Freitag, 6. August 2021

VG Frankfurt hebt Untersagungsverfügung der BaFin auf

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner

Eine Bank, deren geschäftlicher Schwerpunkt auf der Vermittlung von Wertpapiergeschäften als „online-Broker“ liegt, hatte versucht, bei ihren Bestandskunden Negativzinsen i. H. v. 0,4 % p. a. einzuführen. Um dies zu verhindern, untersagte die BaFin der Bank in einer Verfügung nach § 4 Abs. 1a FinDAG, Negativzinsen zu erheben. Dagegen wehrte sich die Bank. 

Das Verwaltungsgericht Frankfurt hat die entsprechende Untersagungsverfügung der BaFin nunmehr mit Urt. v. 24.06.2021, Az. 7 K 2237/20.F (BeckRS 2021, 17307), aufgehoben. Zur Begründung weist das Verwaltungsgericht Frankfurt darauf hin, dass das Ergreifen von Maßnahmen durch die BaFin nach § 4 Abs. 1a FinDAG dann nicht geboten ist, wenn zur selben Problematik bereits mehrere Verfahren vor Zivilgerichten anhängig seien (vgl. Rn. 24–28; Rn. 28). Der Gesetzgeber habe nämlich in der Begründung zu § 4 Abs. 1a FinDAG deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Eingriffsbefugnisse der BaFin nach § 4 Abs. 1a FinDAG nur subsidiär und daher nur dann i. S. v. § 4 Abs. 1a FinDAG geboten seien, wenn nicht schon im ordentlichen Rechtsweg den Belangen des Verbraucherschutzes in hinreichender Weise Genüge getan werde (Rn. 27 f.). Da wiederum im Hinblick auf die Erhebung von Negativzinsen und in Bezug auf die Änderung von AGB-Banken bereits vor den Oberlandesgerichten und dem Bundesgerichtshof mehrere Verfahren anhängig seien, sei die von der BaFin erlassene streitgegenständliche Verfügung nicht i. S. v. § 4 Abs. 1a FinDAG geboten gewesen (Rn. 31 ff.). 

Da das Verwaltungsgericht Frankfurt die Berufung zugelassen hat, bleibt abzuwarten, ob die BaFin Berufung einlegt und wenn ja, ob auch das Berufungsgericht die Auffassung des Verwaltungsgerichts Frankfurt teilen wird, wofür Vieles spricht (vgl. hierzu Buck-Heeb, BKR 2021, 141 ff.; Herresthal, BKR 2021, 131 ff.; Hölldampf/Schultheiß, BB 2020, 651 ff. sowie Edelmann/Schultheiß/Hölldampf, BB 2021, 835 ff.)

PRAXISTIPP

Auch wenn die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main „nur“ im Zusammenhang mit der Einführung von Negativzinsen bei Bestandskunden ergangen ist, wird man die Begründung des Verwaltungsgerichts Frankfurt vollumfänglich auch auf die zu langfristigen Sparverträgen erst kürzlich ergangene Allgemeinverfügung der BaFin nach § 4 Abs. 1a FinDAG vom 21.06.2021 übertragen können. Denn wie bereits mehrfach in der Literatur (vgl. die Zitate oben) hervorgehoben, sind die Rechtsprobleme im Zusammenhang mit langfristigen Sparverträgen und deren Zinsanpassungsklauseln nicht nur Inhalt mehrerer zivilgerichtlicher (Muster-)Verfahren, insbesondere vor dem OLG Dresden, sondern auch Inhalt von Verfahren vor dem Bundesgerichtshof, im Rahmen welcher in absehbarer Zeit mit der Klärung nahezu aller im Zusammenhang mit langfristigen Prämien-Sparverträgen streitigen Rechtsproblemen zu rechnen ist. Ist dem aber so, dann können sowohl nach dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck von § 4 Abs. 1a FinDAG als auch nach den hierzu ergangenen unmissverständlichen Ausführungen des Gesetzgebers in der Gesetzesbegründung zu § 4 Abs. 1a FinDAG solche zur Beseitigung eines vermeintlichen verbraucherschutzrelevanten Missstandes durch die BaFin ergriffenen Maßnahmen – wie die Allgemeinverfügung vom 21.06.2021 – niemals geboten i. S. v. § 4 Abs. 1a FinDAG sein. 

