Dr. Roman Jordans, (LL.M.), NZ, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, CBH Rechtsanwälte, Köln
Einleitung
Die Kreditwirtschaft verwendet seit Jahren AGB, die vorsehen, dass Änderungen dieser AGB wie folgt ermöglicht werden: Dem Kunden wird die beabsichtigte Änderung mindestens zwei Monate vor dem geplanten Inkrafttreten mitgeteilt und er wird darauf hingewiesen, dass er widersprechen und kündigen kann; sofern er jedoch nicht reagiert, gilt sein Schweigen als Zustimmung zur Änderung.
Auch wenn dem Schweigen (des nichtkaufmännischen Kunden) im Rechtsverkehr grundsätzlich keine Bedeutung zukommt, ist dies hier anders, da in den AGB gerade vereinbart wurde, dass das Schweigen die Bedeutung der Zustimmung haben soll.
Verbraucherschutzverbände hatten dies moniert, die Vorinstanzen hatten die Klagen aber abgewiesen, da – jedenfalls – das (auf europarechtlichen Vorgaben basierende) Zahlungsverkehrsrecht in § 675g BGB eine entsprechende Regelung vorsieht, so dass die Regelung der Banken auch außerhalb des Zahlungsverkehrsrechts kaum einen Gesetzesverstoß darstellen könne.
Entscheidung des BGH
Dies hat der BGH nun anders entschieden und sich dabei insbesondere auf eine Entscheidung des EuGH (Urt. v. 11.11.2020 - C-287/19, „DenizBank“, WM 2020, 2218) berufen, die auf Vorlage des obersten österreichischen Gerichtshofs ergangen war. Dort hatte der EuGH entschieden, dass die Vorgaben des Zahlungsverkehrsrechts bei Verbraucherbeteiligung im Lichte der verbraucherschützenden Klauselrichtlinie EG/93/13 auszulegen sind.
Daher hat der BGH nun (ausweislich der bisher lediglich vorliegenden Pressemitteilung) die Unwirksamkeit der Regelung darauf gestützt, dass auch eine nach Zahlungsverkehrsrecht wirksame Regelung den Anforderungen an eine AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB standhalten müsse.
Begründung des BGH
Die Klauseln unterliegen vollumfänglich der AGB-Kontrolle, auch soweit sie Zahlungsdiensterahmenverträge erfassen. Denn § 675g BGB sperrt die Anwendung der §§ 307 ff. BGB nicht.
Die Klauseln, die so auszulegen sind, dass sie sämtliche im Rahmen der Geschäftsverbindung geschlossenen Verträge der Beklagten mit ihren Kunden wie etwa auch das Wertpapiergeschäft und den Sparverkehr betreffen, halten der eröffneten AGB-Kontrolle nicht stand.
Die streitgegenständliche Klausel zur Änderung von AGB ermöglicht nicht nur Anpassungen von einzelnen Details der vertraglichen Beziehungen der Parteien mittels einer fingierten Zustimmung des Kunden, sondern ohne inhaltliche oder gegenständliche Beschränkung jede vertragliche Änderungsvereinbarung. Damit weicht sie von wesentlichen Grundgedanken der § 305 Abs. 2, § 311 Abs. 1, §§ 145 ff. BGB ab, indem sie das Schweigen des Verwendungsgegners als Annahme eines Vertragsänderungsantrags qualifiziert. Diese Abweichung benachteiligt die Kunden der Beklagten unangemessen nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.
Für so weitreichende, die Grundlagen der rechtlichen Beziehungen der Parteien betreffende Änderungen, die dem Abschluss eines neuen Vertrags gleichkommen können, ist vielmehr ein den Erfordernissen der § 305 Abs. 2, § 311 Abs. 1, §§ 145 ff. BGB genügender Änderungsvertrag notwendig.
PRAXISTIPPS
- Institute sollten entsprechende Klauseln aus den AGB entfernen.
- Belastbare Analyse ist erst nach Veröffentlichung der ausführlichen Entscheidungsbegründung möglich.
- Dann wird zu prüfen sein, ob die Unwirksamkeit nur gegenüber Verbrauchern gilt oder allgemein.
- Auch wird zu prüfen sein, welche „inhaltlichen Einschränkungen“ dazu führen könnten, dass der AGB-Änderungsmechanismus weiter verwendet werden kann.
- Fraglich ist, ob sich Rückforderungsansprüche von Kunden ergeben, wenn Entgelte über den nun unwirksamen Mechanismus erhöht wurden.
Beitragsnummer: 18194