EDITORIAL
Liebe Leserinnen und Leser,
die Auswirkungen des Russland/Ukraine-Krieges treffen sicherlich viele Firmenkunden und sind aktuell noch nicht gänzlich in ihrer Tragweite absehbar. Es ist aber zu erwarten, dass die anhaltenden Lieferkettenprobleme, erhöhten Rohstoff-/Energiepreise und Sanktionen/Embargomaßnahmen einen massiven Umsatz- und Ertragseinbruch bei zahlreichen Firmenkunden, unabhängig ihrer Unternehmensgröße, mit sich bringen werden. In der Folge wird sich dies auch auf die Unternehmensbilanzen und deren Analyse auswirken. Welche Branchen sind aber gerade jetzt in der Krise am stärksten betroffen und welche Implikationen ergeben sich hieraus für Ihre Firmenkunden? Drohen Sonderabschreibungen, Neubewertungen und welche Auswirkungen hat dies auch für die Kreditportfolien Ihres Instituts?
In diesem Zusammenhang ist es wichtig, potenzielle Auswirkungen von Krisenereignissen auf das Kreditportfolio abzuschätzen und kriseninduzierte Rückkopplungseffekte auf die Kapitaldienstfähigkeit betroffener Kreditnehmer zu analysieren. Je höher das Ergebnis für die Auslastung der Kapitaldienstfähigkeit ausfällt, desto höher kann das Risiko für einen zukünftigen Ausfall des Kreditnehmers eingestuft werden. Fokus sollte auf diejenigen KDF-Treiber gelegt werden, die sich kriseninduziert negativ auf die Kapitaldienstgrenze eines Unternehmens auswirken können. Darüber hinaus kann es in Abhängigkeit von Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt, der von einem Institut betriebenen Kreditgeschäfte, sinnvoll sein, nach Kunden-, Geschäfts- oder Produktsegmenten differenziert ausgestaltete Kreditvergabestandards festzulegen.
Mit der vor kurzem erschienen Publikation „Risiken im Fokus der BaFin“ erläutert die BaFin die aus ihrer Sicht aktuell sechs wichtigsten Risikotreiber für den deutschen Finanzmarkt. Mit Blick auf den Bereich „Kredit“ sind dies insbesondere „Risiken aus Korrekturen an den Immobilienmärkten“ und „Risiken aus dem Ausfall von Unternehmenskrediten“.
Der deutsche Markt für Wohnimmobilien birgt aktuell systemische Risiken. Hier wird auf Wohnimmobilienwerte hingewiesen, die „mittlerweile um 20 bis 35 % überbewertet“ sind und „zwar nicht nur in den Großstädten, sondern landesweit“. Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken, wird die BaFin die Kreditvergabestandards fortlaufend analysieren und wenn erforderlich auch korrigierend eingreifen.
Mit den aktuell laufenden bzw. bereits abgeschlossenen Werthaltigkeitsprüfungen („PAAR-Prüfungen") seitens der Aufsicht erfolgt eine Erweiterung des bisher prozessorientierten Prüfungsansatzes der MaRisk-Kreditgeschäftsprüfungen, um eine einzelengagementbezogene zusätzliche Werthaltigkeitskomponente. Dabei kann ein aufsichtlich begründeter Risikovorsorgebedarf über die handelsrechtlich zu bildende Risikovorsorge hinausgehen und ist im Rahmen des ICAAP entsprechend mit Risikodeckungspotenzial zu unterlegen. Grundlage der PAAR-Prüfung ist eine umfassende Portfolioanalyse mit einer Beurteilung der nachhaltigen Kapitaldienstfähigkeit und bei ausfallgefährdeten Engagements mit einer Beurteilung der nachhaltig erzielbaren Sicherheitenerlöse.
Im Rahmen von aufsichtlichen „Werthaltigkeitsprüfungen“ wird bei ausgewählten Instituten das Immobilienexposure analysiert und hier ebenfalls abhängig vom Ergebnis eingegriffen. Des Weiteren wird die Aufsicht im Rahmen von „Werthaltigkeitsprüfungen“ analysieren, „wie sich die Covid-19-Pandemie auf das Kreditrisiko von Banken und Sparkassen auswirkt“.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Lesen dieser Ausgabe. Bleiben Sie vor allem gesund, munter und zuversichtlich!
Ihr Jürgen Blatz
Bereichsleiter Kreditgeschäft, Finanz Colloquium Heidelberg GmbH