Andrea Neuhof, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner
Am 26.06.2019 wurde die Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) im Amtsblatt der EU (L 172/18) veröffentlicht.
Die Richtlinie ist damit in Kraft getreten, womit auch der Startschuss für die nationale Ausgestaltung durch die Mitgliedsstaaten während der zweijährigen Umsetzungsfrist – die auf Antrag um ein weiteres Jahr verlängerbar ist – gefallen ist.
BUCHTIPP
Cranshaw/Paulus/Michel (Hrsg.), Bankenkommentar zum Insolvenzrecht, 3. Aufl. 2016.
Ziel der Richtlinie ist u. a. die Schaffung eines europaweit einheitlichen Rechtsrahmens zur präventiven Restrukturierung angeschlagener Unternehmen im Vorfeld einer möglichen Insolvenz. Vorgesehen ist hierbei ein gerichtliches Planverfahren für
- eine finanzielle Restrukturierung, insbesondere der Passivseite der Bilanz,
- gesellschaftsrechtliche Maßnahmen, etwa die Ausschließung von Gesellschaftern, Kapitalerhöhungen und -herabsetzungen sowie
- eine Restrukturierung der Aktivseite der Bilanz, beispielsweise durch Asset- oder Sharedeals, übertragende Sanierung o. ä.
Operative Sanierungsmaßnahmen sollen im Rahmen des Planverfahrens zulässig sein, werden jedoch z. T. aufgrund befürchteter Auswirkungen auf den Fortbestand u. a. von Arbeitsplätzen als bedenklich angesehen.
Die Vorgaben zur Umsetzung lassen in den meisten Punkten breite Spielräume zu. Nach der Ausgestaltung des Zugangs zur Eigenverwaltung und zum Schutzschirmverfahren im Rahmen des ESUG wird es in Deutschland damit – abgesehen von dem Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz vom 09.12.2010 für Banken – erstmals zu einem gesetzlich geregelten vorinsolvenzlichen Verfahren zur Sanierung angeschlagener Unternehmen kommen. Ob und welche Auswirkungen die gesetzliche Ausgestaltung auf die bereits bestehende, auf Basis gesetzlicher Einzelregelungen in erster Linie durch die Rechtsprechung ausdifferenzierte und weitgehend auf dem Gedanken des allseitigen Konsenses aufbauende Sanierungspraxis haben wird, bleibt abzuwarten.
Der Text der Richtlinie ist unter dem Link abrufbar.
Beitragsnummer: 2818