Dienstag, 15. Januar 2019

BREXIT – was müssen regionale Institute in Deutschland tun?

Analyse notwendiger Vorbereitungen und Maßnahmen.

Irina Friedemann, Langjährige Tätigkeiten im Bereich von Sparkassen, DSGV und der Sparkassenstiftung für Internationale Kooperationen e.V.

I. Einleitung

Der BREXIT sorgt aktuell für viel Ungewissheit im Bankenmarkt, da alle Institute verbindlich wissen möchten, worauf sie sich einstellen sollen. Kommt es zu einem geregelten oder einem ungeregelten Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union? Oder bleibt das Vereinigte Königreich (United Kingdom/UK) nach einem angedachten zweiten Referendum am Ende doch Mitglied der EU? Aktuell ergibt sich immer noch kein eindeutiges Bild. Höchstwahrscheinlich wird es aber Ende März zu einem „Hard Brexit“ bzw. „No-Deal-Brexit“ kommen. Diese Option wird in den Fachkreisen als „Worst case-Szenario“ betrachtet und hat weitreichende Auswirkungen auf fast alle Institute auch in Deutschland.

Bekanntlich wird der Austritt Großbritanniens aus der EU am 29.03.2019 wirksam. Es gibt zwar ein Austrittabkommen, das die britische Premierministerin Theresa May mit der EU ausgehandelt hat und das bereits durch den Rat der EU gebilligt ist. Damit dieser Abkommensentwurf rechtlich zur Abstimmung an das EU-Parlament eingereicht werden kann, muss zunächst das britische Parlament zustimmen.

Dafür gibt es aber offensichtlich im britischen Parlament zurzeit keine Mehrheit. Daher kann das Dokument nicht in Kraft treten und auch nicht im EU-Parlament ratifiziert werden. Die in langwierigen und mühsamen Verhandlungen ausgearbeiteten 585 Seiten des Abkommens könnten nur als vergeblicher „Entwurf“ in die moderne Geschichte eingehen.

Da wir uns am Beginn des Jahres 2019 befinden und bis zum geplanten Austritt weniger als zwei Monate bleiben, sollten wir uns an den Spekulationen über das Schicksal des Austrittsabkommens in seiner heutigen oder einer unter Umständen modifizierten Fassung nicht mehr beteiligen, sondern uns besser auf das denkbar schlechteste Szenario – den No-Deal-Brexit – vorbereiten und dann entspannt weitere Brexit-Meldungen abwarten.


II. Was bedeutet „Brexit-Vorbereitung“ im Detail?

Die Vorbereitung besteht aus fünf Schritten. Der wichtigste, treibende Gedanke dabei ist: „Wie ist meine Bank in die Brexit-Folgen involviert? Oder anders ausgedrückt: In welchen Bereichen gibt es Schnittstellen (direkt oder indirekt) mit dem Vereinigten Königreich und wie risikorelevant sind sie für die Bank?“ Von den Antworten auf diese Fragen hängen Maßstab, Umfang und Aufwand der gesamten Vorbereitung ab.

1. Bereitschaft und Notwendigkeit der Analyse

Dieser Schritt ist für alle Banken gleich: das Management sollte diese Analyse quer durch die Bank und die dafür verantwortlichen Personen voll und ganz unterstützen. Die wichtigsten Argumente sind:

a) Wettbewerbsintensität

Durch den Markteintritt der „Brexit-Banken“ nimmt der Wettbewerb zu. Neben angelsächsischen Banken kommen auch asiatische Banken, die sich durch ihre fortgeschrittenen Technologien und dank der Digitalisierung durch schlanke Prozesse auszeichnen. Eine Vorbereitung und Status-Quo-Analyse können dem Management rechtzeitig aufzeigen, wie die Bank auf den steigenden Wettbewerb reagieren kann.

b) Konjunktur

Die aktuelle Entwicklung der Weltwirtschaft ist bereits durch mehrere ernst zu nehmenden Risken gekennzeichnet. Durch die Unsicherheiten des Brexits und rückläufige Investitionen sind zusätzlich Wachstumseinbrüche sowohl in UK als auch in der EU zu erwarten. Dies könnte zu höherer Arbeitslosigkeit und Konsumentenpreisen führen. Seien Sie deshalb vorgewarnt!


2. Status-Quo-Analyse quer durch die Bank

Dieser Schritt ist auch für alle Banken gleich. Die Analyse erstreckt sich über alle Bereiche. Dies betrifft sowohl marktrelevante als auch nicht marktrelevante Einheiten. Die Hauptfrage ist: „Hat ein Produkt, Kunde, Geschäft, Prozess oder Mitarbeiter mit UK direkt oder indirekt zu tun?“

Hierfür empfiehlt sich ein systematisches Vorgehen:

  • Bilanz: mit den wichtigsten Bilanzposten anzufangen und die ganze Produktpalette systematisch analysieren. Was konkret verbindet das Produkt mit der UK: Sicherheit, Vertrag, Recht, Buchung, Währung, Auszahlung etc.?

    • Aktiva: haben Sie Kredite mit dem UK? An wem und mit welcher Besicherung?
    • Passiva: Haben Sie Derivate/Optionen/Pfandbriefe, die mit dem UK Schnittstellen haben?
  • Bietet ihre Bank Zahlungsverkehr an? Währung, Buchungsstelle?
  • Checken Sie Ihre Kunden: Sind die UK-Bürger (direkte Folgen) oder deutsche Unternehmen/Personen, die hauptsächlich/teilweise ihre wirtschaftlichen Interessen im UK haben (indirekte Folgen)?
  • Personal: Haben Sie britische Kollegen?
  • Steuern: Hat ihre Steuerabteilung irgendwas mit den UK zu tun? Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer?
  • Recht: mehrere Aspekte zu betrachten (z. B. Arbeitsrecht, Gesellschaftsrecht).
  • Betreibt die Bank Outsourcing?
  • Interne Revision sollte diese Analyse begleiten.

