Dienstag, 25. Mai 2021

Baufinanzierung – Digital oder von der Stange?

Der direkte Weg zum Kunden ist für Banken im Rahmen einer modernen Baufinanzierung wichtig. Digitale Ansätze bieten die größten Chancen, das zu erreichen.

Christian Piller, Product Director Banking, Collenda GmbH, Carsten Schnell, Vertriebsleiter LORA Prozesslösung[1]

 Die Ausgangslage

Der Immobilienboom ist weiterhin im vollen Gange. Für Banken ist die Baufinanzierung trotz sinkender Margen eines der wenigen lukrativen Geschäftsfelder in einem ansonsten schwierigen Marktumfeld geblieben. Doch das Business unterliegt einem dramatischen Wandel. Spätestens die Corona-Pandemie hat den Umgang mit digitalen Lösungen erheblich verändert. Ob Online-Shopping, Urlaubsbuchung oder Videokonferenz – Nutzung und Akzeptanz digitaler Produkte und Dienstleistungen sind auf Höchstniveau. Auch Bankgeschäfte werden längst wie selbstverständlich am eigenen Laptop erledigt. Doch haben sich alle Kreditinstitute schon auf die veränderte Customer Journey eingestellt? Klar ist: Banken, die sich nicht schnell genug an das neue Terrain und die sich wandelnden Kundenerwartungen anpassen, werden es in Zukunft schwer haben.

 Die Kundensicht

Die Baufinanzierung ist für die Bankberaterin oder den Bankberater das tägliche Brot. Viele potentielle Bauherr:innen kaufen ihr Häuschen oder die Wohnung hingegen nur einmal im Leben. Sie sehen sich mit einer Flut von Vorgaben und Anforderungen konfrontiert. Die Baufinanzierung ist für sie eine Papierschlacht. Zahlreiche Unterlagen wie z. B. Einkommensnachweise, Vermögensübersicht, Grundbuchauszug, Bauplan oder Baukostenschätzung müssen digital und in physischer Form zusammengetragen und beim Kreditinstitut eingereicht werden. Das umfangreiche Vertragswerk – i. d. R. im komplizierten Bankendeutsch verfasst – überfordert viele Bauherr:innen. 

Unter den aktuellen Bedingungen des Immobilienbooms kommt hinzu, dass Geschwindigkeit gefragt ist. Die Konkurrenz um die Filetstücke ist insbesondere in den Großstädten ausgeprägt. Oft bekommt der- oder diejenige Interessent:in den Zuschlag, der oder die zuerst eine Finanzierung stehen hat. Oft ist die Zeit zu knapp, um sich entsprechende Vergleichsangebote einzuholen. Ein Kraftakt.

Eine moderne Baufinanzierung muss demnach schnell sein und wettbewerbsfähige Konditionen bieten. Bauherr:innen insbesondere jüngerer Generationen bevorzugen einen digitalen Prozess. Sie erwarten nicht nur eine Checkliste der benötigten Unterlagen, sie möchten alle Unterlagen per E-Mail, im Kundenportal oder der App sofort hochladen können – am besten per Foto mit dem Smartphone und direkt per OCR überprüft. Selbstverständlich ist, jederzeit den Bearbeitungsstatus des Antrags einsehen zu können. Eine integrierte Immobilienbewertung bietet einen echten USP in Sachen Geschwindigkeit und einen Mehrwert für den Kunden. Online-Identverfahren und die QES zum Unterschreiben des Vertrags werden ebenfalls mehr und mehr akzeptiert und erwartet.

Die Banksicht 

Der Kosten- und Zeitdruck ist in vielen Kreditinstituten aufgrund sinkender Margen immens. Trägheit ist in Hochgeschwindigkeitsmärkten wie dem Finanzsektor allerdings ein Vabanquespiel. Dennoch tun sich viele Kreditinstitute bei der digitalen Transformation noch immer überraschend schwer. Dabei verhelfen schlanke digitale Prozesse auch innerhalb der Organisation zu einem echten Wettbewerbsvorteil.

