Montag, 11. März 2019

Kein ausdrücklicher Hinweis auf Totalverlustrisiko bei Schiffsfonds

OLG München zu nicht erforderlichem Hinweis auf Totalverlustrisiko, loan-to-value-Klausel und Schiffsgläubigerrechte bei Schiffsfonds, Prognose zur Entwicklung des Schiffsmarktes

Dr. Heinrich Eva, Rechtsanwalt, Thümmel, Schütze & Partner

Das OLG München hat mit Beschluss vom 10.12.2018, Az. 13 U 430/18, erstmals entschieden, dass bei einem geschlossenen Schiffsfonds ein ausdrücklicher Hinweis auf das Totalverlustrisiko nicht erforderlich ist. Damit schließt sich das OLG München der bereits vom OLG Düsseldorf (Urt. v. 27.05.2016, Az. I-16 U 38/15) und vom OLG Frankfurt am Main (Urt. v. 27.09.2017, Az. 23 U 146/16) vertretenen Meinung an. Der Beschluss wurde durch den Zurückweisungsbeschluss des OLG München vom 14.02.2019, Az. 13 U 430/18, bestätigt.

In dem vor dem OLG München rechtshängigen Berufungsverfahren begehrte der Kläger von den Beklagten Schadensersatz im Zusammenhang mit einer Schiffsbeteiligung. Der Kläger berief sich in dem Verfahren darauf, dass der Prospekt die Darstellung von Risiken und Besonderheiten unterdrücke, die der Kläger als durchschnittlich versierter Anleger nicht erkennen und in ihren möglichen negativen Auswirkungen nicht beurteilen könne, obwohl sie für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung seien. Insbesondere rügte der Kläger einen unzureichenden Hinweis auf das Totalverlustrisiko, eine falsche Darstellung des Schiffsmarktes und Prognosen in Bezug auf die Markt- und Beschäftigungssituation, einen fehlenden Hinweis auf die loan-to-value-Klausel sowie auf die Schiffsgläubigerrechte.

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Das OLG München hat in den Gründen zunächst ausgeführt, dass ein Hinweis auf das Totalverlustrisiko bereits nicht veranlasst gewesen ist. Nach Auffassung des OLG München stehe bei einem Schiffsfonds ähnlich wie beim Immobilienfonds selbst bei unzureichendem Ertrag aus der Vercharterung den Verbindlichkeiten der Gesellschaft zunächst der Sachwert des Schiffes gegenüber. Zu einem Totalverlust der Beteiligung des Anlegers könne es daher erst kommen, wenn die Verbindlichkeiten der Fondsgesellschaft den Wert des Schiffs vollständig aufzehren. Zwar bestehe bei einem teilweise fremdfinanzierten Fonds, der Zins- und Tilgungsleistungen zu erbringen habe, im Fall der Verwertung des Sachwertes das Risiko, dass der Erlös hinter den Kreditverbindlichkeiten zurückbleibe. Solange der Anteil der Fremdfinanzierung des Fonds und die damit verbundenen Belastungen im Prospekt zutreffend dargestellt seien, seien die sich daraus ergebenden Risiken allgemeiner Natur, Anlegern regelmäßig bekannt und damit auch nicht aufklärungsbedürftig.

