Mittwoch, 16. Juni 2021

Digitalisierung des Vertriebs in der Finanzwirtschaft

Um den hohen Ansprüchen von Kunden gerecht zu werden, braucht es optisch ansprechende Angebote, die schnell zum Ziel führen und einen echten Mehrwert bieten

Thorsten May, Managing Director DACH, Avenga Germany

Banken und Finanzdienstleister, die Kunden gewinnen und binden möchten, müssen heute exzellente digitale Angebote bereitstellen. Denn schon seit Jahren setzen Verbraucher immer stärker auf das Internet, sei es, um an Informationen zu kommen, Produkte zu vergleichen oder Transaktionen zu tätigen – und zwar generationsübergreifend. Corona hat diesen Trend noch einmal erheblich verstärkt.

Laut einer im Juni 2021 veröffentlichten, repräsentativen Umfrage des Digitalverbands Bitkom etwa, haben viele Senioren ab 65 Jahren im vergangenen Jahr erstmals ihre Bankgeschäfte online abgewickelt. Insgesamt war bei diesen ein Anstieg von 22 auf 39 % zu verzeichnen, so dass nun 6,5 Millionen Senioren Online-Banking nutzen – im Vorjahr waren es noch lediglich 3,7 Millionen. Die 16- bis 49-Jährigen erledigen fast alle Bankgeschäfte über das Internet, so dass im Durchschnitt acht von zehn Bundesbürgern von dieser Option Gebrauch machen.

 

Qualität der App wichtiger als Marke der Bank oder Beratung am Schalter

Bei der Auswahl ihrer Bank achten Kunden nach eigenen Angaben inzwischen stark auf digitale Angebote. So folgt auf die drei Hauptkriterien „Höhe der Einlagensicherung“ (98 %), die „Höhe der Bankgebühren“ (97 %) und „kostenlos nutzbare Geldautomaten“ (97 %) bereits eine benutzerfreundliche Online-Banking-App (86 %). Zwei Drittel (67 %) achten zudem auf eine breite Angebotspalette beim Online-Banking. Zum Vergleich: Gerade einmal 60 % wollen eine bekannte Marke, noch weiter abgeschlagen folgen die persönliche Beratung am Schalter sowie eine leichte Erreichbarkeit der Filiale (jeweils 58 %). „Digitale Angebote werden von Kundinnen und Kunden längst nicht mehr als Nice-to-have angesehen. Sie spielen eine entscheidende Rolle bei der Auswahl der Bank“, konkludiert Bitkom-Präsident Achim Berg.

 

Deutsche Finanzwirtschaft hinkt beim Thema Digitalisierung hinterher

Bislang sind die Erfolge der deutschen Finanzbranche in Sachen Digitalisierung allerdings überschaubar. In der Untersuchung „Potenzialanalyse Reality Check Digitalisierung“ beispielsweise gaben 41 % der befragten Vertreter aus Banken, Versicherungen und sonstigen Finanzdienstleistern zu Protokoll, dass sie sich nicht auf Augenhöhe mit dem internationalen Wettbewerb fühlen. Das war deutlich mehr als in den anderen befragten Branchen. Kritisiert wurde an erster Stelle die Langsamkeit von Innovationen, gefolgt vom Mehraufwand für Mitarbeiter, etwa aufgrund von mangelnder Benutzerfreundlichkeit oder technischen Problemen, die ein manuelles Eingreifen erfordern.

Dies zeigt: Benötigt werden nicht irgendwelche Lösungen, sondern solche, mit spürbarem Zusatznutzen. Dazu müssen sich Anwendungen an der Lebenswelt der Mitarbeiter beziehungsweise der Kunden und ihren situationsspezifischen Bedürfnissen orientieren und einen echten Mehrwert bieten.

 

Historisch gewachsene IT-Landschaft stellt Finanzdienstleister vor Herausforderung

Bei der Entwicklung und Bereitstellung von Anwendungen mit intuitiven Benutzerschnittstellen, die Prozesse optimal unterstützen und effizient zum gewünschten Ziel führen, sehen sich Banken und Finanzdienstleister allerdings mit einer großen Herausforderung konfrontiert. „Eine der zentralen Schwachstellen von Banken und Versicherungen bei der Umsetzung von neuen Strategien sind die historisch gewachsenen und veralteten Individual-Software-Landschaften. Viele Anwendungen sind zu Monolithen geworden“, bringt es Mario Zillmann, Autor der Lünendonk-Studie „Digital Outlook 2025: Financial Services“ auf den Punkt.