Zudem dürfte in solchen Fällen noch nicht einmal der Anwendungsbereich nach § 4 Abs. 1a FinDAG eröffnet sein. Denn der Gesetzgeber hat in der Begründung zu § 4 Abs. 1a FinDAG unmissverständlich hervorgehoben, dass ein Eingreifen der BaFin nach § 4 Abs. 1a FinDAG nur dann zulässig und möglich ist, wenn eine bereits vorhandene einschlägige Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Anwendung einer zivilrechtlichen Norm mit verbraucherschützender Wirkung nicht beachtet wird oder aber wenn systematische oder gewichtige Verstöße gegen verbraucherschützende Rechtsvorschriften vorliegen und in absehbarer Zeit kein höchstrichterliches Urteil zu erwarten ist (BegrRegE, BT-Drucks. 18/3994, 36). Soweit sich daher Zivilgerichte mit konkreten Rechtsproblemen bereits beschäftigen und mit zivilgerichtlichen Entscheidungen zu rechnen ist bzw. solche schon ergangen sind, dann besteht weder die Erforderlichkeit noch die Notwendigkeit für ein Eingreifen der BaFin. Dies gilt erst recht, wenn, was bei den langfristigen Sparverträgen der Fall ist, auch für die BaFin erkennbar mit einer höchstrichterlichen Entscheidung des Bundesgerichtshofs zeitnah zu rechnen ist.

Dies zugrunde gelegt dürfte damit zu rechnen sein, dass alle gegen die Allgemeinverfügung der BaFin zu den langfristigen Sparverträgen vom 21.06.2021 eingeleiteten gerichtlichen Maßnahmen zur Aufhebung der Allgemeinverfügung der BaFin führen werden. Insofern kann den von den Prämien-Sparverträgen sowie von der entsprechenden Allgemeinverfügung der BaFin betroffenen Instituten nur empfohlen werden, gegen die sie betreffende Allgemeinverfügung gerichtlich vorzugehen, um die Aufhebung der BaFin-Beschwerde zu erwirken. Die Durchführung einiger weniger Musterverfahren erscheint wiederum nicht angebracht, da dann der massive Öffentlichkeitsdruck auf die BaFin, in hunderten von Verfahren die offenkundige Rechtswidrigkeit oder gar die Verfassungswidrigkeit ihres Vorgehens attestiert zu bekommen, nicht mehr bestünde. 


Beitragsnummer: 18291

Beitrag teilen:

Beiträge zum Thema:

Beitragsicon
Neue Anforderungen an Vergütungssysteme – Ein arbeitsrechtlicher Blick

Die BaFin hat neue Vorgaben für angemessene Vergütungssysteme. Es werden die arbeitsrechtlichen Instrumentarien zur Umsetzung der Vorgaben vorgestellt.

01.03.2024

Beitragsicon
Negativzinsen bei Schuldscheindarlehen

BGH entscheidet, dass Negativzinsen im Rahmen eines Schuldscheindarlehen nicht anfallen können.

22.05.2023

Um die Webseite so optimal und nutzerfreundlich wie möglich zu gestalten, werten wir mit Ihrer Einwilligung durch Klick auf „Annehmen“ Ihre Besucherdaten mit Google Analytics aus und speichern hierfür erforderliche Cookies auf Ihrem Gerät ab. Hierbei kommt es auch zu Datenübermittlungen an Google in den USA. Weitere Infos finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen im Abschnitt zu den Datenauswertungen mit Google Analytics.