Freitag, 26. Januar 2018

Aktuelles zum Autokreditwiderruf

Sabine Kröger, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und Handels- und Gesellschaftsrecht, SKW Schwarz Rechtsanwälte, München

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Die Anzahl der veröffentlichten Gerichtsentscheidungen zu sogenannten „Autowiderrufsfällen“ ist derzeit noch überschaubar. Aus den aktuellen, veröffentlichten Entscheidungen lässt sich die Tendenz erkennen, dass die Instanzgerichte zwar von der Ordnungsgemäßheit der verwendeten Widerrufsinformationsklauseln ausgehen, aber die Frage nach der Erteilung sämtlicher erforderlicher Pflichtangaben unterschiedlich bewerten:

Das LG Köln hat mit Urt. v. 10.10.2017, Az.: 21 O 23/17, das Widerrufsrecht eines Autokäufers bezogen auf einen mit der Hausbank des Fahrzeugherstellers zur Finanzierung des Fahrzeugkaufs geschlossenen Darlehensvertrags verneint und dessen Klage abgewiesen. In seinen Urteilsgründen geht das Gericht davon aus, dass die Widerrufsinformation ordnungsgemäß sei und das beklagte Institut auch alle erforderlichen Pflichtangaben i. S. d. § 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB a. F. erteilt habe, so dass die Widerrufsfrist abgelaufen sei (vgl. §§ 355, 356b, 492 BGB). So sei Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB („einzuhaltendes Verfahren bei Kündigung“) dahingehend auszulegen, dass das Institut lediglich verpflichtet sei, auf den regulären Vertragsverlauf und die daraus resultierenden gegenseitigen – ordentlichen vertraglichen und ordentlichen gesetzlichen – Lösungsrechte hinzuweisen. Eine Darstellung der allgemeinen Möglichkeit jeder Vertragspartei, ein Dauerschuldverhältnis aus wichtigem Grund gem. § 314 BGB zu kündigen, sei nicht erforderlich. Ebenso fordere Art. 247 § 7 Nr. 3 EGBGB („Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung“) nicht die Erläuterung einer komplexen finanzmathematischen Formel und die Entscheidung für eine von zwei möglichen Berechnungsmethoden; es genüge vielmehr, dass der Kunde anhand der Angaben des Instituts zu den maximalen fälligen Summen eine Abschätzung der maximalen Kosten vornehmen kann.

SEMINARTIPP:

VerbraucherKreditRecht 2018, 26.04.2018, Frankfurt/M.




Das LG Arnsberg hat hingegen in seinem Urt. v. 17.11.2017, Az.: 2 O 45/17, das Widerrufsrecht eines Autokäufers bejaht und dessen negativer Feststellungsklage gegen das den Autokauf finanzierende Institut stattgegeben. Zwar sei die Widerrufsinformationsklausel wirksam, aber es seien dem Käufer und Darlehensnehmer nicht sämtliche erforderliche Pflichtangaben bei Vertragsschluss erteilt und eine Erteilung auch nicht nachgeholt worden. Denn der Verbraucher sei gem. Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB vollumfänglich darüber zu informieren, ob ihm ein Kündigungsrecht zustehe oder nicht. Zwar müsse der Darlehensnehmer nicht über alle möglichen Lösungsrechte informiert werden, nach dem Ergebnis der Gesetzesauslegung aber über alle möglichen Kündigungsgründe und damit auch über das gesetzliche außerordentliche Kündigungsrecht nach § 314 BGB. Dies entspreche auch der Vorstellung des deutschen Gesetzgebers (vgl.

BT-Drs. 16/11643) und einer europarechtskonformen Auslegung vor dem Hintergrund der Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG.

