Sonntag, 29. Dezember 2019

Erfolgsfaktoren für einen mehrwertstiftenden Neu-Produkt-Prozess

Ilja Farberg, Mitarbeiter Modellrisikomanagement und -validierung, Unabhängige Validierungsfunktion zu Risikodatenaggregation und -reporting, DekaBank Deutsche Girozentrale

Einleitung

Geht man als Auftraggeber in der Annahme, dass nach seiner bisweilen kryptischen Wunschäußerung der Auftragnehmer unmittelbar mit der Umsetzung des Auftrags beginnt, davon aus, dass der Auftragnehmer in kürzester Zeit die vollkommene Erfüllung des geäußerten Wunsches bei dem Auftraggeber vorbeibringt, wird man in der Praxis eines Besseren belehrt. Denn die Bankpraxis zeigt: So wie in dem geschilderten Fall mit einer Wunschäußerung funktioniert es im Neu-Produkt-Prozess (NPP, gem. MaRisk AT 8.1 geregelter Prozess, der neben der Einführung neuer Finanzinstrumente auch Geschäftsaktivitäten auf neuen Märkten begleiten soll) leider nicht. Ein gut etablierter NPP ist vielmehr infolge der Installation eines funktionierenden Zusammenarbeitsmodells innerhalb der Bankorganisation sowie einer angemessenen Ressourcen-/Budgetzuteilung möglich. Folgende Voraussetzungen machen die beiden genannten Aspekte aus und sind entsprechend zu erfüllen, damit die Organisation von dem NPP profitiert.

SEMINARTIPP

Neu-Produkte-Prozess (NPP), 30.03.2020, Köln.

Klare und verbindliche Governance

Zuerst ist die Governance zu nennen, denn es gibt genug Beispiele in der Bankpraxis dafür, dass anstatt funktionierender Governance-Konzepte Lippenbekenntnisse der verantwortlichen Organisationseinheiten vorzufinden sind, die einen jeden fachbereichsübergreifenden Prozess durch ineffiziente Mitarbeit daran wesentlich verlangsamen. Gerade der zeitliche Fortschritt eines NPP wäre jedoch entscheidend, denn das Time-to-Market-Merkmal, worunter die Zeitspanne zwischen der Anfrage nach einem neuen Produkt und der Aufnahme der Handelstätigkeit verstanden wird, von den NPP-Auftraggebern als zentrale Erfolgsgröße des Prozesses gesehen und oft zurecht gegenüber den umsetzenden Organisationseinheiten als zu schlecht bemängelt wird. Es gibt allerdings mehrere Optimierungsmöglichkeiten.

Ein funktionierender Kommunikationskreis im NPP etwa lässt sich skizzieren, indem man die Kommunikation zwischen NPP-auftraggebenden und NPP-umsetzenden Organisationseinheiten sternförmig über die NPP-Koordinatoren (sog. Multiplikatoren) fließen lässt. Diese sternförmige Kommunikation ist im NPP entscheidend, damit fachliche, technische und prozessablaufseitige Abhängigkeiten zwischen den einzelnen betroffenen Umsetzungssträngen der Organisation adäquate Berücksichtigung finden. Dies führt zur Senkung der Anzahl der Iterationen bei der Ermittlung und Umsetzung der gewünschten Abbildung des einzuführenden Produkts und folglich rückt die Einleitung einer produktiven Testphase näher. Das Time-to-Market sinkt. Der Mehrwert des Prozesses und seine Akzeptanz in der Organisation steigen.

Wirksame Gremienstruktur

Die im vorstehenden Abschnitt beschriebene Kommunikation benötigt einen institutionalisierten Rahmen. Etablierte Abstimmungstermine auf unterschiedlichen hierarchischen Ebenen können dazu beitragen, effizientes Monitoring laufender Produkteinführungen vorzunehmen. Zentrale Voraussetzungen dafür sind eine sinnvolle zeitliche Abfolge der Termine, deren gute Vorbereitung und professionelle Moderation im Rahmen derer erzielte Abstimmungsergebnisse verbindlich festgehalten werden.

BUCHTIPPS

Meier (Hrsg.), Praxisleitfaden Prozessmanagement, 2017.

Handbuch Neu-Produkt-Prozess, 2018.

Incentivierung und Ressourcen-/Budget-Frage

Aufgrund der hohen fachlichen und persönlichen Anforderungen, die der NPP an Prozessbeteiligte stellt, gibt es einen potenziellen Konflikt, denn es sind Mitarbeiter mit hoher Seniorität einzubeziehen. Diese sind tendenziell stark durch Linien-/Projekttätigkeiten ausgelastet, und so entsteht der Eindruck, NPP-Aufgaben würden „on top“ auf ihren Arbeitstisch flattern. Dieser Eindruck kann unter der Voraussetzung sorgfältiger Ressourcenplanung in der betroffenen Organisationseinheit durch Incentivierung revidiert werden.

Genauso wie die Incentivierung hinreichende Ressourcen voraussetzt, funktioniert die Umsetzung eines NPP-Vorhabens nicht ohne ausreichendes Budget. Eine angemessene Zuteilung der Ressourcen/des Budgets setzt des Weiteren eine realistische Zeitplanung voraus, denn ansonsten sind Umsetzungsaktivitäten im NPP vor dem Hintergrund anderer bankweiter Aktivitäten unter Umständen selbst mit Unterstützung externer Arbeitskräfte nicht durchführbar.

