Donnerstag, 1. August 2019

Verjährung bei Kündigung wegen Zahlungsverzuges

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner

In seiner das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts München vom 19.09.2018 aufhebenden Entscheidung vom 29.01.2019, Az. 5 U 3708/18, hält das Oberlandesgericht München fest, dass die Verjährungshemmungsvorschrift des § 497 Abs. 3 S. 3 BGB entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts auch auf den Fall der Rückforderung eines Verbraucherdarlehens nach Kündigung des Vertrages wegen Zahlungsverzuges Anwendung findet.

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Damit erteilt das Oberlandesgericht München der unter Bezugnahme auf den Beitrag von Derleder/Horn, ZIP 2013 S. 709, 710 f. gestützten Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts eine Absage, wonach § 497 Abs. 3 S. 3 BGB nur auf den Darlehensrückzahlungsanspruch bei laufendem, nicht gekündigtem Darlehensvertrag hinsichtlich rückständiger Zins- und Tilgungsraten Anwendung findet und nicht auch auf den Darlehensrückzahlungsanspruch nach Ausspruch der Kündigung.

PRAXISTIPP

Die vom Oberlandesgericht München in vorstehender Entscheidung vertretene Rechtsauffassung entspricht der weitaus überwiegenden Auffassung in der Literatur, der – soweit ersichtlich – einhelligen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte sowie nach hiesiger Auffassung auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. So haben das Oberlandesgericht Frankfurt (Urt. v. 09.05.2019, Az. 6 U 170/18), das Oberlandesgericht Dresden (Urt. v. 14.02.2019, Az. 8 U 472/18, sowie v. 20.10.2016, Az. 8 U 1211/16) sowie das Oberlandesgericht Köln (Urt. v. 28.06.2006, Az. 13 U 30/06 sowie Urt. v. 09.11.2005, Az. 13 U 113/05) entschieden, dass die Regelung des § 497 Abs. 3 S. 3 BGB über die Hemmung der Verjährung auch den Anspruch auf Rückzahlung des Restdarlehens nach Kündigung des Darlehensvertrages erfasst. Der Bundesgerichtshof, welcher sich mit der vom Oberlandesgericht Köln in vorstehend erwähntem Urt. v. 28.06.2006 erörterten Frage auseinandersetzen musste, ob § 497 Abs. 3 S. 2 BGB im Wege der teleologischen Reduktion bei der Frage der Verjährung eines Zinsanspruchs aus einem gekündigten Verbraucherdarlehensvertrag auf diejenigen Fälle zu begrenzen ist, in denen die Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des Verzugsschadens bei unveränderter Fortgeltung von § 367 Abs. 1 BGB nicht eingetreten wäre, hielt in seinem Beschluss vom 13.03.2007, Az. XI ZR 263/06, unmissverständlich fest, dass das Oberlandesgericht Köln eine restriktive Auslegung des § 497 Abs. 3 S. 3 BGB mit zutreffender Begründung abgelehnt hat. Diesbezüglich hatte das Oberlandesgericht Köln in seinen beiden vorstehend erwähnten Entscheidungen vom 28.06.2006 und 09.11.2005 aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift des § 497 Abs. 3 S. 3 BGB eine teleologische Reduktion abgelehnt, was offenkundig werden lässt, dass der Bundesgerichtshof in seiner die Rechtsauffassung des OLG bestätigenden Entscheidung vom 13.03.2007 § 497 Abs. 3 S. 3 BGB aufgrund dessen eindeutigen Wortlauts ebenfalls für teleologisch nicht reduzierbar hält (so im Ergebnis Schürnbrand/Weber, in MünchKomm., 8. Aufl. 2019, § 497 Abs. Rn. 33; Müller-Christmann, juris PR-BKR 5/2017, Anm. 4; Jungmann, in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch Bd. I, 5. Aufl. 2017, § 81 Rn. 556; ders. EWiR 2016 S. 519, 520; Weidenkaff, in Palandt, BGB-Komm., 78. Aufl. 2019, § 497 Rn. 10; Nobbe, in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB-Komm., 12. Aufl., § 497 Rn. 16). Auch in seiner Entscheidung vom 13.07.2010, Az. XI ZR 27/10, hat der Bundesgerichtshof festgehalten, dass § 497 Abs. 3 S. 3 BGB auf den Darlehensrückzahlungsanspruch in Bezug auf einen gekündigten Dispositionskredit anzuwenden ist.

