Dienstag, 19. März 2024

Gesprächsführung als ein Schlüssel für den Erfolg in Krisensituationen

Je komplexer die Situation, desto wichtiger die Kommunikation. Gerade in der Sanierung ist der zwischenmenschliche Umgang mit ausschlaggebend für den Sanierungserfolg

Manuel Kull, Stv. Bereichsleiter Kreditbetreuung, L-Bank und Business-Coach

 

Erfolgt die Abgabe eines Kreditengagements gem. BTO 1.2.5 Tz. 1 MaRisk in die Problemkreditbearbeitung ist es unerlässlich, den Kontakt mit dem Kreditnehmer zu intensivieren. In aller Regel sind in diesem Stadium von den finanzierenden Banken Forbearance-Maßnahmen (BTO 1.3.2 MaRisk) zu ergreifen, um die Liquidität im Sanierungszeitraum zu sichern, bis die Wettbewerbsfähigkeit in Form einer branchenüblichen Rendite und Eigenkapitalausstattung (IDW S 6 Tz. 24 ff.) und somit der sanierte Zustand erreicht ist.

Bis das entsprechende Sanierungskonzept final abgestimmt und die Beiträge der finanzierenden Banken ausverhandelt sind, bedarf es in der Regel mehrerer Bankenrunden, bilateraler Gespräche sowie Abstimmungen im Finanziererkreis.

Die Banken sind gem. BTO 1.3.2 Tz. 5 angehalten, die Tragfähigkeit der Forbearance-Maßnahmen zu beurteilen, was u. a. mit einschließt, dass zumindest mittel- bis langfristig der Kreditsaldo verringert wird. Auch aus betriebswirtschaftlichen Überlegungen heraus werden die Banken Überlegungen zu den Handlungsoptionen anstellen und die für sie wirtschaftlich vorteilhaftere Option bei der Definition der Engagementstrategie verfolgen.

Das führt regelmäßig zu Interessenskonflikten zwischen den finanzierenden Banken sowie den Gesellschaftern des Kreditnehmers und dem Kreditnehmer selbst. Tritt bei den Gesprächen über die Sanierungsfinanzierung bei den handelnden Akteuren die subjektive Wahrnehmung auf, bspw. nicht verstanden oder nicht fair behandelt zu werden, können sich Emotionen entfalten, die die weitere Lösungsfindung und schließlich die Sanierung erschweren.

Eine Gesprächsführung in den entsprechenden Verhandlungen, die sich in diesem Stadium rein auf rationale Sachverhalte bezieht, kann deshalb dazu führen, dass Gespräche trotz vermeintlich rational sinnvoller Lösungen stecken bleiben und sich Gesprächssituationen verhaken.

Hierbei kann besonders zum Vorschein komm, dass wir ein und dieselbe Situation unterschiedlich bewerten. Denn die Realität wird individuell konstruiert, in dem wir Informationen subjektiv wahrnehmen und ihnen eine entsprechend subjektive Bedeutung beimessen. Und diese Bedeutung wird sich in aller Regel von Person zu Person unterscheiden.

Hintergrund ist, dass unser Gehirn auf uns wirkende Reize sortiert. Bei diesem Sortierungsvorgang entscheidet unser Gehirn, welche Reize wir bewusst wahrnehmen und welche unbewusst bleiben. Einfluss darauf, welche Reize uns bewusst werden, hat, wie wir uns aktuell fühlen, welche Interessen wir verfolgen, mit welchen Erwartungen wir in ein Gespräch gehen und welche Befürchtungen wir ggf. haben. All das färbt die sprichwörtliche Brille, durch die wir die Welt sehen, und beeinflusst so unsere Wahrnehmung und unser Handeln.

Nicht selten bleiben in Verhandlungen über Sanierungsfinanzierungen auch Erwartungen unerfüllt, wenn bspw. dem vom Kreditnehmer vorgeschlagenen neuen Sanierungskredit nicht wie beantragt entsprochen werden kann. In unserem Gehirn lösen unerfüllte Erwartungen eine wahrgenommene Bedrohung aus, auf die es entsprechend reagiert. Das Gehirn versucht, diese empfundene Bedrohung zu vermeiden. Dabei stellt es Verknüpfungen zwischen den eintreffenden Reizen sowie Erinnerungen her, um der Bedrohungssituation zu begegnen und sie möglichst zu beseitigen. Ob diese Verknüpfungen zutreffend sind, spielt dabei keine Rolle.

