Dienstag, 20. Februar 2024

Sittenwidrigkeit einer Mithaftungserklärung

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart


In einem zwischenzeitlich selten gewordenen Fall der Abgrenzung zwischen Mitdarlehensnehmerin und Mithaftenden erinnerte das OLG Oldenburg in seiner Entscheidung vom 29.06.2023, 8 U 172/22 (WM 2024, 270), daran, dass die Frage, ob eine übernommene Verpflichtung als eigene Darlehensschuld oder als reine Mithaftung zu qualifizieren ist, davon abhängt, ob man neben dem Darlehensnehmer als gleichberechtigter Vertragspartner einen Anspruch auf Auszahlung der Darlehensvaluta erhalten und im Gegenzug gleichgründig zur Zahlung des Darlehens verpflichtet sein soll, oder lediglich zu Sicherungszwecken mithaften und damit eine einseitig belastende Verpflichtung übernehmen soll (271).

Im Zusammenhang mit der Prüfung der Frage, ob die im konkreten Fall betroffene Freundin des Hauptdarlehensnehmers ein eigenes sachliches oder persönliches Interesse an der Kreditaufnahme hat, führt das OLG Oldenburg sodann aus, dass bloße reflexartige Vorteile wie die Nutzung des fremden Pkws sowie die Verbesserung der Lebensumstände oder der Haushaltsführung für eine gleichberechtigte Partnerschaft auf Darlehensnehmerseite gerade nicht ausreichen (271).

Nachdem das OLG Oldenburg festgestellt hatte, dass im konkret zu beurteilenden Fall lediglich eine Mithaftungserklärung vorliegt, weist das OLG Oldenburg darauf hin, dass bei einer Mithaftungserklärung die Sittenwidrigkeit dieser Mithaftungserklärung dann vermutet wird, wenn sich die Mitverpflichtete mit ihrer Mithaftungserklärung finanziell krass überfordert und wenn sie dem Hauptschuldner persönlich besonders nahesteht. Von einer finanziellen krassen Überforderung sei wiederum dann auszugehen, wenn die mithaftende Person mit dem pfändbaren Teil ihres laufenden Einkommens und Vermögens bei Eintritt des Sicherungsfalls voraussichtlich nicht einmal die von den Darlehensparteien festgesetzte Zinslast dauerhaft allein tragen kann (271).

Schließlich stellt das OLG Oldenburg klar, dass Anknüpfungspunkt der Sittenwidrigkeit der Umstand ist, dass sich der Darlehensgeber die emotionale Bindung zwischen dem Darlehensnehmer und einer mithaftenden Person für die Eingehung einer persönlichen Sicherheit zunutze macht und diese Haftung für die mithaftende Person absehbar einen ruinösen Umfang annimmt (271 f.).


PRAXISTIPP

Für die Praxis verdeutlicht die Entscheidung einmal mehr, dass man stets genau prüfen muss, ob es sich bei der mithaftenden Person um einen Mitdarlehensnehmer oder aber um einen „bloßen“ Mithaftenden handelt. Dies deshalb, weil die Bürgschafts-Sittenwidrigkeits-Rechtsprechung allein auf den nur Mithaftenden Anwendung findet.

Im konkreten Fall hatte das erstinstanzliche Gericht – anders als das OLG Oldenburg – es aufgrund des Klagevortrages als erwiesen angesehen, dass die mithaftende Beklagte den Vertrag nicht aus persönlicher Verbundenheit, sondern aufgrund einer autonomen, eigenverantwortlichen Entscheidung unterzeichnet hatte, was das OLG nicht so gesehen hat.


Beitragsnummer: 22515

Beitrag teilen:

Produkte zum Thema:

Produkticon
Kommentar zum Kreditrecht, 4. Auflage

269,00 € inkl. 7 %

Beiträge zum Thema:

Beitragsicon
Relevanz des unternehmerischen Frühwarnsystems für Kreditinstitute

Neben Kreditinstituten müssen auch haftungsbeschränkte Gesellschaften ein Risikofrüherkennungssystem vorhalten. Die Bedeutung für beide Seiten ist enorm.

30.04.2024

Beitragsicon
Sittenwidrigkeit solcher als Darlehen getarnter Provisionszahlungen

OLG Schleswig entscheidet zu Sittenwidrigkeit solcher als Darlehen getarnter Provisionszahlungen und der Beweislast für die Hingabe des Darlehens.

20.05.2022

Beitragsicon
Prospektqualität eines Informationsblattes

In der BGH-Entscheidung vom 14.11.2023, XI ZB 2/21 geht es u.a. um die spezialgesetzlichen Prospekthaftung sowie um das Erfordernis eines Prospektnachtrages.

21.03.2024

Um die Webseite so optimal und nutzerfreundlich wie möglich zu gestalten, werten wir mit Ihrer Einwilligung durch Klick auf „Annehmen“ Ihre Besucherdaten mit Google Analytics aus und speichern hierfür erforderliche Cookies auf Ihrem Gerät ab. Hierbei kommt es auch zu Datenübermittlungen an Google in den USA. Weitere Infos finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen im Abschnitt zu den Datenauswertungen mit Google Analytics.