Ebenso bejahte das LG Berlin mit Urt. v. 05.12.2017, Az.: 4 O 150/16, das Widerrufsrecht eines Autokäufers und gab dessen Klage statt. Die Widerrufsfrist habe noch nicht zu laufen begonnen, da dem Kläger als Verbraucher nicht die erforderlichen Pflichtangaben zur Verfügung gestellt worden seien. Zum einen sei der Kläger nicht klar und verständlich über alle Möglichkeiten aufgeklärt worden, den Vertrag durch Kündigung zu beenden. Es fehle der Hinweis darauf, dass auch er selbst – und nicht nur das Institut – den Vertrag aus wichtigem Grund nach § 314 BGB kündigen könne. Zudem fehle ein Hinweis auf die bei der Kündigung seitens des Instituts zu beachtende Form, da nicht mitgeteilt worden sei, dass dessen Kündigung nach § 492 Abs. 5 BGB auf einen „dauerhaften Datenträger“ abgegeben werden müsse. Insoweit sei im Hinblick auf die Anforderungen des Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB eine Auslegung geboten, die sich an europäischem Recht orientiere und die Verbraucherkreditrichtlinie berücksichtige. Zum anderen seien auch die Angaben darüber nicht ausreichend, wie die Vorfälligkeitsentschädigung berechnet werde, so dass die Anforderungen des Art. 247 § 7 Nr. 3 EGBGB durch die Vertragsangaben („nach den vom Bundesgerichtshof vorgeschriebenen finanzmathematischen Rahmenbedingungen, insbesondere …“) nicht gewahrt würden. Das Institut müsse zwar nicht die finanzmathematische Berechnungsformel detailliert angeben. Es müsse aber zumindest erkennbar sein, welche konkrete Berechnungsmethode das Institut zur Berechnung anwenden wolle. Hingegen sei nicht ausreichend, wenn der Darlehensnehmer lediglich den maximalen Betrag ermitteln könne.

PRAXISTIPPS

  • Die rechtliche Diskussion um die Anforderungen an die erforderlichen Pflichtangaben in Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen ist nicht nur für bereits erfolgte Finanzierungen, sondern auch für die künftige Gestaltung derartiger Verträge von erheblicher Relevanz.
  • Bislang ist diese Fragestellung in der Instanzrechtsprechung hoch umstritten (vgl. neben den zitierten Entscheidungen auch: LG Düsseldorf, Urt. v. 09.10.2017, Az.: 11 O 37/17; LG Stuttgart, Urt. v. 17.08.2017, Az.: 12 O 256/16; LG Braunschweig, Urt. v. 12.05.2017, Az.: 6 O 1858/16, die auf der Linie des LG Köln liegen; vgl. zudem OLG Frankfurt/M., Urt. v. 11.04.2017, Az.: 25 U 110/16, das bezogen auf das „Verfahren bei Kündigung“ auf der Linie des LG Arnsberg und des LG Berlin zu liegen scheint). Eine einheitliche obergerichtliche Rechtsprechung und eine klärende BGH-Entscheidung fehlen, so dass derzeit erhebliche Rechtsunsicherheiten bestehen.
  • Bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen dürfte die derzeit bei „Autowiderrufsfällen“ vorherrschende Diskussion zu den Pflichtangaben „einzuhaltendes Kündigungsverfahren“ und „Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung“ dagegen eher eine geringe Relevanz für die Praxis haben. Denn bei diesen Angaben handelt es sich für diesen Vertragstyp schon nicht um gesetzlich erforderliche Pflichtangaben. Und soweit mit der BGH-Rechtsprechung wegen der Nennung des einzuhaltenden Kündigungsverfahrens ausnahmsweise von einer zusätzlich vertraglich vereinbarten Pflichtangabe aufgrund der in der Vergangenheit zeitweilig erfolgten Gestaltung der Widerrufsinformationsklauseln auszugehen ist (vgl. BGH, Urt. v. 22.11.2016, Az.: XI ZR 434/15), enthalten die maßgeblichen AGB der Institute bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen regelmäßig Hinweise auch zu einem außerordentlichen Kündigungsrecht des Darlehensnehmers. Insoweit stellt sich vorwiegend die rechtliche Frage, ob diese AGB wirksam in den Darlehensvertrag einbezogen wurden (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 04.07.2017, Az.: XI ZR 741/16).


Beitragsnummer: 381

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