahl der Gläubiger und die zur Sanierung erforderlichen Quote des Erlasses der Forderungen festgestellt werden.

Ausgehend hiervon lassen die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht erkennen, ob zum maßgeblichen Zeitpunkt der angefochtenen Zahlungen ein geschlossenes Konzept zur Bereinigung sämtlicher Verbindlichkeiten der Schuldnerin und zur Sanierung ihres Geschäftsbetriebes vorlag. Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts lässt sich schon nicht der wesentliche Inhalt des Sanierungskonzepts entnehmen.

Es ist nicht ersichtlich, auf welchen tatsächlichen Grundlagen das Sanierungskonzept beruhte und was bei einer unvoreingenommenen, fachlichen Prüfung der Lage der Schuldnerin die Annahme rechtfertigte, dass bei einer Realisierung des Konzepts die übrigen Gläubiger vollständig hätten befriedigt werden können.

Das Berufungsurteil wurde daher aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

PRAXISTIPPS

  • Der BGH hat zwischenzeitlich mehrfach betont, dass aus einem Sanierungskonzept die tatsächliche Ausgangslage, die vorliegenden Krisenursachen, die daraus abgeleiteten Sanierungsmaßnahmen und das neue Leitbild des sanierten Unternehmens erkennbar sein müssen.
  • Daher ist eine Verplausibilisierung des Sanierungskonzepts hinsichtlich dieser Punkte unerlässlich.
  • Nur wenn diese Inhaltspunkte im Sanierungskonzept auch schlüssig dargelegt wurden, besteht ein Schutz vor einer möglichen Insolvenzanfechtung gem. § 133 InsO.


Beitragsnummer: 2289

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