Dienstag, 22. Januar 2019

Quick-Check-Analyse von Kundenbilanzen

Dr. Thomas Kohlhase, Senior Credit Analyst, Fixed Income, Ampega Asset Management GmbH

Gegenwärtig mehren sich die Indikatoren, dass einer der längsten Wirtschaftsaufschwünge der Nachkriegszeit, wenn nicht zum Erliegen, so zumindest ins Stottern kommt. Globale Handelstreitigkeiten, ein Auseinanderdriften Europas und ein durch Technologien in Gang gesetzter disruptiver Wandel prägen das wirtschaftliche Geschehen und stellen für die stark exportorientierte deutsche Wirtschaft ernstzunehmende Risiken dar. Parallel konnten zahlreiche Kreditinstitute nur dank Auflösung von Risikorückstellungen Gewinne in den letzten Jahren erzielen.

In einer spätzyklischen Phase besteht daher noch eine letzte Möglichkeit, seine Kreditportfolien für den Härtefall zu strukturieren und Risiken zu minimieren. Die Praxis zeigt, dass oftmals zwar eine Fülle von Unterlagen und Kennzahlen für die Analyse von Kundenbilanzen vorliegen, eine zukunftsgerichtete und schnelle Bonitätsbeurteilung jedoch für Kreditentscheider und Votierer dadurch nicht erleichtert wird. Mit Hilfe einer Quick-Check-Analyse von Kundenbilanzen können Entscheider auf Markt- und Marktfolgeseite schnell das Gesamtrisikoprofil eines Firmenkunden erfassen. Die Bilanz- und Bonitätsanalyse als Grundlage von Kreditentscheidungen darf dabei aber nicht zu kurz kommen.

Ausgehend von der Branchenanalyse, über das Aufspüren zentraler bilanzpolitischer Stellschrauben sowie der Identifizierung von Schlüsselkennzahlen, eignet sich diese Konzeption nicht nur für das Bestandskundengeschäft, sondern auch für die Akquisition von Neukunden. Durch zielgenaue Analyse und Anwendung zentraler Kennzahlen, Konsistenzchecks und kritisches Hinterfragen lassen sich somit in kurzer Zeit wichtige Erkenntnisse gewinnen.

SEMINARTIPPS

Quick-Check-Analyse für Kundenbilanzen, 08.04.2019, Köln.

Vertriebsansätze aus der Bilanzanalyse, 09.04.2019, Köln.

Kreditprozesse SMART: Automatisierte Bilanzanalyse, 10.04.2019, Köln.

FCH #nextstep Kredit: Bilanzanalyse, 24.–25.06.2019, Würzburg.

FCH #nextstep Kredit: BWA-Analyse, 26.06.2019, Würzburg.

Die Geschäftsmodellanalyse des Kunden sowie eine tiefgehende Branchenanalyse stellen in Zeiten des technologischen Umbruchs (Digitalisierung), wo aus Lieferanten oder Kunden vielleicht Wettbewerber werden, eine zentrale Rolle im Rahmen einer ausgewogenen Bonitätsbeurteilung. Denn die übergeordnete Wettbewerbs- und Wachstumsdynamik sowie Zyklik einer Branche haben nicht zuletzt Rückkoppelungen auf das Ergebnis und die erwirtschafteten Cashflows eines Unternehmens. Mit Blick auf das Geschäftsmodell sollten Fragen im Mittelpunkt stehen, wie z. B.: Wer sind die wichtigsten Geschäftspartner? Welchen Mehrwert bzw. Alleinstellungsmerkmal hat das Geschäftsmodell? Wie kann die Wettbewerbsfähigkeit aufrechterhalten werden? Was sind die wesentlichen Kostentreiber?

Auch das Erkennen von Frühwarnindikatoren innerhalb eines Sektors, wie z. B. geopolitische Unsicherheitsfaktoren (aktuell Handelskrieg USA/China) oder technologische Veränderungen und die Identifikation von No-Go Branchen spielen dabei eine wichtige Rolle. Ausgewählte Mikro- und Makro-Kennzahlen wie z. B. Konsumgüterindizes, Veränderung von Lagerbeständen oder auch Arbeitslosenquote können hierbei wertvolle Hinweise liefern.

