Montag, 31. Dezember 2018

Vor-Ort-Prüfungen im Wertpapiergeschäft

Konsequenzen und Sanktionen

Lukas Zimpfer, Verbandsprüfer, Mitglied der Facharbeitsgruppe WpHG/Depot, Baden-Württembergischer Genossenschaftsverband e.V.

Das Wertpapierdienstleistungs- und Depotgeschäft von Wertpapierdienstleistungsunternehmen wird im Auftrag der BaFin grundsätzlich jährlich durch einen Wirtschaftsprüfer oder einen vereidigten Buchprüfer bzw. eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft oder eine Buchprüfungsgesellschaft geprüft. Im genossenschaftlichen Bankensektor und bei Sparkassen erfolgt die Prüfung durch einen geeigneten und sachkundigen Mitarbeiter des zuständigen Prüfungsverbandes bzw. der zuständigen Prüfungsstelle (vgl. § 89 Abs. 1 WpHG).

Durch die Sichtung der Prüfungsberichte verschafft sich die Aufsicht einen Überblick über die Einhaltung der gesetzlichen und aufsichtsrechtlichen Anforderungen der von ihr beaufsichtigten Unternehmen. Darüber hinaus verfügt die Aufsicht über das Recht, die Prüfung eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens zu begleiten oder entsprechend § 88 Abs. 1 WpHG und § 44 KWG auch ohne besonderen Anlass selbst eine Sonderprüfung vorzunehmen. Die rechtliche Grundlage für eine solche Sonderprüfung schuf der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung zum Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz vom 01.11.2012, in der besonderer Wert auf Gespräche der BaFin mit den Mitarbeitern der Wertpapierdienstleistungsunternehmen gelegt wird. Diese Gespräche sollen „in die Fläche“ gehen und dort erfolgen, wo Verbraucher auf Produktvertriebe treffen. Im Rahmen dieser Vor-Ort-Prüfung besuchte die BaFin verstärkt Privatbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Nach eigenen Angaben im Jahr 2013 insgesamt 230 Organisationseinheiten und im Jahr 2014 insgesamt 261 Organisationseinheiten. Im Jahr 2017 wurden ca. 150 derartige Vor-Ort-Prüfungen vorgenommen, bei denen über 800 Mitarbeiter des Wertpapierdienstleistungsunternehmens befragt wurden.

SEMINARTIPPS

Umsetzung und (Über-)Prüfung einer angemessenen Risikokultur, 19.03.2019, Frankfurt/M.

Neu-Produkte-Prozess (NPP), 20.03.2019, Frankfurt/M.

Prüfung des Wertpapier- und Depotgeschäfts, 14.05.2019, Hamburg.

Hamburger Wertpapier-Tage: Aufsichtsrecht & Verbraucherschutz, 15.–16.05.2019, Hamburg.

Primäres Ziel von Vor-Ort-Prüfungen ist es, Informationen zum Vertrieb und zur Anlageberatung aus erster Hand zu erhalten. Zu diesem Zweck ist die Marktaufsicht der BaFin auf verlässliche Informationen aus „Erster Hand“ angewiesen und besucht die Wertpapierdienstleistungsunternehmen dort, wo Wertpapierdienstleistungen und -nebendienstleistungen erbracht werden: In den Filialen und in der Hauptstelle. Um sich ein aussagekräftiges Bild von der Einhaltung der Verhaltens- und Organisationspflichten des Wertpapierdienstleistungsunternehmens zu machen, spricht sie insbesondere mit Mitarbeitern der Anlageberatung und der Vertriebssteuerung (vgl. BaFin-Journal Dezember 2015, „Aufsicht vor Ort“, S. 28–29).

Mögliche Sanktionen durch die BaFin

Beabsichtigtes Ziel des Gesetzgebers war es, durch die Implementierung des Mitarbeiter- und Beschwerderegisters und Etablierung der Aufsicht „in der Fläche“, mögliche Indizien auf Falschberatung zu erkennen und dem entgegenzuwirken.