Soweit einige Instanzgerichte ungeachtet vorstehend wiedergegebener, ganz überwiegenden Auffassung in Literatur und Rechtsprechung § 497 Abs. 3 S. 3 BGB durch Auslegung dahingehend teleologisch reduzieren wollen, dass von dieser Norm nur der Erfüllungsanspruch bei laufenden Darlehensverträgen und nicht auch der Darlehensrückzahlungsanspruch nach Kündigung erfasst ist (so LG Bremen, Urt. v. 01.04.2019, Az. 2 O 1604/18; LG München, Urt. v. 19.09.2018, Az. 35 O 3953/18 – vom OLG aufgehoben -; LG Hamburg, Urt. v. 29.12.2017, Az. 307 O 142/16; LG Leipzig, Urt. v. 14.03.2018, Az. 9 O 1495/17 sowie v. 07.07.2016, Az. 7 O 2868/15 – beide Urteile vom OLG aufgehoben –; so auch Derleder/Horn, ZIP 2013 S. 709, 710 f.), so vermag diese Auffassung nicht zu überzeugen. Zwar trifft es zu, dass der Gesetzgeber der Auffassung war, dass für den Bereich der fälligen, nicht titulierten Darlehensrückerstattungsansprüche sowie der nicht titulierten Ansprüche auf Rückstände von Zinsen gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht, um zu vermeiden, dass der Darlehensgeber allein zur Vermeidung des Verjährungseintritts die Titulierung betreibt, was die Schuldenlast des Darlehensnehmers noch weiter erhöhen würde (BT-Drucks. 14/6857, S. 34 u. 66). Ungeachtet dessen hat der Gesetzgeber in Kenntnis der Differenzierung zwischen fälligen, nicht titulierten und titulierten Darlehensrückerstattungsansprüchen sowie titulierten und nicht titulierten Ansprüchen auf Rückstände von Zinsen (vgl. hierzu S. 34 u. 65 f. BT-Drucks. 14/6857) sich dafür entschieden, dass sowohl auflaufende fällige Zinsen als auch der fällige Darlehensrückzahlungsanspruch von der Vorschrift des § 497 Abs. 3 S. 3 BGB erfasst werden und zwar unabhängig davon, ob dieser fällige Darlehensrückerstattungsanspruch tituliert ist oder nicht. Begründet wurde dies damit, dass der Darlehensgeber auch bei einem fälligen, nicht titulierten Darlehensrückzahlungsanspruch trotz Tilgungsleistungen des Schuldners seine unstreitige Forderung vor Ablauf von drei Jahren titulieren müsste (so ausdrücklich S. 34 BT-Drucks. 14/6857), wenn man § 497 Abs. 3 S. 3 BGB nicht auch auf den nicht titulierten Darlehensrückerstattungsanspruch erstreckt. Damit wird offenkundig, dass der Gesetzgeber den nicht titulierten Darlehensrückzahlungsanspruch von § 497 Abs. 3 S. 3 BGB erfasst wissen wollte und zwar unabhängig davon, ob das Darlehen gekündigt ist oder nicht (so auch OLG Dresden, Urt. v. 14.02.2019, Az. 8 U 472/18, welches ebenfalls darauf hinweist, dass eine Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 497 Abs. 3 S. 3 BGB sich auch nicht den unterschiedlichen Gesetzesbegründungen entnehmen lässt). Hiervon unabhängig verkennen die die teleologische Reduktion des § 497 Abs. 3 S. 3 BGB befürwortenden Stimmen, dass vom Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung gewollt war, den Darlehensnehmer vor der Erhöhung der Schuldenlast zu schützen, was auch bei der Nichttitulierung eines gekündigten Darlehensrückzahlungsanspruchs offenkundig der Fall ist. Denn dem Darlehensnehmer bleiben bei der Nichtherbeiführung der Titulierung sowohl die Gerichtskosten als auch die Anwaltskosten erspart, die gerade bei höheren Darlehensrückzahlungsansprüchen nach einem gekündigten Darlehen erheblich sein können. Gegen die von den Befürwortern der teleologischen Reduktion des § 497 Abs. 3 S. 3 BGB vertretenen Rechtsauffassung spricht weiter, dass der Gesetzgeber trotz mehrfacher Befassung mit § 497 Abs. 3 S. 3 BGB sowie in Kenntnis der Problematik es nicht für nötig erachtet hat, den Anwendungsbereich des § 497 Abs. 3 S. 3 BGB einzuschränken (vgl. hierzu BT-Drucks. 16/13609, S. 123 u. BT-Drucks. 16/11643, S. 84). Ganz im Gegenteil: Der Gesetzgeber hat in Bezug auf den Darlehensrückzahlungsanspruch nur insofern eine redaktionelle Änderung vorgenommen, als er statt des ursprünglich verwendeten Begriffs der Darlehensrückerstattung den Begriff der Darlehensrückzahlung einführte, ohne auch nur im Ansatz darüber nachzudenken, Darlehensrückzahlungsansprüche nach gekündigten Darlehensverträgen aus dem Anwendungsbereich des § 497 Abs. 3 S. 3 BGB herauszunehmen (BT-Drucks. 16/13669, S. 123). Gegen die Befürworter einer teleologischen Reduktion des § 497 Abs. 3 S. 3 BGB spricht auch der Umstand, dass Verjährungsvorschriften wie § 497 Abs. 3 S. 3 BGB formale Regelungen enthalten, deren Auslegung sich im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit eng an den Wortlaut anlehnen muss (so ausdrücklich BGH in seiner vorstehend erwähnten Entscheidung v. 13.03.2007, Az. XI ZR 263/06 sowie OLG Frankfurt, Urt. v. 09.05.2019, Az. 6 U 170/18). Bedenkt man wiederum, dass der Wortlaut der Vorschrift des § 497 Abs. 3 S. 3 BGB insofern eindeutig und nicht auslegungsfähig ist, als dort von „Ansprüche(n) auf Darlehensrückzahlung“ gesprochen wird, die vom Eintritt des Verzugs gehemmt sind, dann ist mit Nobbe festzuhalten, dass die von den Befürwortern der teleologischen Reduktion vertretene Rechtsauffassung „unhaltbar“ ist (Nobbe, in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB-Komm., 12. Aufl., § 497 Rn. 16).



Beitragsnummer: 2822

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