Donnerstag, 10. Februar 2022

Annahme von Zuwendungen und deren qualitätsverbessernde Verwendung

Lukas Zimpfer, Verbandsprüfer, Mitglied der Facharbeitsgruppe WpHG/Depot, Baden-Württembergischer Genossenschaftsverband e.V.

 

Der Begriff Zuwendungen ist weit umfassend auszulegen und beinhaltet sämtliche Geldleistungen (insb. Provisionen, Gebühren) und nichtmonetäre Vorteile (z. B. Erbringung von Dienstleistungen oder Schulungen, Überlassen von Werbematerialien), die ein Wertpapierdienstleistungsinstitut im Zusammenhang mit der Erbringung einer Wertpapier(neben)dienstleistung von Dritten erhält oder Dritten gewährt, wobei der Dritte nicht Kunde dieser Dienstleistung ist.[1] Insofern ist stets ein Dreiecksverhältnis zwischen Kunde – Wertpapierdienstleistungsunternehmen – Dritter nötig, um überhaupt in der aufsichtsrechtlichen Thematik der Zuwendungen zu sein. In ihren Auslegungsentscheidungen (FAQ zu MiFID II Abschnitt J Nr. 2) betont die BaFin, dass die Regelungen zur Annahme von Zuwendungen nicht nur auf Mitarbeiter eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens anzuwenden sind, sondern auch auf die Aufsichts- bzw. Verwaltungsratsmitglieder des Wertpapierdienstleistungsunternehmens.

 

Zuwendungen sind grundsätzlich verboten, es sei denn die nachfolgend aufgeführten Voraussetzungen sind kumulativ erfüllt:

  • Die Zuwendung ist darauf ausgelegt die Qualität der für den Kunden erbrachten Dienstleistung zu verbessern und steht der ordnungsgemäßen Erbringung der Dienstleistung im bestmöglichen Kundeninteresse nicht entgegen und 
  • die Existenz, Art und der Umfang der Zuwendung oder, soweit sich der Umfang noch nicht bestimmen lässt, die Art und Weise seiner Berechnung werden dem Kunden vor der Erbringung der Wertpapier(neben)dienstleistung in umfassender, zutreffender und verständlicher Weise unmissverständlich offengelegt.[2]

Solange ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen Zuwendungen erhält oder gewährt, müssen die Vorgaben zur Qualitätsverbesserung kontinuierlich erfüllt werden. Das Vorliegen einer Qualitätsverbesserung setzt voraus, dass 

  • sie durch die Erbringung einer zusätzlichen oder höherwertigen Dienstleistung für den Kunden gerechtfertigt ist und in angemessenem Verhältnis zum Umfang der erhaltenen Zuwendungen steht,
  • die Zuwendungen nicht unmittelbar der Wertpapierdienstleistungsunternehmen, ihren Gesellschaftern oder Angestellten ohne einen konkreten Vorteil für den Kunden zugutekommen,
  • im Falle von laufenden Zuwendungen (Bestandsprovisionen) zusätzlich ein fortlaufender Vorteil für den Kunden gewährt ist.[3]

 

Zum Nachweis der Qualitätsverbesserung müssen insb. ein Zuwendungsverzeichnis und ein Verwendungsverzeichnis geführt werden.[4] 

Im Zuwendungsverzeichnis sind sämtliche Zuwendungen fortlaufend zu erfassen, die ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Zusammenhang mit der Erbringung von Wertpapier(neben)dienstleistungen von Dritten erhalten hat. Während für geringfügige nichtmonetäre Zuwendungen eine generische Beschreibung den aufsichtsrechtlichen Anforderungen genügt, sind sämtliche monetären und sonstige nicht monetäre Zuwendungen in einen Eurobetrag zu quantifizieren.[5]

Das Verwendungsverzeichnis ist zu erstellen, wenn Wertpapierdienstleistungsunternehmen Zuwendungen annehmen, behalten oder gewähren. Es ist aufzuführen, wie die erhaltenen oder gewährten Zuwendungen die Qualität der Dienstleistungen für die betreffenden Kunden erhöht.[6] Sofern es sich um monetäre Zuwendungen handelt ist anzugeben, in welcher Höhe diese für Qualitätsverbesserungen verwendet wurden. Sofern im Rahmen der Erstellung des Verwendungsverzeichnisses eine exakte betragsmäßige Bezifferung nur mit erheblichem Aufwand möglich ist (z. B. bei noch nicht gezahlten Zuwendungen), können Schätzungen vorgenommen werden. Vereinnahmte Zuwendungen sind im selben Jahr zu verwenden. Eine Verwendung im Folgejahr ist nur in sachlich begründeten Fällen zulässig. Im Geschäftsjahr nicht verwendete Zuwendungen sind als solche im Verwendungsverzeichnis auszuweisen.[7] Die Verwendung für Qualitätsverbesserungen ist grundsätzlich nach den Regelbeispielen des § 6 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 WpDVerOV aufzuschlüsseln. Die BaFin betont zwar, dass diese Aufschlüsselung nicht abschließend ist, in der Praxis dürfte es sich allerdings als schwer herausstellen, inhaltlich vergleichbare Konzepte zur Verwendung der erhaltenen Zuwendungen zu erstellen. 

Die Verwendung der Zuwendungen müssen für jedes in Anspruch genommene Regelbeispiel und für jede betreffende Kundengruppe aufgezeichnet werden.

Regelmäßig lassen sich die Aufwendungen (Verwendungen) nicht ausschließlich auf den Vertrieb von Finanzinstrumenten beziehen, z. B. Personalaufwendungen der Anlageberater. In diesen Fällen muss in einem weiteren Arbeitsschritt ermittelt bzw. geschätzt werden, in welcher anteiligen Höhe die Aufwendungen für das Geschäft mit Finanzinstrumenten korrespondierend zu den von dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen gewählten Regelbeispielen angefallen sind. 

