Montag, 15. Juli 2019

Finanzdienstleister und Banken sollten stärker kooperieren

Hausbank vs. alternative Finanzierer: Wer setzt sich durch? Beide, wenn sie nur zusammenfinden – meint Interviewpartner Carl-Jan von der Goltz.

Interviewpartner: Carl-Jan von der Goltz, Geschäftsführender Gesellschafter, Maturus Finance GmbH

I. Der Gesprächspartner kurz vorgestellt

Carl-Jan von der Goltz ist Geschäftsführender Gesellschafter der Maturus Finance GmbH, einer Finanzierungsgesellschaft, die neue Wege in der Unternehmensfinanzierung geht. Seit 2005 ist das Unternehmen Ansprechpartner für mittelständische Produktionsbetriebe und unterstützt diese mit assetbasierten Modellen wie Sale & Lease Back. Im Interview erklärt Carl-Jan von der Goltz, wie sich die Landschaft der klassischen Kapitalgeber derzeit ändert, wie der deutsche Mittelstand darauf reagiert, wieso er klassische Banken eher als Partner denn als Konkurrenten sieht und wieso die Zukunft am Finanzmarkt in der Kooperation liegt.

II. Das Interview mit Carl-Jan von der Goltz

1. „Herr von der Goltz, wie schätzen Sie die momentane Situation der heimischen Banken ein?“

„Die deutsche Finanzierungslandschaft befindet sich gerade in einem umfassenden Umbruch. Traditionelle Häuser wie öffentlich-rechtliche Anbieter, private Geschäftsbanken, und Genossenschaftsbanken kämpfen mit immer strikteren Regularien und den Auswirkungen einer langen Niedrigzinsphase. Auf der anderen Seite ist in den letzten Jahren eine starke Säule aus alternativen Finanzierern und neuen Konkurrenten wie Auslandsbanken oder FinTechs entstanden. Wohin diese Entwicklung führt, ist derzeit noch nicht völlig abzusehen. Es gibt jedoch Experten, die davon ausgehen, dass in den nächsten zehn Jahren nur noch zehn bis 20 % der heutigen Bankhäuser bestehen werden.“

2. „Wie ist, Ihrer Erfahrung nach, der Mittelstand von diesem Umbruch betroffen?“

„Viele Unternehmen spüren die Veränderungen schon seit einiger Zeit und werden wohl in Zukunft noch stärker davon betroffen sein. Denn die Banken haben im Rahmen der neuen Regulatorik für ihre Risikopositionen mehr Eigenkapital zu hinterlegen. Außerdem gilt in Zukunft eine strenge Obergrenze für ihre langfristige Verschuldungsquote. Das führt dazu, dass die Bonität für ein Engagement der Bankhäuser und die Bedingungen ihrer Kreditvergabe zum zentralen Faktor wird. Daraus folgt: Gerade für Unternehmen in besonderen Situationen wird es zunehmend schwieriger, Bankkredite zu bekommen. Das kann besonders kleinere, junge oder Unternehmen ohne TOP-Bonitäten vor ernsthafte Probleme in der Mittelbeschaffung stellen.“

3. „Und wie reagieren die Unternehmen – einst klassische Kunden der Banken – darauf?“

„Aktuellen Studien zufolge haben Mittelständler in den letzten Jahren erst einmal recht konventionell reagiert: Sie haben ihre Eigenkapitalquote erhöht, was natürlich durch die gute Wirtschaftslage unterstützt wurde. Unternehmer gehen aber immer mehr dazu über, sich mit ihrer Finanzierungsstrategie zu beschäftigen. Sie schauen sich stärker am Finanzierungsmarkt um und setzen sich mit den verschiedenen ergänzenden Kapitalmodellen, die mittlerweile verfügbar sind, auseinander. Gerade kurzfristige unbesicherte Kredite von FinTechs, Sale & Lease Back, Factoring oder Einkaufsfinanzierung bieten oft das, was KMU benötigen – kurzfristige Mittel, schnelle Zu- oder Absagen oder kurze Laufzeiten. Ich glaube aber nicht, dass der Gang zur Hausbank künftig keine Option mehr für die Entscheider ist. Oder wie manche behaupten: Der klassische Bankkredit wäre vom Aussterben bedroht. Gerade wenn es um langfristige Investitionen und besicherte Kredite geht, sind die Banken immer noch wichtiger Ansprechpartner vieler mittelständischen Unternehmen. Ich denke aber, dass sich KMU langfristig stärker über eine individuelle und breit aufgestellte Finanzierungsstruktur absichern und unabhängiger von einzelnen Geldgebern werden.“

