Donnerstag, 1. August 2019

Verjährungsbeginn von Schadensersatzansprüchen bei geschlossenen Fonds

Verjährung von Schadensersatzansprüchen wegen Aufklärungs- oder Beratungspflichtverletzungen

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner

In seiner Entscheidung vom 21.05.2019, Az. II ZR 340/18, WM 2019, 1254, hält der II. Zivilsenat (Gesellschaftssenat) des BGH in Rn. 16 fest, dass die Verjährung von Schadensersatzansprüchen eines Anlegers wegen Aufklärungs- oder Beratungs-pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Vermittlung des Erwerbs eines Anteils an einem geschlossenen Fonds gem. § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB nach der ständigen Rechtsprechung des III. sowie des IV. Zivilsenats des BGH im Zeitpunkt des unwiderruflichen und vollzogenen Erwerbs der Anlage zu laufen beginnt. Sodann weist der II. Zivilsenat des BGH in Rn. 17 darauf hin, dass der III. Zivilsenat des BGH in seiner Entscheidung vom 08.11.2018 (WM 2018 S. 2.317; vgl. hierzu Edelmann, in BTS Bankrecht 2019 S. 58 f.) festgehalten hat, dass der Anleger durch das Zustandekommen des Beitrittsvertrages grundsätzlich noch nicht geschädigt ist, wenn ihm ein vertragliches Recht auf Widerruf seiner Beitrittserklärung zusteht, welches – abgesehen von der Einhaltung einer Widerrufsfrist oder bestimmter Formerfordernisse – an keine weiteren Voraussetzungen gebunden ist und keine Umstände gegeben sind, aufgrund derer der Beitretende von seiner Anlageentscheidung nicht Abstand nehmen könnte, ohne aus Gründen, welche sich seiner Einflussmöglichkeit entziehen, ggf. finanzielle Einbußen oder sonstige für ihn nachteilige Folgen hinnehmen zu müssen. Sodann verweist der II. Zivilsenat des BGH in Rn. 18 darauf, dass auch nach der ständigen Rechtsprechung des XI. Zivilsenats (Bankensenat) des BGH der Schadensersatzanspruch eines Anlegers wegen fehlerhafter Anlageberatung erst mit dem Abschluss des schuldrechtlichen Beteiligungsvertrages entsteht, welcher allerdings wiederum, anders als nach der Rechtsprechung des III. und IV. Zivilsenats des BGH, noch nicht unwiderruflich oder vollzogen sein muss.

BUCHTIPP

Ellenberger/Clouth (Hrsg.), Praktikerhandbuch Wertpapier- und Derivategeschäft, 5. Aufl. 2018.


Ungeachtet dieses Meinungsstreits zwischen dem III. und IV. Zivilsenat des BGH auf der einen sowie dem XI. Zivilsenat des BGH auf der anderen Seite hält der II. Zivilsenat fest, dass jedenfalls nach Auffassung aller Senate die Verjährung frühestens mit dem Zustandekommen des Beteiligungsvertrages zu laufen beginnt, mit der weiteren Folge, dass bei Abstellen auf den Zeitpunkt des Zustandekommens des Beteiligungsvertrages die streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche nicht als verjährt hätten angesehen werden dürfen, weswegen die Angelegenheit an das Berufungsgericht zurückverwiesen wurde.

PRAXISTIPP

Mit seiner Entscheidung vom 21.05.2019 hat der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (Gesellschaftssenat) den offenkundigen Rechtsstreit zwischen dem III. und IV. Zivilsenat des BGH auf der einen und dem XI. Zivilsenat des BGH auf der anderen Seite offengelassen und festgehalten, dass nach Auffassung sämtlicher Senate die Verjährung von Schadensersatz-ansprüchen eines Anlegers wegen Aufklärungs- oder Beratungspflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem Erwerb einer geschlossenen Beteiligung frühestens mit dem Zustandekommen des Beteiligungsvertrages zu laufen beginnt, wobei das Zustandekommen des Beteiligungsvertrages sowohl das Angebot als auch die Annahme des Angebots zwingend erfordert.

Damit ist für die Praxis nach wie vor unklar, ob der Beginn der Verjährung entsprechend der Rechtsauffassung des III. sowie IV. Zivilsenats auf den Zeitpunkt hinausgeschoben werden kann, ab dem der Erwerb der Fondsbeteiligung unwiderruflich und zudem vollzogen ist oder ob es entsprechend der Rechtsprechung des XI. Zivilsenats dabei bleibt, dass der Beginn der Verjährung mit dem Zustandekommen des Beteiligungsvertrages unabhängig von dessen Widerruflichkeit und Vollzug zu laufen beginnt.



Beitragsnummer: 2821

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