Funktionsfähige Koordinationsfunktion

Der NPP-Kommunikationskreis stellt auf eine zentrale Rolle der NPP-Koordinatoren ab, die als Multiplikatoren der erforderlichen Information im Prozess fungieren und dadurch für einen effizienten Prozessablauf Sorge tragen. Je größer die Schnittmenge des Know-how eines NPP-Koordinators mit den zahlreichen fachlichen und technischen Themen ist, umso höher sind der Grad seiner Antizipation von Informationsbedarfen und potenziellen Umsetzungsfallstricken bei Produkteinführungen und der Grad seiner Akzeptanz bei den Prozessbeteiligten. Letzteres ist essenziell, denn während sich zu den fachlichen und technischen Fragen rund um eine Produkteinführung Experten aus den Fachbereichen zu Rate ziehen lassen, bleibt die Kommunikation im Prozess eine ureigene Aufgabe des NPP-Koordinators.

BERATUNGSTIPP

Geschäftsprozesse mit steuerungsrelevanten Kennzahlen.

Zeit-/kosteneffizienter Prozessablauf

Es lässt sich zeigen, dass durch professionelles Informationsmanagement in den Phasen des NPP Prozessiterationen vermieden werden können. So gibt es einige, für das Time-to-Market neuralgische Stellen im NPP:

  • Phase Anfrage/Planung: Erstellung des Business Case (Analyse der Wirtschaftlichkeit des Handelsvorhabens) mit transparenten und belastbaren Angaben erhöht die Chancen auf die zeitgerechte Realisierbarkeit des Vorhabens am Markt.
  • Phase Umsetzung: Professionelles Management der synthetischen Testgeschäfte stellt ein wesentliches Kriterium für den kosten- und zeiteffizienten Verlauf und erfolgreichen Abschluss der Umsetzungsphase dar.
  • MaRisk-Testphase: Da ab deren Beginn eine Handelsfreigabe für Geschäfte mit hausexternen Kontrahenten vorliegt, ist die Einleitung der MaRisk-Testphase ein wesentlicher Meilenstein im NPP zur Erfüllung der Erwartungshaltung des Auftraggebers.

NPP, Quo vadis?

Auch der im Vergleich zu anderen regulatorisch bedingten Prozessen in Kreditinstituten relativ junge NPP hat in der vergangenen Dekade eine Evolution vorzuweisen. Entsprechend sind einige Dutzend Produktfreigaben in jedem Institut bereits erteilt worden. Die in den letzten Jahren am Markt beobachtbaren Trends weg von Produkten, die für das Kreditgeschäft einer Bank charakteristisch sind, hin zu den Finanzinstrumenten, welche komplexere kundenspezifische Transaktionen bestücken können, machen es deutlich, dass ein Management der erteilten Freigaben im NPP den Prozess viel zeit-/und kosteneffizienter gestalten lässt. Wesentliche Komponenten davon wären

  • regelmäßige Überprüfung der Gültigkeit erteilter Handelsfreigaben (explizit vom Regulator gefordert) sowie
  • eine Institutionalisierung der Reaktivierung von Handelsfreigaben, die in der Vergangenheit entzogen wurden, inklusive insbesondere transparenter Kriterien für die erneute Freigabe.

Darüber hinaus lässt die oben beschriebene Entwicklung der Handelsstrategie weg von standardisierten Lösungen und hin zu „Tailor made“-Transaktionen eine sinnvolle Auswahl möglicher Arten von NPP-Vorgängen an Bedeutung gewinnen. Dadurch kann man bereits in der ersten Phase eines Vorgangs bestimmen, welche Prozessschritte begründet wegfallen könnten, um Einmalfreigaben zeiteffizient erreichen zu können.

PRAXISTIPPS

  • Etablierung von Schnittstellen zu anderen Change-the-Bank-Prozessen trägt dazu bei, fachliche und technische Abhängigkeiten frühzeitig zu erkennen und dadurch deren rechtzeitige, adäquate Berücksichtigung bei der Modifikation der Bankprozesse im Rahmen dieser Change-the-Bank-Prozesse zu ermöglichen. Entsprechend wird diese Verzahnung zunehmend mehr vom Regulator erwartet.
  • Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Erfolgsfaktoren, die den NPP schlanker und die Akzeptanz des Prozesses höher werden lassen. Neben den üblichen Faktoren, die einen Prozess schneller, schlanker, kostengünstiger und effizienter werden lassen sind es beispielhaft

    • eine technische Plattform zur userfreundlichen Abbildung von NPP-Freigaben;
    • Institutionalisierung von Austausch innerhalb der Organisation im Sinne der „Lessons learned“;
    • Regelmäßiger Austausch mit anderen Instituten zur Optimierung des eigenen NPP.
  • Subsumierend lässt sich für einen gut etablierten NPP eine erstrebenswerte Kombination aus zwei Faktoren herausbilden:

    • Gelungene Überzeugung wichtiger, infolge dieser Überzeugung als Prozess-Sponsoren agierender Stakeholder in der Organisation vom Mehrwert des NPP und
    • ein gutes Prüfungsergebnis des NPP durch (externe) Kontrollorgane.



Beitragsnummer: 3910

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