Insofern kann die BaFin Maßnahmen ergreifen, um der Falschberatung von Verbrauchern entgegenzuwirken, sofern sie den Eindruck gewinnt, dass – beispielsweise durch die Ausgestaltung von Vertriebsvorgaben – Kundeninteressen negativ beeinträchtigt werden. Sanktionsmöglichkeiten bestehen beispielsweise in Form von formellen Verwarnungen. Darüber hinaus können aufsichtsrechtliche Verstöße mit Bußgeldern geahndet werden. Gegenstand derartiger Ordnungswidrigkeitsverfahren kann die Abgabe ungeeigneter Anlageempfehlungen oder Verstöße gegen die Dokumentationspflicht der Geeignetheit der Empfehlung sein (vgl. BaFin-Journal Dezember 2015, „Aufsicht vor Ort“, S. 30).

BUCHTIPP

Ellenberger/Clouth (Hrsg.), Praktikerhandbuch Wertpapier- und Derivategeschäft, 5. Aufl. 2018.

Nachfolgend wird ein reales Beispiel beschrieben, bei dem ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen und sechs seiner Vertriebsbeauftragten verwarnt wurden, weil sie Vertriebsvorgaben nicht so ausgestaltet hatten, dass Kundeninteressen nicht beeinträchtigt werden. Die verwarnten Vertriebsbeauftragten hatten die ihnen zugeordneten Anlageberater dazu angehalten, vorrangig konzerneigene Finanzinstrumente zu empfehlen und zu vertreiben. Im Rahmen von Teammeetings wurden die Mitarbeiter kritisiert, denen der Vertrieb dieser konzerneigenen Finanzinstrumente nicht gelang. Die Vertriebsbeauftragten forderten teilweise sogar die Anlageberater auf, einzelne der konzerneigenen Finanzinstrumente noch am selben Tag zu vertrieben. Dabei wurde auch vorgegeben, in welcher Reihenfolge einzelne Produkte im Beratungsgespräch anzusprechen sind. Weiterhin riefen die verwarnten Vertriebsbeauftragten dazu auf, Kunden zu Umschichtungen ihrer Depots zu bewegen.

Im konkreten Fall beeinträchtigte das Verhalten der Vertriebsbeauftragten – und damit die Vertriebssteuerung des verwarnten Wertpapierdienstleistungsunternehmens – in erheblichem Maße Kundeninteressen. Es bestand die konkrete Gefahr, dass Finanzinstrumente empfohlen wurden, weil sie im Vertriebsfokus standen und nicht weil sie geeignet für den Kunden waren. Das Interesse der Kunden, eine geeignete Anlageempfehlung zu erhalten, war durch die Ausgestaltung der Vertriebsvorgaben stark gefährdet.

Nach Aufdeckung der Verstöße durch die BaFin hat das Wertpapierdienstleistungsunternehmen umgehend seine Vertriebssteuerung umgestellt. In nachfolgenden Prüfungen wurden keine produktbezogenen Vertriebsvorgaben mehr festgestellt (vgl. BaFin-Journal Dezember 2014, „Verbraucher – Warnungen und aktuelle Kurzmeldungen zum Verbraucherschutz“, S. 23).

PRAXISTIPPS

  • Sichten Sie die Berichte anderer Prüfer (Compliance, Revision, Wirtschaftsprüfer, Aufsicht), um einen Einblick in den Status Quo des Prüffelds oder der Filiale zu bekommen.
  • Versuchen Sie Informationen zum Vertrieb und zur Anlageberatung aus erster Hand zu erhalten, durch Gespräche mit den Mitarbeitern.
  • Versuchen Sie mögliche Indizien auf Falschberatung zu erkennen und dem entgegenzuwirken.

Beitragsnummer: 48711



Beitragsnummer: 1017

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