
Mag. Michael Hammer, Mitglied der Arbeitsgruppe Finanzinstrumente, Austrian Financial Reporting and Auditing Committee (AFRAC)

Dr. Christian Schiele, Head of Regulatory, Wüstenrot Gruppe

Privat-Doz. Dr. Thomas Stern, stellvertretender Leiter Bankenaufsicht der FMA Liechtenstein, Privatdozent an der Universität Liechtenstein
I. Hintergrund und Status Quo
„Benchmarks“, d. h. Referenzwerte[1], gelten als zentrale Bestandteile zahlreicher Finanzkontrakte, z. B. variabel verzinster Kredite und Zinsderivate. Dadurch spielen diese Referenzwerte eine fundamentale Rolle innerhalb des Finanzsystems und können ebenso Risiken für die Finanzmarktstabilität generieren.[2] Im Jahr 2011 wurde das Vertrauen in Benchmarks, insbesondere durch die Manipulationen der Referenzzinssätze London Interbank Offered Rate („LIBOR") und Euro Interbank Offered Rate („EURIBOR"), zutiefst erschüttert.[3] Den Panelbanken warf man vor, Zinssätze derart zu melden, sodass deren milliardenschweren Derivateportfolien profitieren.[4] Während die Reputations- und rechtlichen Risiken im Themenfeld der Geldmarkt-Referenzzinssätze weiterhin hoch sind, ist die Anzahl der Panelbanken drastisch zurückgegangen. Durch das kontinuierliche quantitative easing der Zentralbanken und der damit verbundenen aufgeblähten Geldmenge nahm auch der Bedarf an Interbankrefinanzierung weiter ab; und damit auch das – als Grundlage der LIBOR-Preisbildung notwendige – Transaktionsvolumen im Geldmarkt.
Als Reaktion auf den Manipulationsskandal forderten sowohl das Financial Stability Board (FSB) als auch IOSCO eine globale Neuregelung von Benchmark-Referenzwerten. In Europa wurde im Jahr 2018 ein wichtiger Schritt mit der Benchmark-Verordnung[5] getan. Bemerkenswert erscheint, dass die Frage, ob LIBOR – aus materieller Sicht – überhaupt ein geeigneter Referenzzinssatz ist, erst im Zuge der Aufarbeitung des Manipulationsskandals diskutiert wurde. Schließlich inkludiert die Methode des LIBOR das typische Element der „Bankbonität“, womit die Benchmark kaum als risikoloser Referenzzinssatz bezeichnet werden kann.
Der vorliegende Beitrag zeigt neben der Darstellung der regulatorischen Grundlagen die Auswirkungen der Benchmark-Reform auf ausgewählte Elemente der Gesamtbanksteuerung.
II. Rechtliche Rahmenbedingungen
Um zukünftigen Missbrauch zu verhindern und ein Mindestmaß an europäischer Harmonisierung zu erreichen, schlug die Europäische Kommission im September 2013 den Erlass einer Verordnung über Indizes, die bei Finanzinstrumenten und Finanzkontrakten als Referenzwert oder zur Messung der Wertentwicklung eines Investmentfonds verwendet werden (im Folgenden: „Benchmark-Regulation“ oder „BMR“) vor.[6] Mittlerweile ist die BMR seit 01.01.2018 in Geltung (Art. 59 BMR). Um Einflussmöglichkeiten in Referenzwerte („BM“) zu vermeiden, müssen BM nun bestimmte Mindestanforderungen erfüllen. Dazu gehören unter anderem eine ausreichend große Datenbasis, Transparenz und ein regelmäßiger Review. Ferner fixiert die BMR die behördliche Zulassung bzw. Registrierung von BM-Administratoren.[7] Marktteilnehmer in der EU dürfen BM, die in einem Drittstaat verwaltet werden, bis Ende Dezember 2021 weiterverwenden.[8]
Seit erstmaliger Geltung wurde die BMR in ihrer Stammfassung schon zweimal novelliert.
Die erste Novelle[9] fokussiert auf Nachhaltigkeitselementen und ergänzt die BMR unter anderem um zwei neue Referenzwerte, einerseits den EU-Referenzwert für den klimabedingten Wandel (Art. 3 Abs. 1 Nr. 23a BMR), andererseits den Paris-abgestimmten EU-Referenzwert (Art. 3 Abs. 1 Nr. 23b BMR). Ferner sollen Administratoren, die signifikante BM bereitstellen, bis zum 01.01.2022 einen oder mehrere EU-Referenzwerte für den klimabedingten Wandel offenlegen (vgl. Art. 19d BMR).[10] [...]
Beitragsnummer: 18277