Abbildung 1: Vom Brexit möglicherweise betroffene Bereiche

3. Handlungsfelder definieren

Dieser Schritt wird für jede Bank individuell ablaufen und unterschiedlich Zeit und Ressourcen in Anspruch nehmen. In Abhängigkeit von den festgestellten Schnittstellen der „Status Quo-Analyse“ werden verschiedene Handlungsfelder, mögliche Lösungen oder Alternativen und ihre Auswirkungen bzw. Konsequenzen definiert.

Für diejenigen, die aus der Status-Quo-Analyse eine Matrix erstellt haben, die beinhaltet, welche Abhängigkeiten und Schnittstellen quer durch die Bank mit den UK gibt, ist Folgendes zu beachten:

  1. Mit dem Brexit wird das UK ein Drittstaat (wie z. B. Schweiz, Russland, Honduras, Norwegen). Falls es zum „ungeregelten“ Brexit kommt, wird das UK als Drittstaat behandelt, womit es keine Abkommen und Regelungen gibt. Das bedeutet im Einzelfall: Sämtliche Produkte, Verträge oder Sicherheiten nach englischem Recht können nicht mehr in Rahmen der EU-bankaufsichtsrechtlichen Regelungen berücksichtigt werden.
  2. Die Komplexität der zu beachtenden relevanten Handlungsfelder und ihre Abhängigkeiten mit den nachgelagerten Themen wie z. B. Aufsicht sind in Abb. 2 grob und nur beispielhaft dargestellt:

Abbildung 2: Komplexität der relevanten Handlungsfelder

4. Entscheidungen treffen und Change-Management vorbereiten

Dieser Schritt ist auch sehr individuell und wird sehr unterschiedlich in den Banken durchgeführt:

  • Sie haben z. B. alle Produkte und Kunden identifiziert, die für den Brexit relevant sind.
  • Sie haben festgestellt, welche nachgelagerte Themen Sie zusätzlich berücksichtigen bzw. bearbeiten müssen.
  • Sie wissen, was Sie ändern müssen und was es kosten würde, falls die Bank „Brexit-relevante Produkte/Kunden“ in den Büchern beibehalten möchte.
Jetzt ist es die Zeit zu entscheiden, ob die Bank für das „Brexit-relevante Produkt/Kunde“ eine Exit-Strategie prüft oder bereit ist, für das Produkt notwendige Änderungen durchzuführen. Abb. 3 zeigt einen möglichen Entscheidungsbaum am Beispiel eines deutschen Kunden, der seine wirtschaftlichen Interessen hauptsächlich in der UK hat und bei dem eine starke Bonitätsverschlechterung durch Brexit erwartet wird:

Abbildung 3: Beispiel möglicher Entscheidungsbaum


5. Abwarten und Tee trinken oder „just wait and see“

Der Schritt sollte wieder für alle Banken gleich sein. Sie wissen, wer, was und wieviel konkret für Ihre Bank „Brexit-relevant“ sind. Sie wissen, wie Sie damit umgehen können bzw. müssen. Sie haben alle Pläne und Alternativen vorbereitet. Jetzt kann der Brexit kommen! Oder werden sich die Briten doch noch umentscheiden? In Ihrem Fall – eigentlich egal.

III. Fazit

Neben der Digitalisierung, Regulierung und demografischen Wandel müssen sich die deutschen Banken aktuell noch mit dem Brexit und seinen Folgen beschäftigen. Vielleicht kommt dabei nicht so viel Arbeit auf Sie zu, wie es häufig vermutet wird. Nur, um Gewissheit zu bekommen, sollte man anfangen und mindestens die beiden ersten Schritte aus diesem Beitrag auf jedem Fall durchführen.

PRAXISTIPPS

  • Gründen Sie eine temporäre „Task Force Brexit“, die:

    • direkt an den Vorstand berichtet,
    • uneingeschränkt Zugang zu allen notwendigen Daten und Auskunftspersonen hat;
    • auf der Basis „Interner Revision“, „Grundsatzfragen“, „Risikomanagement“ angesiedelt werden kann;
    • es ist nicht unbedingt erforderlich, ein Projekt dafür ins Leben zu rufen (Stichwort-Proportionalität);
  • Systematische Vorgehensweise bei der „Status Quo-Analyse durch die Bank“:

    • Brainstorming auf der Vorstandsebene: „Welche Abteilungen können vom Brexit betroffen sein?“
    • Auswertung notwendiger Daten aus den IT-Systemen;
    • Interviews mit den zuständigen Sachmitarbeitern, falls nötig
  • Bei Definieren und Bewerten der Handlungsfelder für die betroffenen „Brexit-relevanten Kunden/Produkten“ seien Sie eher vorsichtig und überprüfen Sie die Abhängigkeiten ganz genau;
  • Prüfen Sie kritisch, ob Sie sich von den nach dem Brexit schwierig gewordenen Produkten/Kunden doch trennen sollten:

    • Stichwort – „einvernehmliche Trennung“ nach der Analyse der Wertbeiträge;
  • Seien Sie optimistisch: Bei dieser „Brexit-Vorbereitung“ werden Sie bestimmt andere spannende Handlungsfelder entdecken;
  • Zögern Sie nicht lange, falls Sie keine Lösungen parat haben, holen Sie sich Hilfe: Beim Verband, bei Austausch mit Vorstandskollegen anderer Banken oder bei Experten.



Beitragsnummer: 1156

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