Thomas Wuschek, Rechtsanwalt, MBA, SanExpert-Rechtsanwalt
Aufklärungsfälle, also Fälle bei denen es um die Frage geht, ob die Bank ihre Aufklärungspflichten eingehalten hatte, hat es in der Vergangenheit immer wieder gegeben.
Eine für sämtliche Darlehensverträge (Verbraucherdarlehen und gewerbliche Darlehen) in der BGH-Rechtsprechung seit vielen Jahren anerkannte Nebenpflicht ist die Aufklärungspflicht der Bank gegenüber dem Darlehensnehmer.
Nach dem BGH kommt eine Aufklärungs- oder Warnpflicht dann in Betracht, wenn die Bank in Bezug auf die speziellen Risiken des zu finanzierenden Vorhabens gegenüber dem Darlehensnehmer einen konkreten Wissensvorsprung hat, z. B. weiß, dass dieses Vorhaben seiner Anlage nach zum Scheitern verurteilt ist (BGH, NJW 1999 S. 1.032).
Letztlich muss die Bank noch davon ausgehen, dass der Kunde diese Kenntnis nicht hat und dass diese für dessen Entscheidung relevant ist.
BGH, Urt. v. 16.05.2017, Az.: XI ZR 430/16
Der BGH hatte folgenden Sachverhalt zu entscheiden:
Die Kundin K ist Ärztin. Zum Zwecke der Finanzierung ihrer Praxis schloss diese im Oktober 2001 einen Universaldarlehensvertrag ab, der eine Darlehenssumme von € 205.000,00 beinhaltete.
Das Darlehen sah eine Laufzeit von zwölf Jahren vor. Während der Laufzeit waren nur Zinsen zu zahlen. Am Ende der Laufzeit im Oktober 2013 sollte eine Einmalzahlung geleistet werden, die durch die Besparung einer Lebensversicherung finanziert werden sollte.
SEMINARTIPP
Ausgewählte BGH-Urteile für die Sanierung und Insolvenz, 01.04.2019, Köln
Im Jahr 2010 teilte die Lebensversicherungsgesellschaft mit, sie sei wohl nicht in der Lage die veranlagten Überschussbeteiligungen zu erwirtschaften. Im Oktober 2013 wurden dann ca. € 166.000,00 an die Kundin ausgezahlt. Diese zahlte aus eigener Tasche die fehlenden € 39.000,00 hinzu.
Lösungsmöglichkeit
Unter Zugrundelegung der Rechtsprechungsgrundsätze des BGH besteht grundsätzlich eine Aufklärungspflicht der Bank in Bezug auf die speziellen Risiken der Finanzierung eines Tilgungsersatzinstrumentes.
Nach ständiger BGH-Rechtsprechung entsteht ein Schadensersatzanspruch zu dem Zeitpunkt, ab dem er vom Geschädigten geltend gemacht und klageweise durchgesetzt werden kann.
Für die Entstehung eines Geldanspruches ist es nicht erforderlich, dass der Zahlungsanspruch bereits beziffert werden kann.
Die Schadensentstehung ist ferner dann anzunehmen, wenn
- durch die Verletzungshandlung eine als Schaden anzusehende Verschlechterung der Vermögenslage eingetreten ist,
- ohne dass feststehen muss, dass ein Schaden bestehen bleibt und damit endgültig wird,
- oder wenn eine Verschlechterung der Vermögenslage oder auch ein endgültiger Teilschaden entstanden ist und
- mit der nicht fernliegenden Möglichkeit weiterer, noch nicht erkennbarer adäquat verursachter Nachteile zu rechnen ist.
Der BGH sieht dies im vorliegenden Fall als gegeben an. Der geltend gemachte Schaden sei nicht erst zu dem Zeitpunkt entstanden, indem die Versicherungsleistung endgültig festgestanden habe.
Vielmehr hätte die Klägerin bei ordnungsgemäßer Beratung ein Annuitätendarlehen abgeschlossen. Dieser Vermögensnachteil sei ihr bereits im Oktober 2001 entstanden. Dieser Anspruch war somit mit Ablauf des 31.12.2011 verjährt.
Folge: Der Anspruch der K besteht damit nicht mehr.
PRAXISTIPPS
- Die Kundenberater sollten bei Ansparung eines Tilgungsersatzes durch den Kunden auf die möglichen Risiken hinweisen und auch dokumentieren, dass die Aufklärung erfolgt ist.
- Nur bei ausreichender Dokumentation können mögliche Regressansprüche des Kreditnehmers vermieden werden.
Beitragsnummer: 1115