Mittwoch, 3. April 2019

Aufsichtliche Ermittlung und Bedeutung der Eigenmittelzielkennziffer

Dominik Leichinger, Prüfungsleiter, Referat Bankgeschäftliche Prüfungen 2, Hauptverwaltung in NRW, Deutsche Bundesbank[1]

Im Rahmen der Umsetzung der EBA-Leitlinien zu gemeinsamen Verfahren und Methoden für den aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess (SREP) werden für weniger bedeutende Kreditinstitute (less significant institutions, kurz LSI) in Deutschland institutsspezifische Kapitalanforderungen durch die BaFin festgelegt.

Zusätzlich zu den gem. CRR vorzuhaltenden Eigenmitteln für Adressenausfall-, operationelle und Marktpreisrisiken des Handelsbuchs (Kapitalanforderungen nach Säule I) umfasst die institutsindividuell festgesetzte Kapitalanforderung weitere vom Institut als wesentlich eingestufte Risiken. Letztere werden nicht über vorgegebene Berechnungsverfahren in der CRR, sondern im Wesentlichen auf Basis institutsinterner Risikomessmethoden ermittelt. Insofern finden die innerhalb des ICAAP (Säule II) berücksichtigten Risikoarten und -methoden Eingang in die SREP-Kapitalfestsetzung. Da die Kapitalfestsetzung neben Komponenten der Säule I auch solche der Säule II beinhaltet, wird diese häufig auch als sog. Säule I Plus-Ansatz bezeichnet.

Analog zur SREP-Kapitalfestsetzung wird den Kreditinstituten eine Eigenmittelzielkennziffer – kurz EMZK – durch die BaFin mitgeteilt. Im Gegensatz zur SREP-Kapitalfestsetzung, bei der es sich um eine harte Kapitalanforderung handelt (auch als Pillar II Requirements bezeichnet, kurz P2R), stellt die EMZK eine über die SREP-Kapitalfestsetzung hinausgehende aufsichtliche Erwartungsgröße (auch als Pillar II Guidance bezeichnet, kurz P2G) an die Eigenmittelausstattung der Institute dar.

SEMINARTIPPS

RWA-Optimierung bei knapper werdendem Eigenkapital, 21.10.2019, Frankfurt/M.

Übergang Going Concern-Ansatz auf neue normative RTF-Perspektive, 22.10.2019, Frankfurt/M.

Neue ICAAP-/ILAAP-Grundsätze: Herausforderungen für die Banksteuerung, 23.10.2019, Frankfurt/M.

Neue RTF-Praxis:(un)sachgerechte adverse Szenarien als Herausforderung, 24.10.2019, Frankfurt/M.

Barwert(nahe) Steuerung im neuen RTF-Leitfaden für Praxis & Prüfung, 06.11.2019, Hamburg.

In ähnlicher Weise wie der über die SREP-Kapitalfestsetzung hinaus von den Instituten vorzuhaltende Kapitalerhaltungspuffer nach § 10c KWG verfolgt der durch die EMZK vorgegebene Kapitalzuschlag das Ziel einer langfristigen Einhaltung harter Kapitalanforderungen – auch in Stressphasen. Aufgrund der Zielsetzung basiert die Ermittlung der EMZK überwiegend auf Ergebnissen aufsichtlich vorgegebener Stresstests. Noch bilden die im Rahmen der Niedrigzinsumfeld-Umfrage 2017 (kurz NZU 2017) von den Instituten zurückgemeldeten Stresstestergebnisse die Ausgangsbasis. Erst kürzlich hat die Aufsicht ihre aktuelle Stresstestumfrage 2019 zur Einschätzung der Ertragslage und Widerstandsfähigkeit an die Institute adressiert. Die hieraus resultierenden Ergebnisse werden insofern die Ausgangsgrundlage für die Aktualisierung der EMZK bilden.

Auch wenn bisher von der Aufsicht kein konkretes Berechnungsschema zur Ermittlung der EMZK veröffentlicht wurde, so geben die EBA/GL/2018/03 den Rahmen für die Ableitung der P2G-Kapitalanforderungen vor. Demnach sind zur Beurteilung der Eigenkapitalausstattung unter Stressbedingungen sowohl qualitative Erkenntnisse (u. a. Angemessenheit der Risikomanagement-Prozesse) aus dem SREP als auch quantitative Auswirkungen von aufsichtlichen und institutsinternen Stresstests auf die Risikotragfähigkeit eines Instituts zu beachten. Letzteres beinhaltet auch die Stresswirkung auf die regulatorischen Eigenmittel und die Höhe der risikogewichteten Aktiva.

Die mit der EMZK adressierten Kapitalanforderungen können mit denen des Kapitalerhaltungspuffers verrechnet werden. Insofern begründet die EMZK für 2019 nur dann für Institute einen zusätzlichen Kapitalzuschlag, wenn diese oberhalb von 2,5 % liegt (gem. Basel III in 2019 vorzuhaltende Größenordnung für den Kapitalerhaltungspuffer). Sofern die rechnerische EMZK unterhalb der Kapitalpufferanforderungen liegt, wird eine EMZK von null festgesetzt. Der den Kapitalerhaltungspuffer übersteigende Anteil der EMZK kann neben Eigenmitteln gem. § 92 CRR auch durch ungebundene stille Reserven nach § 340f HGB abgedeckt werden.

Anders als bei Unterschreiten der harten SREP-Kapitalanforderungen führt die Nichteinhaltung der EMZK nicht automatisch zu aufsichtsrechtlichen Maßnahmen. Gleichwohl behält sich die Aufsicht, als Konsequenz im Falle einer unterhalb der EMZK liegenden Eigenmittelausstattung, vor, die Aufsichtsintensität bei dem entsprechenden Institut zu erhöhen. In diesem Sinne stellt die EMZK für die Aufsicht eine Art Frühwarnindikator zur Beurteilung der nachhaltigen Angemessenheit der Kapitalausstattung eines Kreditinstituts dar.

Daneben besteht durch den aktualisierten aufsichtlichen Leitfaden zur Ausrichtung der Risikotragfähigkeitskonzepte die Erwartungshaltung, dass innerhalb der normativen Perspektive die EMZK im Planszenario einzuhalten ist.

PRAXISTIPPS

  • Ableitung geeigneter Stresstest-Szenarien, die dem Risikoprofil eines Instituts angemessen Rechnung tragen, unter konsistenter Berücksichtigung von Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Risikoarten.
  • Die Überlegungen eines Instituts zur Wirkungsweise von Stresstests sind nicht nur auf das aktuelle Geschäftsjahr zu begrenzen. Vielmehr ist im Sinne einer vorsichtigen Kapitalplanung zu untersuchen, wie sich Stressereignisse auf den gesamten Kapitalplanungszeitraum auswirken.
  • Durchführung fundierter Analysen zur Wirkungsweise von Stresstests. Neben den Auswirkungen auf regulatorische Größen (normative Perspektive) sollten die Analysen auch die Effekte auf die interne Risikotragfähigkeitsrechnung (ökonomische Perspektive) umfassen.
  1. Die in diesem Aufsatz vertretenen Auffassungen geben die persönliche Meinung des Autors wieder und sind nicht notwendigerweise Positionen der Deutschen Bundesbank oder einer anderen Bankenaufsichtsbehörde.



Beitragsnummer: 1305

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