Montag, 9. August 2021

Nachhaltigkeitsrisikomanagement – wenn Theorie zur Praxis wird

Bedeutung von Klima-Risiken und Klima-Stresstests im Rahmen der strategischen Gesamtbanksteuerung

Tim-Oliver Engelke, Spezialist Controlling, Abteilung Finanzmanagement, Sparda-Bank Hessen

Die steigenden Anforderungen eines integrierten Nachhaltigkeitsmanagement im Rahmen der Strategie und des Risikomanagement sind maßgeblich auf den fortschreitenden Klimawandel und dessen Wahrnehmung in der Politik und Gesellschaft zurückzuführen. Bezogen auf weltweite Ereignisse im Zusammenhang mit Naturkatastrophen und deren Auswirkungen hat sich die Gesamtanzahl jährlich um drei Prozent erhöht[1] und im Zeitraum von 1980 bis 2019 mehr als verdreifacht[2].

Auch in Deutschland sind verstärkt die Auswirkungen des Klimawandels festzustellen. Gemäß des UN-Weltklimarats IPCC hat sich das Klima in Deutschland seit der Industrialisierung um 1,6 Grad erwärmt[3]. Laut Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, sind zudem die zehn wärmsten Jahre seit Aufzeichnung ausnahmslos nach dem Jahr 2000 aufgetreten[4].

Die verheerenden Auswirkungen des Sturmtiefs Bernd haben bedauerlicherweise erst kürzlich die Bedeutung des Themas Klimawandel und die Gefahren von Starkregen und Überflutungen aufgezeigt. Derartige Entwicklungen wirken sich auch auf die Finanz- und Versicherungswirtschaft aus. Gemäß einer Studie des Datenanalyseunternehmens On-Geo befinden sich in Deutschland Wohnimmobilien im Wert von mehr als 638 Mrd. € in von Starkregen besonders gefährdeten Regionen[5]. Des Weiteren befinden sich nach Analysen der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) rund 21,73 Mio. Adressen in überflutungsgefährdeten Gebieten[6]. Die Auswirkungen für die Finanzwirtschaft werden zudem durch den Effekt verstärkt, dass gemäß GDV deutschlandweit nur knapp 46 % der Hauseigentümer eine Elementarschadenversicherung besitzen.

Im Rahmen des Risikomanagement der deutschen Banken ergeben sich ebenfalls Auswirkungen über physische und transitorische Klimarisiken, welche im Rahmen der Risikoinventur zu identifizieren und über Klima-Stresstests entsprechend zu berücksichtigen sind. Physische Risiken bezogen auf das Kreditrisiko wirken sich im Bereich der Immobilienfinanzierungen über erhöhte Ausfallwahrscheinlichkeiten und verringerte Sicherheitenwerte aus. Verschiedene Studien belegen mittlerweile einen negativen Zusammenhang zwischen Wohnimmobilienpreisen und von Naturkatastrophen besonders betroffenen Regionen[7].

Transitorische Risiken beziehen sich speziell auf regulatorische und gesetzliche Entwicklungen, wie die der bereits eingeführten CO2-Steuer und steigenden Anforderungen an energetische Sanierungen, welche ebenfalls mit sinkenden Sicherheitenwerten und erhöhten Belastungen für Eigentümer verbunden sind. Auch im Bereich der Firmenkredite sind über Lieferkettenengpässe und sinkende Erträge verringerte Bonitäten und erhöhte Ausfallwahrscheinlichkeiten zu erwarten. Gemäß der EZB sind rund ein Drittel aller Unternehmens-Kredit-Engagements der Banken von Gefahren des Klimawandels betroffen[8].

Um die Auswirkungen auf die Banken abschätzen zu können, gewinnt auch das Thema der Klima-Stresstests verstärkt an Bedeutung. Die EZB hat bereits angekündigt, dass Klima-Risiken ein wesentlicher Teil des im Jahr 2022 geplanten aufsichtlichen Stresstests sein werden. Auch die EU-Kommission hat erst kürzlich einen Entwurf vorgelegt, wonach Umweltrisiken verstärkt in der derzeit vorgesehenen Überarbeitung der CRD/CRR berücksichtigt werden sollen. Zudem werden die Institute aufgefordert neben der aufsichtlichen Umsetzung bereits selbst interne Stresstests in Bezug auf ESG-Risiken durchzuführen[9].

Für die Institute sollte der Prozess demnach mit der Identifikation von nachhaltigen Risikotreibern in der Risikoinventur beginnen. Im Kundengeschäft können Immobilienwerte auf PLZ-Ebene mit regionalen Überflutungskarten gemappt werden. Somit lässt sich das Exposure ermitteln, welches überhaupt einem adressrisikobehafteten Klima-Risiko unterliegt. Anschließend können Analysen hinsichtlich des Versicherungsschutzes und der jeweiligen Kundenratings durchgeführt werden. Ziel ist die Ermittlung einer Auswirkung – im Sinne von steigenden Blankoanteilen –, welche über einen erhöhten erwarteten Verlust über das Bewertungsergebnis in der Kapitalplanung zu Belastungen der aufsichtlichen Quoten führen kann. Derartige Entwicklungen können über spezielle adverse Szenarien in der Risikosteuerung im Rahmen der Risikotragfähigkeit Berücksichtigung finden.

Auch strategisch bieten die dargestellten Entwicklungen nachhaltige Chancen für deutsche Institute. Durch die künftig steigenden Anforderungen an die Offenlegung von Klima-Risiken erhöht sich die Relevanz von „grünenKundenportfolios. Über eine gezielte Konditionsgestaltung können sowohl physische Nachhaltigkeitsrisiken begrenzt als auch Wohnimmobilienfinanzierungen in hohen Energieeffizienzklassen erhöht werden. Zudem kann sich die Bank frühzeitig im Rahmen von nachhaltigen Modernisierungsfinanzierungen einen Know-how- und Wettbewerbsvorteil erarbeiten. Gemäß einer Studie der DZ Bank wurden in den Jahren 2010–2019 insgesamt bereits 550 Mrd. € für energetische Sanierungen aufgewendet[10].

PRAXISTIPPS

  • Beschäftigen Sie sich frühzeitig mit den Auswirkungen von Klima-Risiken auf das eigene Geschäftsmodell und das Kundenportfolio.
  • Betrachten Sie Klima-Risiken als Risikotreiber der bekannten Risikoarten im Rahmen der Risikoinventur.
  • Berücksichtigen Sie neben den Risiken auch Chancen einer strategischen Positionierung.

[1]              Bienert/Geiger (2020), S. 17.

[2]              Business Insider (2021), „Überflutungen, Waldbrände, Stürme: Wie sich der Klimawandel auf den Immobilienmarkt auswirkt“.

[3]              MDR (2021) „1,5 Grad Marke bereits erreicht: Klimawandel trifft Deutschland“.

[4]              Deutschlandfunk (2021) „Deutsche Versicherer: Pflichtversicherung reicht als alleinige Lösung nicht aus“.

[5]              Handelsblatt (2021) „Der Klimawandel verändert den Immobilienmarkt“.

[6]              Bienert/Geiger (2020), S. 31.

[7]              Bienert/Geiger (2020), S. 9 und UNEP (2018), S. 26.

[8]              Reuters (2021) „EZB-Studie - Klimawandel für Banken mit erheblichen Risiken verbunden“.

[9]              FAZ (2021) „Klima-Stresstests für Banken“.

[10]             Handelsblatt (2021) „Der Klimawandel verändert den Immobilienmarkt“.


Beitragsnummer: 18300

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