Mittwoch, 28. Februar 2024

Demografischer Wandel und die Perspektiven der Wohnungsmärkte

Prof. Dr. Günter Vornholz, ImmobilienResearch GmbH, Lüdinghausen

 

Die aktuelle demografische Prognose des Statistischen Bundesamtes fällt nicht mehr so dramatisch wie noch vor einigen Jahren aus. Gleichwohl erfordern die erwarteten demografischen Veränderungen eine Neubewertung der Auswirkungen auf die Wohnimmobilienmärkte.[1]

 

Zahl der Haushalte steigt

Die Bevölkerung sinkt nach der amtlichen Prognose erst langfristig.[2] Die Zahl der Haushalte als wesentliche Größe der Wohnungsnachfrage wird sogar noch in den nächsten Jahren leicht ansteigen. Der Trend ist auf die abnehmende Zahl der Personen je Haushalt zurückzuführen, da die Zahl der Single- und Zwei-Personenhaushalte zunehmen wird. Die anderen Haushaltsgrößen werden hingegen Rückgänge zu verzeichnen haben.

Für die zukünftige Entwicklung des Wohnungsmarktes bedeutet dies, dass ein anhaltend hoher Bedarf an Wohnungen bestehen wird. Es werden insgesamt mehr Wohnungen benötigt, aber diese vor allem für die kleineren Haushalte und somit entsteht ein Bedarf nach relativ kleinen Wohnungen. Aufgrund der auch weiter anhaltenden Strukturveränderungen ist zu erwarten, dass allein aus Entwicklung der Haushaltsgröße die durchschnittliche Wohnungsgröße abnehmen wird. Jedoch kann dieser Trend durch die anderen Einflussgrößen (u. a. Einkommen) überlagert werden.

 

Regional unterschiedliche demografische Entwicklung

Die Bevölkerungs- und Haushaltsentwicklung wird regional eine sehr unterschiedliche Dynamik aufweisen, was vor allem auf die Wanderungen zurückzuführen ist. In den westdeutschen Flächenländern wird erwartet, dass die Bevölkerungszahl sich zeitlich differenziert entwickeln wird. So soll bis Mitte der 2030er-Jahre die Bevölkerung um rund zwei Prozent ansteigen und dann bis 2070 beinahe auf das Ausgangsniveau zurückgehen. Die ostdeutschen Flächenländer werden einen kontinuierlichen Rückgang der Bevölkerung und Haushalte aufweisen. Die Bevölkerung in den Stadtstaaten profitiert hingegen von der Urbanisierung, auch wenn es zeit- und teilweise zu Gegenbewegungen kommt. Nach der Prognose soll bis 2070 die Bevölkerung deutlich anwachsen.

Für den Wohnungsmarkt werden sehr unterschiedliche Trends gegeben sein. Die Wanderungsbewegungen wirken sich auf die lokale Nachfrage nach Wohnraum aus. Die Bildungswanderer sowie Flüchtlinge und Migranten, die eher in die Städte ziehen, sind eher der Gruppe der Mieter von Wohnungen und Häusern zuzuordnen. Dieser Gruppe fehlt vielfach das notwendige Kapital für Immobilienkäufe. Jedoch sind diese Wohnungen für Kapitalanleger (institutionelle und private) geeignet. Die Familienwanderer ziehen vorwiegend aus den Städten weg und sind daher auf der Verkaufsseite in den Städten zu finden. In den Abwanderungsregionen wird die Zahl der Haushalte rückläufig sein, dennoch werden auch zukünftig neue Wohnungen errichtet. So sind hier vermehrt Verkäufe und ebenso zunehmende Leerstände festzustellen, was den Druck auf die Preise erhöht.

 

Menschen im erwerbsfähigen Alter

Die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter von 20 bis 66 Jahren (potenziell Erwerbstätige) wird in den kommenden Jahren kontinuierlich abnehmen. Derzeit sind über 50 % aller Menschen im Erwerbsalter 45 Jahre und älter. Wenn die stark besetzten Jahrgänge in den kommenden Jahren aus dem Erwerbsalter ausscheiden, wird das Erwerbspersonenpotenzial bis Mitte der 2030er-Jahre schrumpfen.

Ohne Nettozuwanderung würde sich die Zahl der potenziell Erwerbstätigen alleine bis 2040 um rund 9 Mio. Menschen oder gut 17 % verringern. Um diese Verluste abzufangen, müssten zwischen 2022 und 2040 per Saldo jährlich etwa 490.000 Menschen allein im Alter zwischen 20 und 66 Jahren nach Deutschland kommen.