Da durch unerfüllte Erwartungen auch eine Stresssituation ausgelöst werden kann, was die kognitive Leistungsfähigkeit beeinflusst, kann es so zu empfundenen irrationalen Handlungen kommen, die für den Gesprächspartner nicht nachvollziehbar scheinen.

Um eine solche Konfliktsituation nachhaltig aufzulösen, bedarf es zunächst, den Konflikt als solchen zu erkennen, um ihn dann auf der zwischenmenschlichen Beziehungsebene zu lösen. Erst anschließend kann wieder lösungs- undzielorientiert in der Sache weiter verhandelt werden.

Anbieten kann es sich dabei, ein vertrauensvolles bilaterales Gespräch zu führen. Dabei sind zunächst die Wirkfaktoren der verbalen und der non- sowie paraverbalen Kommunikation zu berücksichtigen und sich diesen bewusst zu sein, um deeskalierend wirken zu können:

Die verbale Kommunikation wird beeinflusst durch

  • die eigene innere Haltung zu dem Sachverhalt
  • der eigenen Einstellung zu dem Thema
  • der eigenen mentalen und emotionalen Situation
  • die eigene non- und paraverbale Kommunikation

Die non- und paraverbale Kommunikation wird beeinflusst durch

  • die eigene Körperhaltung
  • die eigene Ausstrahlung
  • die Gestik und Mimik
  • die Art und Weise des Blickkontakts
  • die Sprachmelodie

Basierend und unter Berücksichtigung der Wirkweise der eigenen Kommunikation können dann je nach Gesprächsverlauf verschiedene Gesprächstechniken angewandt werden, um den auf der zwischenmenschlichen Beziehungsebene bestehenden Konflikt zielorientiert zu lösen. Gesprächstechniken, die sich dazu eignen, sind bspw. aktives Zuhören, Verbalisieren, Paraphrasieren, Feedback geben und der gezielte Einsatz von Fragetechniken.

Auch wenn sich aus den aufsichtsrechtlichen Vorgaben und betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten heraus der Fokus in Verhandlungen bei Sanierungsengagement auf die wirtschaftliche (Aus-)Wirkung der Sanierung legt, können die zwischenmenschliche Kommunikation und emotionale Konflikte entscheidend für den Ausgang einer Sanierungsverhandlung sein und deshalb als Erfolgsfaktor nicht zu vernachlässigen.


PRAXISTIPPS

  • Regelmäßige Selbstreflexion über die Wirkung der eigenen Kommunikation, auch während laufender Verhandlungen (Wirkfaktoren der Kommunikation)
  • Aufmerksame Beobachtung der emotionalen Situation der Gesprächspartner sowie deren Kommunikation (verbale, aber insbesondere non- und paraverbale Kommunikation)
  • Wird erkannt, dass Argumente weniger sachlich, sondern eher emotional getrieben sind, prüfen, ob eine Pause und/oder ein deeskalierendes Vier-Augengespräch angebracht sein kann 

 

Quellen

BaFin (2023): Mindestanforderungen an das Risikomanagement - MaRisk, Stand 29.06.2023

Hawkins, J.  (2006): Die Zukunft der Intelligenz: Wie das Gehirn funktioniert und was Computer davon lernen können.

IDW-Standard: Anforderungen an Sanierungskonzepte (IDW S 6), Stand 22.06.2023.

Nussbaum, C. (2023): Kopf voll, Hirn leer – Konzentriert und leistungsfähig bleiben trotz permanenter Reizüberflutung.

Rock, D. (2011): Brain at Work - Intelligenter arbeiten, mehr erreichen.

Schulz von Thun, F.: https://www.schulz-von-thun.de/die-modelle/das-kommunikationsquadrat(zuletzt abgerufen im März 2023).

Spektrumhttps://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/organonmodell/10988 (zuletzt abgerufen im März 2023).

Watzlawick, Phttps://www.paulwatzlawick.de/axiome.html (zuletzt abgerufen im März 2023).


Beitragsnummer: 22547

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