Die Demonstration, dass sämtliche Zuwendungen für Maßnahmen der Qualitätsverbesserung und/oder Qualitätssicherung verwendet werden, ist Zweck des Verwendungsverzeichnisses. Dieser Zweck ist erfüllt, sobald aus der Aufstellung hervorgeht, dass die Summe der Aufwendungen die Summe der monetären Zuwendungen erreicht oder überschreitet. Zeigt sich bereits während der Erstellung des Verwendungsverzeichnisses, dass die Summe der monetären Zuwendungen schon frühzeitig durch Aufwendungen erreicht wird, so müssen keine Aufwendungen mehr aufgeführt werden. 

 

PRAXISTIPPS

  • Die Erstellung des Zuwendungsverzeichnisses stellt Wertpapierdienstleistungsunternehmen erfahrungsgemäß vor keine größeren Probleme. Das ist auch darin begründet, dass vom Zuwendungsgeber regelmäßig Bescheinigungen über die gewährten Zuwendungen an den Zuwendungsnehmer übermittelt werden. Der Inhalt derartiger Bescheinigungen ist vom Zuwendungsnehmer regelmäßig zu verplausibilisieren, beispielsweise mit den eingegangenen Provisionen.


  • Das Verwendungsverzeichnis hält dagegen einige Fallstricke bereit. Exemplarisch sind hier insbesondere folgende Punkte zu nennen:
    • Der Ansatz der Verwendung muss mit den gewählten Regelbeispielen für die Anlageberatung und das beratungsfreie Geschäft korrespondieren. Das bedeutet konkret, dass im Rahmen des Ansatzes des qualitätsverbessernden Personalaufwandes nur der Zeitanteil Berücksichtigung finden kann, den die Anlageberater für die Anlageberatung bzw. die Annahme beratungsfreier Orders aufbringen. In Bezug auf den Personalaufwand von Mitarbeitern außerhalb der Anlageberatung, z. B. von Mitarbeitern der Internen Revision, kann insofern nicht der gesamte Zeitanteil der Revisoren als qualitätsverbessernd angesetzt werden, der für Prüffelder rund um das Wertpapierdienstleistungsgeschäft (Prüfung der Einhaltung der Marktmissbrauchsverordnung, Prüfung der Compliance-Funktion etc.) aufgebracht wird, sondern ausschließlich der Zeitanteil, der für mit den gewählten Regelbeispielen korrespondierenden Prüffelder (i. d. R. Prüfung von Anlageberatungen und beratungsfreiem Geschäft) aufgebracht wird.
    • Sachaufwand kann grundsätzlich auch zur Qualitätsverbesserung beitragen. Allerdings muss auch hier ein Bezug zu den gewählten Regelbeispielen stattfinden. So können z. B. Schulungsaufwendungen qualitätsverbessernd sein, wenn deren Inhalt mit den gewählten Regelbeispielen korrespondiert. Sofern nicht die gesamte Schulung dem gewählten Regelbeispiel entspricht (Schulung zum Thema Vermögensanlage, worin die Anlageberatung in Finanzinstrumente nur ein Teil der Schulungsinhalte ausmacht), sind Schätzungen möglich. Die Kosten für Schulungen, deren Schulungsinhalte vollständig mit den Regelbeispielen korrespondieren (z. B. eine Schulung in der rechtssicheren Annahme telefonisch erteilter Orders), können vollständig als qualitätsverbessernd berücksichtigt werden. Die Leitfrage, ob einzelnen Sachaufwendungen qualitätsverbessernd angesetzt werden können, kann nicht immer pauschal beantwortet werden. Während es vergleichsweise eindeutige Aufwandspositionen gibt, beispielsweise Aufwendungen für Büroartikel, Miete für Filialen oder Abschreibungen der Bankgebäude, die regelmäßig anteilig auch für die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen im Sinne der gewählten Regelbeispiele genutzt werden, gibt es auch Aufwandspositionen, die eine entsprechend fundiertere Begründung benötigen. Exemplarisch sei an dieser Stelle der Aufwand für den Fuhrpark zu nennen. Ein (anteiliger) qualitätsverbessernder Ansatz ist in diesem Fall dann anzunehmen, wenn der Fuhrpark auch von Anlageberatern genutzt wird, um mit dem Auto zu Kundenterminen (Anlageberatung) zu fahren. Definitiv nicht qualitätsverbessernd sind Ausgaben, die zur Erfüllung aufsichtsrechtlicher Pflichten dienen, z. B. die Kosten für die externe Prüfung oder die Ausgaben nachgelagerter Kontrollen wie die der Compliance-Funktion oder der Vertriebssteuerung/des Vertriebscontrollings.[8]


[1] Vgl. § 70 Abs. 2 WpHG.

[2] Vgl. § 70 Abs. 1 S. 1 WpHG.

[3] Vgl. § 6 Abs. 2 WpDVerOV.

[4] Vgl. § 6 Abs. 3 WpDVerOV i. V. m. BT 10 MaComp.

[5] Vgl. BT 10.1 MaComp.

[6] Vgl. BT 10.2 Tz. 1 und BT 10.4 Tz. 1 MaComp.

[7] Vgl. BT 10.2 MaComp.

[8] Vgl. BaFin – Auslegungsentscheidungen zu MiFID II-Wohlverhaltensregeln nach §§ 63 ff. WpHG; Abschnitt J Nr. 3.


Beitragsnummer: 19578

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