Dienstag, 12. Februar 2019

Kündigung wegen fehlerhaften Beitritts infolge Pflichtverletzung

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Rechtsanwalt, Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner

In seiner Entscheidung vom 06.11.2018, Az. II ZR 57/16, erinnert der Bundesgerichtshof zunächst daran, dass dann, wenn sich der aufklärungspflichtige Gesellschafter für die vertraglichen Verhandlungen über einen Beitritt eines Vertriebs bedient und diesem Vertrieb oder einem von diesem Vertrieb eingeschalteten Untervermittlern die geschuldete Aufklärung der Beitrittsinteressenten überlässt, dieser Gesellschafter über § 278 BGB für die unrichtigen oder unzureichenden Angaben des Vertriebs haftet. Dies deshalb, weil er sich das Fehlverhalten von Personen, die er mit den Verhandlungen zum Abschluss des Beitrittsvertrages ermächtigt hat, nach § 278 BGB zurechnen lassen muss. Einer vom aufklärungspflichtigen Gesellschafter bis zum Vermittler führenden vertraglichen „Auftragskette“ bedürfe es für eine solche Haftung nicht. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes schließt auch die Verwendung eines Prospektes zur Aufklärung der Beitrittsinteressen es nicht von vorneherein aus, unzutreffende Angaben des Vermittlers dem aufklärungspflichtigen Gesellschafter zuzurechnen. Vermittelte nämlich der Prospekt eine ausreichende Aufklärung, sei dies kein Freibrief dafür, Risiken abweichend hiervon darzustellen und mit Erklärungen ein Bild zu zeichnen, welches die Hinweise im Prospekt für die Entscheidung des Anlegers entwertet oder mindert (Rn. 16).

SEMINARTIPP

Hamburger Wertpapier-Tage: Aufsichtsrecht & Verbraucherschutz, 15.–16.05.2019, Hamburg.



Sodann erinnert der Bundesgerichtshof daran, dass die Annahme grob fahrlässiger Unkenntnis i. S. d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht allein darauf gestützt werden kann, dass der Anlageinteressent den Text eines ihm nach Abschluss der Anlageberatung zur Unterschrift vorgelegten Zeichnungsscheins nicht gelesen hat. Eine andere Beurteilung könne jedoch, so der BGH, dann in Betracht kommen, wenn der Berater den Anleger ausdrücklich darauf hinweist, er solle den Text vor Unterzeichnung durchlesen und er dem Kunden die hierzu erforderliche Zeit lässt, oder wenn in deutlich hervorgehobenen, ins Auge springenden Warnhinweisen auf etwaige Anlagerisiken hingewiesen wird, oder wenn der Anleger auf den Zeichnungsschein gesonderte Warnhinweise zusätzlich unterschreiben muss (Rn. 21).



Schließlich weist der Bundesgerichtshof darauf hin, dass ein fehlerhaft beigetretener Gesellschafter berechtigt ist, das stille Gesellschaftsverhältnis unter Berufung auf den behaupteten Vertragsmangel durch sofortige Kündigung nach § 234 Abs. 1 HGB, § 723 BGB mit der Folge zu beenden, dass ihm ggf. ein nach den gesellschaftsvertraglichen Regeln zu berechnender Abfindungsanspruch zusteht, wobei der Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang darauf hinweist, dass ein fehlerhafter Beitritt in diesem Sinne auch dann vorliegt, wenn der Gesellschafter durch eine fehlerhafte oder unzureichende Aufklärung zum Beitritt bewogen worden ist (Rn. 31). In diesem Zusammenhang stellt der Bundesgerichtshof noch klar, dass das in Rede stehende Kündigungsrecht des Gesellschafters durch eine etwaige Verjährung des Schadensersatzanspruchs, falls sie vor Ausübung des Kündigungsrechts überhaupt in Betracht gezogen werden kann, nicht ausgeschlossen wird (Rn. 33).




Beitragsnummer: 1138

Beitrag teilen:

Beiträge zum Thema:

Beitragsicon
Vorrang der spezialgesetzlichen Prospekthaftung!

Rechtsprechung zur erweiterten spezialgesetzlichen Prospekthaftung aufgrund einer an die Vertriebsverantwortung anknüpfenden Haftung der Altgesellschafter

21.08.2023

Beitragsicon
Analoge Anwendung von § 288 I 1 BGB auf verspätete Kontoentsperrung

Ein Kunde hat einen Schadensersatzanspruch nach § 288 I 1 BGB , wenn ihm der Zugriff auf sein Kontoguthaben wg. verspätete Freigabe verwehrt wurde.

21.03.2024

Beitragsicon
Schuldbeitritt zum Darlehensvermittlungsvertrag

OLG Stuttgart sieht den dem Darlehensvermittlungsvertrag Beitretenden als Nichtverbraucher, weswegen das Schriftformerfordernis im Fall keine Anwendung fand.

21.03.2023

Beitragsicon
Prospektqualität eines Informationsblattes

In der BGH-Entscheidung vom 14.11.2023, XI ZB 2/21 geht es u.a. um die spezialgesetzlichen Prospekthaftung sowie um das Erfordernis eines Prospektnachtrages.

21.03.2024

Um die Webseite so optimal und nutzerfreundlich wie möglich zu gestalten, werten wir mit Ihrer Einwilligung durch Klick auf „Annehmen“ Ihre Besucherdaten mit Google Analytics aus und speichern hierfür erforderliche Cookies auf Ihrem Gerät ab. Hierbei kommt es auch zu Datenübermittlungen an Google in den USA. Weitere Infos finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen im Abschnitt zu den Datenauswertungen mit Google Analytics.