Mittwoch, 18. November 2020

Umfang vorvertraglicher Aufklärungspflichten bei Fondserwerb

Keine Haftung desjenigen, der von der früheren Gründungs- und Treuhandkommanditistin eines Fonds den Kommanditanteil erwirbt.

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner

 

In einem Fall, in welchem sich der Kapitalanleger als Treugeber an einer GmbH & Co. KG beteiligt hatte, deren Gründungs- und Treuhandkommanditistin ihren Kommanditanteil an die Beklagte verkauft hatte und welche  nunmehr vom Kapitalanleger – anstatt der früheren Gründungs- und Treuhandkommanditistin des Fonds – wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzungen in Anspruch genommen wurde, entschied der Bundesgerichtshof – anders als die beiden Vorinstanzen – in seinem Urteil vom 15.09.2020, Az. II ZR 20/19, WM 2020, 1972, dass der Erwerber des Kommanditanteils des früheren Gründungs- und Treuhandkommanditisten nicht für etwaige vom früheren Kommanditisten begangene vorvertragliche Aufklärungspflichtverletzungen haftet, die der Kapitalanleger der früheren Gründungs- und Treuhandkommanditistin des Fonds zur Last legt. 

 

BUCHTIPP

Ellenberger/Clouth (Hrsg.): Praktikerhandbuch Wertpapier- und Derivategeschäft 5. Aufl. 2018.

 

Zur Begründung führt der Bundesgerichtshof zunächst aus, dass der Gesellschafter einer Personengesellschaft seinen Gesellschaftsanteil mit Zustimmung der übrigen Gesellschafter auf eine dritte Person mit der Wirkung übertragen kann, dass der Erwerber ohne weiteres in die Rechtsstellung eintritt, die bis dahin der Veräußerer innehatte. Diese Rechtsstellung – Gesellschaftsanteil oder Mitgliedschaft – sei wiederum der Inbegriff der Rechtsbeziehungen des Altgesellschafters aus dem Gesellschaftsverhältnis zu der Gesellschaft, zu deren Vermögen und zu den übrigen Gesellschaftern (Rn. 9 u.H.a. BGH, BGHZ 98, 48, 50). Insofern hafte ein neu in eine Kommanditgesellschaft eintretende Kommanditist, wozu auch der Anteilserwerber zähle, auch für die vor seinem Eintritt begründeten Verbindlichkeiten der Gesellschaft nach § 173 HGB. Mit der Übernahme der Rechtstellung des Altgesellschafters könnten daher dem Neugesellschafter auch Verbindlichkeiten des Altgesellschafters gegenüber der Gesellschaft oder gegenüber Mitgesellschaftern aus dem Gesellschaftsverhältnis treffen, nicht jedoch sonstige Verbindlichkeiten des Altgesellschafters (Rn. 9). 

 

Dies zugrunde legend hält der BGH sodann fest, dass es sich bei der Haftungsverpflichtung wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten gerade um eine solche sonstige Verbindlichkeit des Altgesellschafters handelt, für welche die Gesellschaft nicht haftet. Zwar sei die frühere Gründungs- und Treuhandkommanditistin als nicht nur kapitalistisch beigetretene Altgesellschafterin und mithin Vertragspartnerin des Aufnahmevertrages mit dem Kapitalanleger vorvertraglich zu dessen Aufklärung verpflichtet und demgemäß bei Verletzung dieser Pflicht diesem gegenüber auch schadensersatzpflichtig. Diese Schadensersatzverpflichtung treffe aber nur den Altgesellschafter und nicht auch die Gesellschaft selbst. Diese Verpflichtung könne wiederum der Gesellschaft auch nicht zugerechnet werden (Rn. 10 u.H.a. BGH, WM 2004, 1823, 1823 – 2019 – u. WM 2018, 724). 

 

SEMINARTIPPS

(Neue) Haftungsrisiken im Wertpapiergeschäft: Anleihen und Zertifikate, 03.05.2021, Zoom.

(Neue) Haftungsrisiken im Wertpapiergeschäft, 04.10.2021, Frankfurt/M.

 

Vor diesem Hintergrund gelangt der Bundesgerichtshof insgesamt zum Ergebnis, dass der durch Erwerb des Kommanditanteils der früheren Gründungs- und Treuhandkommanditistin neu eintretende Kommanditist nicht für eine vorvertragliche Aufklärungspflichtverletzung des früheren Gründungs- und Treuhandkommanditisten haftet. 

 


Beitragsnummer: 13984

Beitrag teilen:

Beiträge zum Thema:

Beitragsicon
Nachhaltigkeit in der Finanzbranche bzw. Anlageberatung

Der nachfolgende Artikel zeigt auf, vor welchen rechtlichen Herausforderungen und Anforderungen die Finanzinstitute bei dem Thema Nachhaltigkeit stehen.

30.11.2023

Beitragsicon
Vermutung beratungsgerechten Verhalten

Neue BGH-Rechtsprechung: keine automatische Vermutung beratungsgerechten Verhalten des Notars - Gilt dieses auch bei der Wertpapieranlageberatung?

21.08.2023

Beitragsicon
Vorrang der spezialgesetzlichen Prospekthaftung!

Rechtsprechung zur erweiterten spezialgesetzlichen Prospekthaftung aufgrund einer an die Vertriebsverantwortung anknüpfenden Haftung der Altgesellschafter

21.08.2023

Um die Webseite so optimal und nutzerfreundlich wie möglich zu gestalten, werten wir mit Ihrer Einwilligung durch Klick auf „Annehmen“ Ihre Besucherdaten mit Google Analytics aus und speichern hierfür erforderliche Cookies auf Ihrem Gerät ab. Hierbei kommt es auch zu Datenübermittlungen an Google in den USA. Weitere Infos finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen im Abschnitt zu den Datenauswertungen mit Google Analytics.