Hinsichtlich der fehlerhaften Darstellung des Schiffsmarktes und Prognosen in Bezug auf die Markt- und Beschäftigungssituation erinnert das OLG zunächst daran, dass ein Emissionsprospekt dem Anleger ein zutreffendes Bild von der angebotenen Kapitalbeteiligung zu vermitteln hat. Ob ein Prospekt unrichtig oder unvollständig sei, sei daher nicht allein anhand der wiedergegebenen Einzeltatsachen, sondern nach dem Gesamtbild zu beurteilen, dass er von der Anlage vermittle (BGH, Urt. v. 12.07.1982, Az. II ZR 175/81). Dabei gehöre zu den Umständen, über die der Prospekt ein zutreffendes und vollständiges Bild zu vermitteln habe, auch die für die Anlageentscheidung wesentlichen Prognosen über die voraussichtliche künftige Entwicklung des Anlageobjekts. Der Prospektherausgeber übernehme dabei grundsätzlich keine Gewähr dafür, dass die von ihm prognostizierte Entwicklung tatsächlich eintrete. Vielmehr müssen die Prognosen im Prospekt durch Tatsachen gestützt und ex ante betrachtet vertretbar sein. Prognosen können dabei nicht wahr oder unwahr sein, weil die Bewertung der künftigen Entwicklung subjektiven Maßstäben unterliege. Aufgrund dessen müsse die Bewertung unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände und der sich abzeichnenden Risiken ex ante betrachtet lediglich vertretbar sein (BGH, Urt. v. 19.12.2017, Az. XI ZR 152/17).

Unter Heranziehung dieser Grundsätze kommt das OLG München sodann zu dem Ergebnis, dass im Zeitpunkt der Prospekterstellung am 21.12.2007 und im Zeitpunkt der Zeichnung durch den Kläger am 25.01.2008 die Prognose im Emissionsprospekt zwar als optimistisch, aber angesichts der von Experten geteilten Einschätzung als durchaus vertretbar anzusehen gewesen sei. Die Behauptung des Klägers, dass bereits bei der Prospekterstellung eine Übertonnage deutlich absehbar gewesen sei, mit der denklogisch auch ein Verfall der Charterraten einhergehen musste, sei nicht näher belegt und stehe im Widerspruch zur gegenläufigen Prognosen unabhängiger Experten. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens habe es auch nicht bedurft, da es sich hierbei um eine vom Senat selbst vorzunehmende rechtliche Bewertung gehandelt habe.

Darüber hinaus hat sich das OLG München auf den Standpunkt gestellt, dass die Darstellung einer loan-to-value-Klausel im Prospekt nicht erforderlich gewesen sei, zumal seitens des Klägers zum Inhalt der konkreten mit den finanzierenden Banken vereinbarten loan-to-value-Klauseln nichts vorgetragen werde. Darüber hinaus gewähren loan-to-value-Klauseln dem Darlehensgeber in der Regel Nachbesicherungsrechte, aber zum Teil auch andere Rechte, etwa Sondertilgungs- und Kündigungsrechte, wenn sich der Wert der das Darlehen sichernden Sicherungsrechte verschlechtere. Sie seien allgemein üblich und daher nicht aufklärungsbedürftig.

Schließlich musste nach Auffassung des OLG München der Prospekt auch nicht darauf hinweisen, dass aufgrund der unterschiedlichen Bestimmungen zum Schiffs-gläubigerpfandrecht je nach anzuwendender Rechtsordnung die Arrestierung der Schiffe für Forderungen gegen den jeweiligen Charterer nicht von vornherein auszuschließen ist. Dabei führt das OLG München zunächst aus, dass der dem beitretenden Kommanditisten gegenüber Aufklärungspflichtige keine allgemeine, sämtliche rechtlichen Aspekte der Anlage umfassende Beratung schulde (vgl. BGH, Urt. v. 09.05.2017, Az. II ZR 344/15). Ferner sei einem durchschnittlichen Anleger, der den Prospekt eingehend und sorgfältig gelesen habe, das Totalverlustrisiko hinreichend deutlich vor Augen geführt. An verschiedenen Stellen im Prospekt werde ausgeführt, dass es sich um eine echte unternehmerische Beteiligung mit den damit einhergehenden Risiken handele. Auch wenn auf das vom Kläger angeführte wirtschaftliche Hauptrisiko der Zwangsvollstreckung durch Gläubiger nicht ausdrücklich eingegangen werde, werde auf die bei der Verwirklichung unternehmerischer Risiken bestehende und bei einer unternehmerischen Beteiligung in der Natur der Sache liegende Gefahr eines Totalverlustes hingewiesen. Im Übrigen werde darauf hingewiesen, dass nicht alle Risiken versichert seien bzw. versicherbar seien und dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass bei einem nicht versicherten Schadensfall durch den Schiffsbetrieb ein ausländisches Gericht die nach deutschem Recht beschränkte Kommanditistenhaftung nicht anerkenne und in einem solchen Fall davon auszugehen sei, dass eine Haftung des Anlegers mit den in dem betreffenden Staat vorhandenen Vermögenswerten in Betracht komme. Daraus könne der Anleger daher ohne weiteres entnehmen, dass aus der Anwendung ausländischen Rechts weitere, im Prospekt nicht im Einzelnen genannte Risiken folgen können (vgl. OLG München, Beschl. v. 29.05.2018, Az. 5 Kap 1/17).



