Andrea Neuhof, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner
Mit Urteil vom 27.01.2021 – 3 StR 628/19 – (WM 2021, 796) hat der Bundesgerichtshof ein Urteil des Landgerichts Duisburg vom LG Duisburg vom 28.03.2019 – 34 KLs 10/14 – betreffend den Freispruch zweier Vorstände und eines Abteilungsleiters einer Bank aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das Landgericht Düsseldorf zurückverwiesen. In dem gegenständlichen Fall waren zwei ehemalige Vorstände eines regionalen Kreditinstituts wegen Untreue im Verhältnis zu ihrer ehemaligen Arbeitgeberin im Zusammenhang mit einer im Nachhinein als unvertretbar eingestuften Kreditvergabe angeklagt, ein ehemaliger mit der streitgegenständlichen Kreditvergabe befasster Abteilungsleiter wegen diesbezüglicher Beihilfe. Hintergrund war die missglückte Sanierungsaktion einer wirtschaftlich angeschlagenen Firmenkundin (im Folgenden „Schuldnerin“).
SEMINARTIPP
Das neue Unternehmensstrafrecht "Verbandssanktionengesetz - VerSanG", 23.06.2021, Zoom.
Die Schuldnerin war zur Zeit der streitgegenständlichen Kreditvergabe ein Sanierungsfall. Aufgrund eines Fehlers im seinerzeit in Auftrag gegebenen Sanierungsgutachten hatten die Beteiligten zunächst eine Liquiditätslücke der Schuldnerin übersehen. Hintergrund war eine unberücksichtigt gebliebene Abnahmeverpflichtung von Rohmaterial – pikanterweise von einer anderen Firma, die bei dem Kreditinstitut ebenfalls als Sanierungsfall geführt wurde. In Reaktion hierauf gewährte das Kreditinstitut auf Grundlage eines Votums ihres Abteilungsleiters sowie einer entsprechenden Entscheidung der beiden Vorstände einen Kredit über 600.000,00 €, allerdings nicht an die Schuldnerin, sondern formal an die Sanierungsgutachterin. Diese wiederum leitete den Kredit vereinbarungsgemäß taggleich an die Schuldnerin weiter. Eine Absicherung des Kredits durch die Sanierungsgutachterin gegenüber dem Kreditinstitut erfolgte lediglich in Form einer Bürgschaft über 100.000,00 € durch die solventen Gesellschafter der Sanierungsgutachterin. Weitere Sicherheiten wurden nicht bestellt.
Auf beide Darlehen (sowohl im Verhältnis Schuldnerin-Sanierungsgutachterin als auch im Verhältnis Sanierungsgutachterin-Kreditinstitut) erfolgten weder Zins- noch Tilgungsleistungen.
Das Landgericht Duisburg hatte eine Strafbarkeit der Angeklagten noch verneint, da die darlehensnehmende Sanierungsgutachterin seinerzeit als solvent gegolten habe und demgemäß keine Pflichtverletzung der Angeklagten erkennbar sei. Auf die hiergegen eingelegte Revision hat der BGH das Urteil aufgehoben und unter Verweis auf die Regelung des § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO eine Zurückverweisung an das LG Düsseldorf ausgesprochen.
Der BGH verweist zunächst auf seine ständige Rechtsprechung, wonach es regelmäßig zu den Sorgfaltspflichten der Vorstandsmitglieder von Kreditinstituten gehöre, eine umfassende Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse von Kreditnehmern, der beabsichtigten Verwendung von Krediten sowie der Einschätzung der damit verbundenen Chancen und Risiken vorzunehmen (vgl. bereits BGH, Urteile vom 06.04.2000 – 1 StR 280/9 – und vom 15.11.2001 – 1 StR 185/01). Dabei komme es namentlich auch auf die Bewertung vorhandener Sicherheiten an. Wiege der Verstoß gegen die bei der Kreditvergabe zu beachtenden Sorgfaltspflichten schwer, führe er schon für sich gesehen zu einer Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB.
Vor diesem Hintergrund sei die Kreditvergabe an die Sanierungsgutachterin gegen Besicherung in Höhe von lediglich 1/6 der Kreditsumme entgegen der Auffassung des Landgerichts Duisburg als unvertretbar einzustufen. Hinzu komme, dass die Sanierungsgutachterin das Darlehen aus eigenen Mitteln voraussichtlich nicht habe zurückzahlen können. Die Rückzahlung sei in erster Linie davon abhängig gewesen, ob die Schuldnerin ihrerseits das an sie durchgeleitete Darlehen an die Sanierungsgutachterin hätte zurückzahlen können, woran aufgrund der bekannten Umstände offenbar durchaus berechtigte Zweifel bestanden.
Eine gewisse „Hintertür“ für die Angeklagten ließ der BGH insoweit offen, als die streitgegenständliche Kreditierung seiner Einschätzung nach durchaus als eine Art verkappte Sanierungsfinanzierung der Schuldnerin zu sehen und ggf. auch anzuerkennen sein könne, soweit diese wiederum Teil eines belastbaren und den höchstrichterlichen Anforderungen gerecht werdenden Sanierungskonzepts sei. Da insoweit jedoch die erforderlichen Feststellungen seitens des Landgerichts fehlten, erfolgte die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Düsseldorf.
PRAXISTIPP
Das BGH-Urteil vom 27.01.2021 stellt keineswegs den Schlusspunkt in dieser Sache dar. Vielmehr wurde der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf zurückverwiesen.
Die Umstände des der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts – soweit bekannt – lassen freilich auf einen nicht ganz alltäglichen Sonderfall schließen. Gleichwohl kann die Entscheidung durchaus als Fingerzeig wie auch als Warnung verstanden werden, sich im Rahmen der Vergabe von (Sanierungs-)Krediten nicht vorschnell zu sicher zu sein.
Neben den strafrechtlichen Risiken der verantwortlichen Geschäftsleiter stehen in Fallkonstellationen wie vorliegender noch zahlreiche weitere Haftungstatbestände – insbesondere aus Sicht der finanzierenden Bank – im Raum, deren Verwirklichung zum Teil erheblich geringeren Voraussetzungen unterliegt als der Untreuetatbestand. Zu nennen wären hier unter anderem der sittenwidrige Sanierungskredit, diverse Insolvenz- und Gläubigeranfechtungstatbestände, Schadenersatzansprüche gegenüber konkurrierenden Gläubigern sowie eine mögliche Beihilfe zur Insolvenzverschleppung.
Nicht zuletzt aus diesem Grunde ist insoweit bei der Vergabe „echter“ wie auch „verkappter“ Sanierungskredite nach wie vor eine erhöhte Sorgfalt anzumahnen.
Beitragsnummer: 18223