Dienstag, 3. März 2020

Update Anlageberatung

Aktuelle Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und der Oberlandesgerichte zu Grundsätzen der Anlageberatung.

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner

 

I. Einleitung

 

Was das Thema Anlageberatung anbelangt, so hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs bereits in seiner sog. Bond-Entscheidung vom 06.03.1993, Az. XI ZR 12/93, allgemeine Grundsätze für die Anlageberatung aufgestellt, die nach wie vor auch heute noch Grundlage jeder aktuellen Gerichtsentscheidung im Bereich der Anlageberatung sind. 

 

So hat der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung festgehalten, dass dann, wenn ein Anlageinteressent an eine Bank oder ein Anlageberater einer Bank an einen Kunden herantritt, um über die Anlage eines Geldbetrages beraten zu werden bzw. zu beraten, das darin liegende Angebot zum Abschluss eines Beratungsvertrages stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgesprächs angenommen wird, weswegen in der Regel bei Stattfinden von Gesprächen zwischen Bank und Kunde in Bezug auf die Anlage von Geld vom (konkludenten) Abschluss eines Anlageberatungsvertrages auszugehen ist (Grundsatz des konkludenten Zustandekommens eines Beratungsvertrags)[1]. Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung festgehalten, dass Inhalt und Umfang der Beratungspflichten von einer Reihe von Faktoren abhängig sind, die sich einerseits auf die Person des Kunden und andererseits auf das Anlageobjekt beziehen, wobei die konkrete Ausgestaltung der Pflichten ganz entscheidend von den Umständen des Einzelfalles abhängt (Grundsatz der anleger- und objektgerechten Beratung). In diesem Zusammenhang hat der Bundesgerichtshof auch klargestellt, dass dann, wenn die Bank die Umstände in der Person des Kunden nicht kennt, diese verpflichtet ist, sich die entsprechenden Informationen zu verschaffen (Pflicht zur Exploration des Kunden)[2]. In Bezug auf das Anlageobjekt hat der Bundesgerichtshof wiederum festgehalten, dass sich die Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen hat, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können (Grundsatz der Wesentlichkeit). Dabei müssen die von der Bank erteilten Informationen richtig und vollständig sein (Grundsatz der Richtigkeit und Vollständigkeit). Schließlich hat der Bundesgerichtshof in seiner Bond-Entscheidung festgehalten, dass die Bank in Bezug auf das empfohlene Anlageobjekt sich aktuelle Informationen verschaffen und auswerten muss (Grundsatz der Informationsverschaffungs- und Auswertungspflicht)[3].

 

Diese nach wie vor heute geltenden „Alt-Grundsätze“ haben der Bundesgerichtshof sowie die Oberlandesgerichte im Laufe der Jahre immer mehr verfeinert und fortentwickelt. Auf einige, diese Verfeinerungen und Fortentwicklung dokumentierende Entscheidungen aus aktueller Zeit wird nachfolgend eingegangen.

 

 

II. Schlüssigkeit des Klagevortrags bei der Anlageberatung

 

In seiner Entscheidung vom 07.06.2018, Az. III ZR 210/17, weist der Bundesgerichtshof in Rn. 4 in einem Anlageprozess darauf hin, dass ein Sachvortrag zur Begründung eines Klagevortrags dann schlüssig und als erheblicher Prozessstoff zu berücksichtigen ist, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Insofern müsse das Gericht anhand des Parteivorbringens nur beurteilen können, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolge erfüllt sind. Genügt daher das Parteivorbringen diesen Anforderungen an die Substantiierung, kann der Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht verlangt werden. Vielmehr ist es dann Sache des Tatrichters, bei der Beweisaufnahme die benannten Zeugen nach Einzelheiten zu befragen, die ihm für die Beurteilung der Zuverlässigkeit der Bekundungen erforderlich erscheinen[4].

 

Ergänzend weist der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 07.06.2018 noch darauf hin, dass das Gericht im Interesse der Wahrung des Grundrechts aus Art. 103 Abs. 1 GG auf rechtliches Gehör keine überspannten Anforderungen an die Darlegung stellen darf. Vermag sich daher eine Partei an ein Geschehen nicht mehr zu erinnern, könne sie dazu gleichwohl eine ihr günstige Behauptung unter Zeugenbeweis stellen, wenn sie hinreichende Anhaltspunkte dafür vorträgt, dass der Zeuge das notwendige Wissen hat. Der Grad der Wahrscheinlichkeit der Sachverhaltsschilderung der Partei ist ohne Bedeutung.

 

 

III. Abgrenzung Anlageberatung/Finanzierungsberatung

 

Der Bundesgerichtshof hat in seinem diesbezüglichen Grundsatzurteil vom 19.12.2017, Az. XI ZR 152/17, festgehalten, dass im Zusammenhang mit dem Abschluss reiner Finanzierungsverträge grundsätzlich nur vom Abschluss eines Finanzierungsberatungsvertrages auszugehen ist, auf welchen die Anlageberatungsgrundsätze keine Anwendung finden. Dabei hat er festgehalten, dass es für die Abgrenzung zwischen Finanzierungsberatung sowie Anlageberatung ganz entscheidend darauf ankommt, ob es in erster Linie um die Anlage von Geld geht oder aber um die Beschaffung von Finanzmitteln

 

Die Differenzierung zwischen Anlage- und Finanzierungsberatung ist insofern von ganz maßgeblicher Bedeutung, als die Bank bei einer „bloßen“ Finanzierungsberatung nicht verpflichtet ist – jedenfalls nicht aus Anlageberatungsgrundsätzen –, den Kunden über eine Provision für die Vermittlung der Finanzierung zu informieren, weswegen das Rückvergütungsthema, anders als bei der Anlageberatung, bei der Finanzierungsberatung ebenso wenig eine Rolle spielt wie die Aufklärung über das Bestehen einer Gewinnmarge. Noch entscheidender ist jedoch, dass die Rechtsfolge eines Pflichtverstoßes bei der Finanzierungsberatung eine völlig andere ist als bei der Anlageberatung. Denn beim Finanzierungsberatungsvertrag führt eine Pflichtverletzung, anders als bei der Anlageberatung, unter Berücksichtigung des Grundsatzes des Schutzzwecks der verletzten Pflicht in der Regel dazu, dass der Darlehensnehmer (nur) den Ersatz der durch die gewählte Finanzierung entstandenen Mehrkosten verlangen kann (sog. Differenzschaden)[5]. Etwas anderes soll nach Auffassung des OLG Düsseldorf in WM 2017 S. 2.059 allerdings dann gelten, wenn der Darlehensnehmer bei der Finanzierungsberatung nachweist, dass er bei ordnungsgemäßer Beratung einen Kredit nicht aufgenommen hätte[6].

 

Wann wiederum von einem Anlageberatungsvertrag und wann von einem Finanzierungsberatungsvertrag ausgegangen werden kann, lässt sich in der Praxis nicht immer einfach feststellen. So wurde bspw. in der Empfehlung des Erwerbs US-amerikanischer fondsgebundener Lebensversicherungen ein Kapitalanlagegeschäft mit der Konsequenz gesehen, dass die Grundsätze der anleger- und objektgerechten Beratung hierauf angewendet wurden[7]. Ob wiederum in der Empfehlung des Abschlusses einer Lebensversicherung als Tilgungsersatz für ein Darlehen ein Anlagegeschäft zu sehen ist, wurde vom Bundesgerichtshof in einer Entscheidung vom 16.05.2017, Az. XI ZR 430/16, offengelassen, weil etwaige Ansprüche ohnehin verjährt waren[8].

 

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Beitragsnummer: 6444

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