 

MVPs sowie Front- und Backend-Trennung führen zu überzeugenden Ergebnissen

Basierend auf unserer Erfahrung aus vielen erfolgreichen Digitalisierungsprojekten im Bereich der Finanzwirtschaft, gibt es zwei Punkte, die die Bereitstellung kundenzentrierter Angebote enorm erleichtern und beschleunigen:

  1. Trennung von Front- und Backend: Damit Softwarelösungen Prozesse vereinfachen können, müssen ihre Frontends auf Daten in den Kernsystemen zugreifen können. Diese historisch gewachsenen „Monolithen“ sind jedoch auf Stabilität und Sicherheit ausgelegt, um einen reibungslosen Ablauf des alltäglichen Geschäfts sowie die Einhaltung von gesetzlichen Bestimmungen zu garantieren. Müssen sich Benutzerschnittstellen nach den hier etablierten Prozessen richten, wird die Nutzererfahrung oft negativ beeinflusst. Als Lösung eignet sich die Trennung von Front- und Backend mittels einer zusätzlichen Softwareschicht, die als eigenständige Entwicklungsebene fungiert und Daten aller Art bidirektional übermittelt. So können die stabilen Systeme im Hintergrund unberührt bleiben, während das User Interface frei von den dort vorhandenen Architekturen und Einschränkungen flexibel entwickelt wird. Auch spätere Anpassungen an sich stetig und immer schneller ändernde Kundenbedürfnisse lassen sich derart leicht umsetzen.
  1. Lösungsentwicklung mittels eines MVPs: Sicherzustellen, dass digitale Angebote die Bedürfnisse der gewünschten Nutzer optimal adressieren, ist ein schwieriges Unterfangen. Bei einem „minimum viable product“ liegt der Fokus daher zunächst auf einem Basisumfang an Funktionen, die Anwendern direkt einen Mehrwert bieten. Weitere Features werden erst im Anschluss implementiert. Dies ermöglicht eine schnelle Time-to-Market und es lässt sich direkt prüfen, ob sämtliche Ausstattungsmerkmale ihren Zweck erfüllen. Ist dies nicht der Fall, kann auf Änderungswünsche direkt reagiert werden – was deutlich kostengünstiger ist, als ein bereits weiter entwickeltes Produkt zu überarbeiten.

Zu den Unternehmen, die von den beiden beschriebenen Ansätzen bereits profitieren, gehören beispielsweise die Avenga-Kunden HDI und Swiss Life. Wenn Sie herausfinden möchten, warum darüber hinaus auch die Liechtensteinische Landesbank, Santander oder UBS auf unsere Expertise bei der Umsetzung digitaler Projekte vertrauen, empfehle ich Ihnen unser Whitepaper „Digitale Transformation der Finanzwirtschaft“.

PRAXISTIPPS

Die Erwartungshaltung an digitale Angebote hat sich durch Unternehmen wie Netflix, Spotify oder Amazon grundlegend geändert. Damit auch Sie Ihre Kunden durch eine herausragende User Experience überzeugen, gilt es folgende Punkte zu beachten:

  • Der Kunde ist Ausgangspunkt aller Überlegungen: Lösungen müssen sich konsequent an ihrem individuellen Nutzungskontext in der Lebenswelt der Anwender orientieren.
  • Einfache Modernisierung: Kundenwünsche und -bedürfnisse entwickeln sich immer weiter. Um ihnen gerecht zu werden, müssen Online-Angebote das Gleiche tun.
  • Effiziente Skalierbarkeit: Damit Web-Auftritte mit einem konstanten Look-and-feel über sämtliche Haupt- und Unterseiten überzeugen, empfiehlt sich der Einsatz von Pattern-Libraries.
  • Weniger ist (zunächst oft) mehr: Um eine schnelle Time-to-Market sowie eine hohe Kundenzentriertheit zu gewährleisten, empfiehlt sich die Lösungsentwicklung mittels eines Minimum Viable Products (MVP).

Beitragsnummer: 18241

Beitrag teilen:

Beiträge zum Thema:

Beitragsicon
KI-Implementierung im standardisierten Bankgeschäft

Nachfolgender Artikel hebt ausgewählter Anwendungsmöglichkeiten aus Finanzdienstleistungssicht inkl. praxisorientierter Tipps zur Implementierung hervor.

13.03.2024

Beitragsicon
Online-Banking-Betrug im Zahlungsverkehr – was müssen Banken beachten?

Lassen sich die rechtlichen Risiken von Online-Banking-Betrugsfällen minimieren, ggf. komplett verhindern?

15.03.2024

Um die Webseite so optimal und nutzerfreundlich wie möglich zu gestalten, werten wir mit Ihrer Einwilligung durch Klick auf „Annehmen“ Ihre Besucherdaten mit Google Analytics aus und speichern hierfür erforderliche Cookies auf Ihrem Gerät ab. Hierbei kommt es auch zu Datenübermittlungen an Google in den USA. Weitere Infos finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen im Abschnitt zu den Datenauswertungen mit Google Analytics.