Montag, 6. April 2020

Home-Office in Zeiten von Corona

Ein juristisches Minenfeld oder Heilmittel?

Katrin Etteldorf, Rechtsanwältin, Thümmel, Schütze & Partner und 

Dr. Harro WildeRechtsanwalt, Thümmel, Schütze & Partner

 

Die Arbeit im Home-Office erscheint als ein geeignetes Instrument, um während der Dauer der Corona-Krise die Ansteckungsgefahr von Mitarbeitern zu reduzieren. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Gefahr einer Infektion bei der Arbeit zu Hause ist viel geringer, aber auch für die im Betrieb verbliebenen Mitarbeiter ist dies vorteilhaft. Die örtlich präsente Belegschaft kann ausgedünnt, die räumlichen Abstände zwischen Mitarbeitern können vergrößert werden, sodass rein statistisch die Gefahr einer Infektion sinkt. Damit sind umgekehrt Nachteile verbunden: Arbeitsabläufe können verzögert werden, die informelle Kommunikation und der Informationsfluss zwischen Mitarbeitern „über den Flur“ leidet, Besprechungen finden nur noch am Telefon oder über Videokonferenz statt, die Aufsicht des Arbeitgebers über seine Mitarbeiter wird erschwert und Unterlagen sind ggf. nur noch eingeschränkt zugänglich. 

 

Allerdings kann die Einführung der Heimarbeit für Mitarbeiter während der Pandemiekrise auch vor erhebliche rechtliche Probleme stellen. 

 

SEMINARTIPPS

Datenschutz Kompakt: Aktuelle Rechtsprechung & Positionen der Aufsicht, 24.06.2020, Frankfurt/M.

Informationssicherheit & Datenschutz: Spannungsfeld & Schnittmengen, 08.10.2020, Köln.

Prüfung Datenschutz, 26.11.2020, Frankfurt/M.

 

Der Arbeitgeber kann die Tätigkeit im Home-Office nicht einfach kraft Direktionsrechts anordnen, sondern dies setzt grundsätzlich die Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers voraus. Die Tätigkeit zu Hause kann für die betroffenen Mitarbeiter auch zu erheblichen Nachteilen führen. Nicht jeder hat ein abgeschlossenes Arbeitszimmer, und wenn die Tätigkeit am Esstisch ausgeführt werden muss, während vielleicht gleichzeitig Kinder beschäftigt werden wollen, kann es tatsächlich und rechtlich schwierig werden. Auf der anderen Seite ist das Dilemma des Arbeitgebers nicht zu verkennen: er ist privat- und öffentlich-rechtlich nach § 618 BGB, § 3 ArbSchG gehalten, soweit möglich, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Gesundheit der Mitarbeiter zu schützen. Umgekehrt ist denkbar, dass ein Mitarbeiter im Home-Office arbeiten will, aber der Arbeitgeber dies aus organisatorischen Gründen nicht möchte. Auch hier gilt, dass der Arbeitnehmer im Prinzip keinen Rechtsanspruch darauf hat, zu Hause zu arbeiten.

 

In Unternehmen mit Betriebsrat/Personalvertretung sind deren Mitbestimmungsrechte zu beachten. Der Personalvertretung steht insoweit zur grundsätzlichen Einführung, zu den Voraussetzungen und zur Ausgestaltung von Home-Office ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht zu. 

 

Gleich, ob die Voraussetzungen und die Ausgestaltung von Home-Office durch eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder durch Betriebsvereinbarung geregelt werden, sind einige Aspekte zwingend zu beachten:

 

Unter welchen Umständen und für welche Tätigkeiten ist Home-Office rechtlich möglich? Dies beinhaltet nicht nur die grundsätzliche Frage, der notwendigen Präsenz im Institut, die Geeignetheit der Räumlichkeiten beim Mitarbeiter, des Zugriffs auf Dokumentationsbestände, sondern ebenso die aufsichtsrechtlichen Vorgaben zu etwa dem Abschluss von Handelsgeschäften und detaillierten Arbeitsanweisungen.

 

Wenn ein Mitarbeiter im Home-Office tätig wird, ist der Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet, ihm die erforderlichen Geräte wie Computer, Drucker, geeignete Büromöbel (z. B. abschließbarer Schrank, Beleuchtung) inkl. ggf. weiterer Arbeitsmittel zur Verfügung zu stellen. Wichtig ist weiter, dass – sollte der Mitarbeiter eigenes Mobiliar einsetzen – ihm nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts jedenfalls ein Aufwendungsersatzanspruch zusteht, der sich nach dem Mietwert (mit gewissen Abschlägen) bemisst. 

 

Der Arbeitgeber bleibt für die Ausgestaltung des Arbeitsplatzes verantwortlich, der auch zu Hause den anwendbaren Vorschriften zum Arbeitsschutz entsprechen muss. 

 

Keiner gesonderten Regelung bedarf es in diesem Zusammenhang hinsichtlich des Versicherungsschutzes. Auch im Home-Office besteht ein Versicherungsschutz gegen Arbeitsunfälle. Allerdings kann dies vor schwierige Abgrenzungsfragen stellen, so ist z. B. zweifelhaft, ob es sich um einen Arbeitsunfall handelt, wenn der Mitarbeiter von seinem Arbeitsplatz aufsteht, um sich in der Küche ein Brötchen zu holen und dabei stürzt und sich verletzt.

 

Gleichermaßen sind neben den allgemeinen datenschutzrechtlichen Sicherheitsbestimmungen besondere für das Home-Office zu definieren. Hierzu gehören u. a. der Verschluss und Schutz sämtlicher berufsbezogener Daten und Arbeitsmittel vor dem Zugriff durch Dritte insbesondere der Haushaltsangehörigen sowie die Gewährleistung der Vertraulichkeit dienstlicher Telefonate.

 

Dabei unterliegt der Arbeitnehmer im Home-Office uneingeschränkt der Weisungsbefugnis des Arbeitgebers. Um dieses wirksam auszuüben und die Einhaltung zu überprüfen, sind entsprechende Zutrittsrechte abzusichern. Da die Unverletzlichkeit der Wohnung ein grundgesetzlich geschütztes Gut ist, sind die Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegeneinander abzuwägen. Dies beinhaltet die Begrenzung der Zutrittsberechtigten auf etwa den Vorgesetzten, HR, den Sicherheitsbeauftragten, den Datenschutzbeauftragten, die hauseigene IT und den IT-Dienstleister, den Betriebsarzt, den Personalrat und Behörden, die den Arbeitsplatz auch dann aufsuchen dürften, wenn er sich im Betrieb befände (z. B. BaFin oder Datenschutzaufsichtsbehörde). Weiter ist es geboten, die Modalitäten zur Ausübung des Zutrittsrechts zu regeln. 

 

Nicht zuletzt ist dafür Sorge zu tragen, dass die mit dem Arbeitnehmer in einer häuslichen Gemeinschaft wohnenden Personen mit der Zugangsregelung ebenfalls einverstanden sind.

 

Als Fazit ist festzuhalten, dass sich Home-Office als ein Mittel zur Kontaktreduzierung und zum Gesundheitsschutz eignet, die rechtlichen Anforderungen an eine Vereinbarung zum Home-Office jedoch nicht durch gesetzliche Sonderregelungen erleichtert wurden. Die Auswirkungen des Coronavirus und damit der Verbleib einiger im Home-Office dürften uns noch einige Zeit begleiten, so dass im Fall eher pragmatischer Umsetzung die Vertragsgrundlagen geschaffen bzw. noch einmal auf den Prüfstand gestellt werden sollten.


Beitragsnummer: 6474

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