Für den Arbeitsmarkt bedeutet diese demografische Entwicklung eine Belastung. Es scheiden mehr Personen aus dem Erwerbsleben in die Rente aus als aus der Jugend nachkommen. Der demografische Wandel ist die Hauptursache für den Arbeits- und Fachkräftemangel. Der Fachkräfteengpass (bzw. -mangel) betrifft schon heute auch die Bau- und Wohnungswirtschaft. Zukünftig muss ebenfalls mit einem geringeren Arbeitskräfteangebot gerechnet werden. Es sind daher entsprechende Maßnahmen zu treffen, um u. a. die Berufe attraktiver zu machen oder die Kapazitäten entsprechend anzupassen.

 

Senioren

Die Gruppe der älteren Menschen spielt eine immer wichtigere Rolle als Nachfrager auf dem Wohnungsmarkt. In den nächsten 20 Jahren steigt die Zahl der Senioren stark an. Das erfordert eine altersgerechte Modernisierung oder den Neubau von Wohnungen. Die Zahl der Menschen im Alter ab 67 Jahren stieg zwischen 1990 und 2021 um rund 58 % auf 16,4 Mio. Personen. Nach der Prognose wird diese Gruppe weiter auf 21,2 Mio. Menschen im Jahr 2070 steigen. Dabei ist jedoch ein unsteter Verlauf zu erwarten. Ein besonders steiler Anstieg wird bis Ende der 2030er Jahre gegeben sein, danach wird die Zahl der älteren Bevölkerungsgruppe zunächst stagnieren, um dann ab 2050 wieder leicht anzusteigen. Verantwortlich für diese Entwicklung ist vor allem die Babyboomer-Generation.

Regional zeigt sich wieder eine unterschiedliche Entwicklung. In den westdeutschen Flächenländern gibt es einen deutlichen Anstieg der Zahl der 67-jährigen und Älteren bereits im Laufe der nächsten 15 Jahre. In den ostdeutschen Flächenländern wird die Zahl der 67-jährigen und Älteren noch bis 2036 steigen. Die Zahl wird in den Stadtstaaten bis 2037 aufgrund der Alterung der Babyboomer in allen Varianten der Vorausberechnung wachsen, danach bis Mitte der 2040er-Jahre relativ stabil bleiben und anschließend kontinuierlich zunehmen.

Für diese Bevölkerungsgruppe sind teilweise mehr und andere Wohnungen bereitzustellen. Altengerechte Wohnungen haben andere Ansprüche an die Ausstattung und die Größe der Wohnungen. Somit sind teilweise die bestehenden Wohnungen zu renovieren, damit die älteren Menschen in ihren Wohnungen weiterleben können und wollen. Teilweise sind aber auch neue Wohnungen aufgrund der veränderten Anforderungen zu bauen.

 

Internationale Migration

Darüber hinaus wird die Gesellschaft in Deutschland „bunter“, d. h., die Zahl und der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund werden weiterwachsen. Die veränderten Migrationszahlen haben auch die Prognosen verändert. Wurde im Jahr 2009 noch mit einem durchschnittlichen Wanderungssaldo von 200.000 Personen gerechnet, wird in der aktuellen Vorausberechnung ein jahresdurchschnittliches Migrationsplus von 293.000 Personen angenommen.

Die Zahl und der Anteil der Migranten an der Gesamtbevölkerung werden langfristig deutlich ansteigen. Insbesondere die Großstädte in Deutschland und dort bestimmte Stadtteile sind und werden auch zukünftig bevorzugte Ziele der Zuwanderung sein. Aufgrund des relativ jungen Alters und der etwas höheren Geburtenrate der Migrationsbevölkerung wird vor allem der Anteil der Jungen mit Migrationshintergrund in den kommenden Jahren deutlich steigen.

Für die zukünftige Entwicklung des Wohnungsmarktes bedeutet dies, dass zum einen das Arbeitskräftepotenzial durch die Einwanderer erhöht wird. Davon kann auch die Wohnungs- und Bauwirtschaft profitieren. Zum anderen steigt die Nachfrage nach Wohnungen. Bei Menschen mit Migrationshintergrund ist teilweise die Zahl der Haushaltsmitglieder höher, was zu einer anderen strukturellen Nachfrage führen kann. Mit zunehmender Integration unterscheiden sich jedoch aufstiegsorientierte Migrantenhaushalte in ihrer Nachfrage nicht mehr von inländischen Haushalten ähnlicher Struktur.

 

PRAXISTIPPS

  • Die demografische Entwicklung ist einer der wesentlichen Werttreiber von Immobilien. Daher ist bei Investitions- und Finanzierungsentscheidungen die regionale bzw. lokale Entwicklung dringendst zu beachten.
  • Für Banken als Arbeitgeber sollte die Suche nach ausgezeichnetem Personal höchste Priorität haben.


[1] Vgl. Vornholz, Günter, Demografischer Wandel und Wohnungsmärkte, verfügbar unter: https://www.immobilienresearch-vornholz.de/, Zugriff am 19.02.2024.

[2] Vgl. Statistisches Bundesamt, 15. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, verfügbar unter: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Bevoelkerungsvorausberechnung/begleitheft.html, Zugriff am 21.02.2024.


Beitragsnummer: 22528

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