4. „Herr von der Goltz, Sie stehen für den sogenannten Sale & Lease Back-Ansatz in der Finanzierung. Ist dieser ein Konkurrenzmodell zum klassischen Bankkredit?“

„Ganz klar: Nein! Wie die meisten alternativen Modelle steht auch Sale & Lease Back nicht in direkter Konkurrenz zum Geschäft von Banken und Sparkassen. Alternative Finanzierungen sind aus meiner Sicht als eine strategische Ergänzung zu sehen. Übrigens nicht nur für den Unternehmer, der bonitätsunabhängige und kurzfristige Mittel benötigt: Ich betrachte Ansätze wie Sale & Lease Back auch als Chance für Kreditinstitute. In Fällen, wo die Häuser mit ihren eigenen Produkten an Grenzen stoßen – Stichwort: Bonität –, müssen sie einen langjährigen Kunden in einer Sondersituation nicht einfach wegschicken. Sie könnten den Unternehmer an einen Kooperationspartner verweisen, der eine bonitätsunabhängige Finanzierungsalternative bietet. So haben Hausbanken die Möglichkeiten, das Angebot weiter auszubauen, neue Kunden zu gewinnen und die zu halten, die ansonsten womöglich abwandern würden. Es gibt längst Finanzinstitute, die ähnliche Ansätze verfolgen und beispielsweise mit FinTechs oder alternativen Partnern zusammenarbeiten. Auf lange Sicht, denke ich, werden die Banken nicht daran vorbeikommen, noch stärker mit anderen Finanzierern zu kooperieren.“

5. „Sie sehen die Zukunft von Banken und alternativen Finanzierern also nicht primär in der Konfrontation, sondern eher in der friedlichen Koexistenz?“

„Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen und sagen, die Zukunft der unterschiedlichen Anbieter liegt in der Partnerschaft. Denn der Markt diversifiziert sich auf der Angebotsseite gerade sehr stark. Zugleich setzen sich Firmenkunden ihre jeweiligen Finanzierungsbausteine immer individueller zusammen. Da wird es m. E. für einzelne Anbieter mit spezialisierten Produkten immer schwieriger, Kunden in der Fläche zu gewinnen. Deshalb sollten Banken und alternative Finanzierer sich vernetzen, enger zusammenarbeiten und schauen, wo sich Synergie-Effekte ausschöpfen lassen.“

6. „Können Sie eine solche Synergie beschreiben?“

„Gerne: Nehmen Sie beispielhaft besagten Bankkunden in einer Sondersituation – ihm kann wegen mangelnder Sicherheiten und unzureichender Bonität zwar kein Kredit gewährt werden, jedoch kann seine Hausbank ihn an einen Partner aus der alternativen Finanzierung vermitteln. Durch dessen Unterstützung kommt der Kunde an frische Liquidität, die er für strukturelle Investitionen dringend benötigt. Zudem kann er durch diese Finanzspritze seine Eigenkapitalquote erhöhen und damit positiven Einfluss auf die Bonität des gesamten Unternehmens nehmen. Als Nebeneffekt besteht der Betrieb in der Folge die Bonitätsprüfung der Bank. Das Kreditinstitut behält seinen Stammkunden, konnte ihm in schwieriger Lage den entscheidenden Tipp geben und ihm schließlich doch noch ein Produkt verkaufen. Hausbank, alternativer Finanzierer und Unternehmer – alle Parteien gingen meiner Ansicht nach als Gewinner aus einer solchen Kooperation hervor.“

7. „Sie haben mehrfach von Sondersituationen gesprochen, in denen sich Unternehmen befinden können. Was genau meinen Sie damit?“