PRAXISTIPP

In der Praxis ist nicht selten zu beobachten, dass die Verbraucherkanzleien Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit geschlossenen Beteiligungen geltend machen. Dabei stützen die Anleger ihren Anspruch nicht nur auf eine fehlerhafte Anlageberatung, sondern auch auf mögliche Prospektfehler. Bei geschlossenen Schiffsfonds wird insbesondere unter Zuhilfenahme einzelner Presseartikel oder Privatgutachten eine unzureichende Darstellung des Schiffsmarktes und der Prognosen in dem jeweiligen Emissionsprospekt gerügt. Häufig enthalten die von den Anlegern verwendeten Anlagen eine rückblickende Betrachtung der Entwicklung des Marktumfeldes bzw. des Anlageobjekts. Nach der dargestellten Entscheidung kommt es jedoch darauf an, dass die Prognosen im Prospekt durch Tatsachen gestützt und ex ante betrachtet lediglich vertretbar sein müssen. Das Risiko, dass sich eine aufgrund anleger- und objektgerechter Beratung getroffene Anlageentscheidung im Nachhinein als falsch erweist, trägt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht der Prospektherausgeber, sondern vielmehr der Anleger (vgl. BGH, Urt. v. 27.10.2009, Az. XI ZR 337/08). Somit ist nach der Rechtsprechung in der Praxis stets darauf zu achten, dass der jeweilige Emissionsprospekt dem Anleger zum Zeitpunkt der Prospekterstellung und Zeichnung der jeweiligen Beteiligung ein zutreffendes Bild von der angebotenen Kapitalbeteiligung vermittelt und das Risiko eines Totalverlustes nicht in unzulässiger Weise verharmlost wird.

Ist zwischen Prospekterstellung und Zeichnung ein längerer Zeitraum verstrichen, ist daran zu denken, dass die Pflicht der beratenden Bank zur objektgerechten Beratung auch die Pflicht beinhaltet, eine Anlage, die sie empfehlen will, mit banküblichem kritischem Sachverstand zu prüfen (vgl. BGH, Urt. v. 27.10.2009, Az. XI ZR 338/08, Rn. 17). Eine Bank muss daher einen Anlageinteressenten darauf hinweisen, dass sie zu einer Beratung über ein konkretes Risiko nicht in der Lage ist, wenn ihr entsprechende Kenntnisse fehlen (BGHZ 123, 126, 129 f.). Erweckt sie den Eindruck, eine Kapitalanlage mit positivem Ergebnis geprüft zu haben, so hat sie den Anlageinteressenten auf alle bei ordnungsgemäßer banküblicher Überprüfung erkennbaren Risiken der Anlage hinzuweisen (BGHZ 100, 117, 122). Eine unterlassene Prüfung der empfohlenen Kapitalanlage kann danach nur dann zu einer Haftung der Bank führen, wenn bei dieser Prüfung ein Risiko erkennbar geworden wäre, über das der Anleger hätte aufgeklärt werden müssen, oder wenn erkennbar geworden wäre, dass eine Empfehlung der Kapitalanlage nicht anleger- und/oder objektgerecht gewesen wäre (BGH, Urt. v. 07.10.2008, Az. XI ZR 89/07, Rn. 14).



Beitragsnummer: 1245

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