Langwierige Freigabe- und Bearbeitungsschleifen bei der klassischen Baufinanzierung bremsen die Produktivität. Wenn Anträge ausgedruckt werden und in Papierform verschiedene Abteilung durchlaufen müssen, dauert das i. d. R. zu lange. Durch digitale Abläufe mit integrierten automatischen Prüfmechanismen können zweifellos Personalressourcen geschont werden. Ein medienbruchfreier Prozess bei der Baufinanzierung verhilft zudem zu mehr Geschwindigkeit. Gleichzeitig reduzieren festgelegte Abläufe innerhalb einer digitalen Kreditantragstrecke Fehler. Durch ihre einfache Skalierbarkeit können auch größere Antragsvolumina spielend bewältigt werden. Dies ist insbesondere aktuell von großer Bedeutung, in einer Zeit, in der man nur mit Baufinanzierung akzeptable Margen und Gewinne erzielen kann. 

Die Zeit für die digitale Transformation wird allerdings knapp. Der schnelle Markteintritt ist ein wichtiger Erfolgsfaktor. Die Innovationszyklen verkürzen sich von Tag zu Tag – und die Konkurrenz ist i. d. R. nicht untätig.

Die regulatorische Sicht

Informationen im Finanzsektor müssen i. d. R. besonders sensibel gehandhabt werden. Aus diesem Grund ist der Markt stark reguliert, und die aufsichtsrechtlichen Anforderungen steigen zunehmend. Neben den Regeln durch die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) oder die typischen Bankregelungen des KWG und BGB müssen bei der Baufinanzierung weitere aufsichtsrechtliche Regelungen wie die Wohnimmobilienkreditrichtlinie (WoKRi) berücksichtigt werden. Diese Vorschriften umfassen bspw. eine umfassendere Bonitätsanalyse mit Blick auf die gesamte Kreditlaufzeit und die Lebenssituation des Darlehensnehmers oder die genaue Erläuterung von Risiken durch die VVI. Weitere Anforderungen ergeben sich aus der Preisangabeverordnung (PangV) zur Darstellung des Angebots und aus der MaRisk.

Die aufsichtsrechtlichen Vorgaben für die Beleihungswertermittlung wurden durch die nationale Aufsicht bei den Banken und Sparkassen in den vergangenen 20 Jahren kontinuierlich verschärft. Dies betraf neben der Qualifikation der Gutachter und der Beteiligten im Wertermittlungsprozess die inhaltliche Ausgestaltung der Gutachten sowie der Unterlagen bis hin zu der verwendeten Datengrundlage. 

Weitere Aspekte rücken nun auch durch die europäische Aufsicht in den Fokus. Dabei steigen nunmehr auch die Anforderungen an die Wertermittlung als Grundlage für die Kreditentscheidung. Auch hier müssen künftig Datengrundlage, Bewertungsmethode und Qualifikation des Anwenders sowie dessen Unabhängigkeit beachtet werden. Für eine effiziente und zeitnahe Kreditentscheidung ist daher ein integriertes System der Wertermittlung von der Wertindikation zum Gutachten Voraussetzung. 

PRAXISTIPPS (Zusammenfassung)

  • Die Anforderungen an eine moderne Baufinanzierung haben sich verändert. Kund:innen erwarten heute bei ihrem „BauFi“-Antrag schlanke digitale Prozesse. Geschwindigkeit spielt dabei eine herausragende Rolle. Das gilt sowohl für die Antragsstellung als auch für die Bearbeitung innerhalb der Bank.
  • Ein zweiter wichtiger Faktor ist größtmögliche Transparenz. Potentielle Bauherr:innen können im Internet mit wenigen Klicks Vergleichsangebote einholen. Auch auf Seite der Kreditinstitute ist eine Digitalisierung bei der Baufinanzierung unabdingbar. Personalressourcen werden durch automatisierte Prozesse geschont, die Geschwindigkeit beim Abschluss deutlich erhöht.

 

[1] In unserem Video-Konferenz-Format FCH TopPartner am 28.06.2021 von 14:00 bis 15:30 Uhr referieren die beiden Autoren zum Thema „Baufinanzierung – Digital oder von der Stange? Digitale Lösungsansätze für den direkten Weg zum Kunden!“. Die Teilnahme ist kostenfrei.

 


Beitragsnummer: 18230

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