Sondersituationen sind Ereignisse und Entwicklungen, die Unternehmen vor besondere Herausforderungen stellen. Das können schwer vorhersehbare Einschnitte wie Krisen sein, aber auch komplexere Umwandlungsprozesse oder Erwerbsprozesse. Typische Beispiele sind Investitionen in neue Geschäftsbereiche oder Produkte, die Ablösung von Gesellschaftern, der Erwerb anderer Unternehmen, Unternehmensnachfolgen, Restrukturierungen des Betriebes aber auch Sanierungen oder Insolvenzen. Die Geschwindigkeit, mit der Entscheidungen getroffen und Lösungen gefunden werden, spielt in solchen Fällen oft eine wichtige Rolle. Dies und die Unsicherheiten, die mit derartigen Situationen meist einhergehen, erschweren den Banken häufig die Kreditvergabe oder machen sie gar unmöglich.“

SeminarTIPP

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8. „Noch einmal zu Sale & Lease Back: Es wird als assetbasierte Finanzierung beschrieben. Können Sie kurz erklären, wie der Ansatz funktioniert?“

Assetbasiert heißt neudeutsch objektbasiert. Die Objekte sind in unserem Fall gebrauchte Maschinenparks und Anlagen, die viele produzierende Mittelständler in ihren Hallen stehen haben. Diese Assets binden oft erhebliches Kapital – man spricht hier auch von stillen Reserven. Sale & Lease Back hilft dem Unternehmen in Form einer reinen Innenfinanzierung, das in den Maschinen gebundene Kapital zu heben. Dazu verkauft das Unternehmen die Objekte an den Finanzierer und least sie im Anschluss sofort zurück. So werden frische liquide Mittel frei und die Arbeit der Maschinen kann ohne Unterbrechung weiterlaufen. Damit der Prozess funktioniert, sind die Werthaltigkeit, Mobilität und universelle Einsetzbarkeit der Objekte Voraussetzung. Sale & Lease Back setzt zudem in der Regel nie auf einzelne Maschinen auf, sondern setzt einen mobilen Maschinen- und Anlagenpark voraus. Das mögliche Finanzierungsvolumen liegt dabei zwischen 400.000 € und 15 Mio. € – in Einzelfällen auch höher.“

9. „Haben Sie ein abschließendes Praxisbeispiel parat, das Ihre Arbeit illustriert?“

„Maturus Finance hat beispielsweise einen Spezialisten aus der Tiefbaubranche unterstützt, bei dem dringender Sanierungsbedarf bestand. Die Rahmenbedingungen waren den Banken in dem Fall zu heikel, weshalb weder ein Kredit noch ein Darlehen gewährt wurde. Sale & Lease Back erwies sich für den Familienbetrieb mit 200 Mitarbeitern als einzige Möglichkeit, an freies Kapital für die nötigen Restrukturierungen zu kommen: Mit dem Verkauf zweier Tranchen Baumaschinen an Maturus Finance verschaffte sich das Unternehmen schließlich die liquiden Mittel, um seine Sanierung voranzubringen.“

PRAXISTIPPS

  • Der Finanzierungsmarkt differenziert sich weiter aus – zahlreiche Wettbewerber treten in Konkurrenz zur klassischen Hausbank.
  • Kleine und mittelständische Unternehmen werden in Zukunft noch stärker auf unterschiedliche Finanzierungsoptionen und -partner setzen und einen individuellen Finanzierungsmix anstreben.
  • Banken und alternative Anbieter müssen nicht per se in Konkurrenz zueinander treten. Sie ergänzen sich vielmehr durch ihre unterschiedlichen Spezialisierungen.
  • Unternehmen in Sondersituationen können wegen strenger gesetzlicher Auflagen von den Hausbanken oft nicht bedient werden.
  • Bonitätsunabhängige Finanzierer können diesen Betrieben Unterstützung bieten.
  • Eine stärkere Kooperation und Vernetzung von Banken sowie alternativen Finanzdienstleistern kann beiden Akteuren die Kundenakquise erleichtern, die Kundenbindung erhöhen, Synergien eröffnen, Lücken im Angebot schließen und zusätzliche Einnahmen generieren – beispielsweise aus Provisionen.
  • Sale & Lease Back ist ein objektbasierter Finanzierungsansatz, mit dem produzierende Unternehmen aus ihren gebrauchten Maschinenparks frisches Kapital generieren können.

Kontakt

Maturus Finance GmbH Brodschrangen 3-5

20457 Hamburg

Telefon: +49 40 300 39 36-250

Web: www.maturus.com

E-Mail: info@maturus.com


Beitragsnummer: 3015

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