Im nächsten Schritt ist das Aufspüren der zentralen bilanzpolitischen Stellschrauben der Firmenkunden und deren Interpretation fundamental. Wichtige Positionen wie u. a. Herstellungskosten, Firmenwert, (Pensions-)Rückstellungen und weitere Positionen gilt es, sich genau auf Ansatz und Bewertung anzuschauen. Im Anschluss daran können die bilanzpolitischen Auswirkungen erst aufgedeckt werden. Mit Unterstützung von Risiko-Quick-Check-Listen lassen sich die wichtigsten Aspekte einer Unternehmensanalyse schnell abarbeiten und aufdecken. Das Gesamtbild, das man sich vom betreffenden Unternehmen macht, nimmt nun klare Züge an.

Noch deutlicher wird der Gesamteindruck schließlich durch die Anwendung spezieller Kennzahlen. Dabei geht es darum, aus mehreren hundert möglichen Kennzahlen, die sich aus einem Jahresabschluss berechnen lassen können, nur all jene – sogar nur eine Handvoll Kennzahlen – auszuwählen, die zur Beurteilung der tatsächlichen Vermögens-, Finanz- und Ertragslage ausreichend sind. Durch die Fokussierung auf wenige Zahlen, welche Kapitalstruktur, Cashflow und Schuldentilgungsfähigkeit berücksichtigen, wird zudem der Blick auf das Wesentliche geschärft. Außerdem gilt es die Kennzahlen richtig (z. B. je nach Branche und Geschäftsmodell) zu interpretieren: Eine operative Marge von einem Prozent mag für ein Handelsunternehmen ausreichend sein, würde aber für ein fertigungsintensives Unternehmen mittelfristig den Ruin bedeuten.

Bei der zukunftsgerichteten Bilanzanalyse ist außerdem das Konzept der Debt-Capacity unabdingbar. Damit lässt sich die Verschuldungsgrenze eines Kunden ermitteln, die wesentlich von dessen nachhaltiger Ertragskraft abhängig ist. Durch Anwendung des Debt-Capacity-Konzeptes in der Praxis können bei klar intern definierten Risikoklassen Firmenkundenbetreuer zielgerichtet Neugeschäftspotentiale erkennen bzw. frühzeitig verwerfen. Damit können aus Perspektive der Gesamtbanksteuerung Effizienzgewinne realisiert werden. Ohnehin ist die Verzahnung von Markt- und Marktfolgeseite von herausragender Bedeutung, um Effizienzen in Kreditantrags-, Kreditanalyse- und Kreditentscheidungsprozessen weiter zu erhöhen.

Schließlich bildet die Quick-Check-Analyse die Basis eines strukturierten Vertriebsprozesses, mit Hilfe derer u. a. Kundengespräche in klar geordneter und überzeugender Form vorbereitet werden können. Denn aus der strukturierten Analyse lassen sich am Kundenbedarf orientierte Lösungen entwickeln. So ist es beispielsweise sinnvoll einem metall- oder rohölverarbeitenden Betrieb, der bislang volatile Ergebnisse eingefahren hat und Schwankungen von US-Dollar oder Rohöl unterliegt, Produkte anzubieten, die ihn gegen derartige Marktpreisvolatilitäten absichern. Ebenso können wertschaffende Bilanzumgliederungen als Basis für Vertriebsaktivitäten dienen (z. B. auf der Aktivseite als Bilanz verkürzende Maßnahme die Auslagerung von Forderungen durch Factoring; auf der Passivseite die Auslagerung von Pensionsverpflichtungen etc.).

PRAXISTIPPS

  • SWOT-Analysen gemeinsam zwischen Markt- und Marktfolgeseite erarbeiten.
  • Checklisten erstellen, um Faktoren wie Branche, Risikoprofil, Krisenindikatoren, Neugeschäftspotentiale etc. strukturiert darzustellen.
  • Fokussieren Sie sich in der Quick-Check-Analyse auf zentrale bilanzpolitische Stellschrauben und auf die Kennzahlen, die die Kapitalstruktur, Cashflow und Schuldentilgungsfähigkeit berücksichtigen.


Beitragsnummer: 1158

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