Freitag, 6. August 2021

Ausdrückliche Vereinbarung von Verwahrentgelten im Neugeschäft wirksam

Wirksamkeit der ausdrücklichen Vereinbarung von Verwahrentgelten und Kontoführungsgebühren bei Vertragsneuabschlüssen

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner

In seiner Entscheidung vom 08.07.2021, Az. 05 O 640/20 (BeckRS 2021, 17782), hat das Landgericht Leipzig entschieden, dass die ausdrückliche Vereinbarung von Verwahrentgelten als Hauptpreisabrede der AGB-rechtlichen Kontrolle entzogen ist, keine überraschende Klausel i. S. v. § 305 c Abs. 1 BGB darstellt, nicht gegen das Transparenzgebot i. S. v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB verstößt und neben der Kontoführungsgebühr vereinnahmt werden darf.

Dieser Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Eine sächsische Sparkasse hatte sowohl bei Abschluss von Neuverträgen als auch bei einem im Wege des Vertragsneuabschlusses erfolgten Kontomodellwechsels (vgl. hierzu Rn. 22 sowie Rn. 42) ihre Kunden zusätzlich zu dem neu abzuschließenden (Änderungs-)Vertrag ein gesondertes Dokument über die Vereinbarung eines Verwahrentgelts „Verwahrentgelt zu Girokonto“ unterschreiben lassen, wobei dieser Unterzeichnung jeweils eine umfassende Beratung in Bezug auf sämtliche Vertragskonditionen und insbesondere auch über die Vereinbarung des Verwahrentgelts neben der Kontoführungsgebühr vorausgegangen war (Rn. 22 und Rn 42).

In seinen Entscheidungsgründen weist das Landgericht Leipzig zunächst darauf hin, dass das streitgegenständliche Entgelt für die Verwahrleistung der Bank nicht schon Teil der im Rahmen des Girovertrages als Zahlungsdiensterahmenvertrages geschuldeten Leistungen ist, die Verwahrleistung der Bank vielmehr eigenständige Hauptleistung eines neben diesem „Girovertrag-Zahlungsdiensterahmenvertrag“ bestehenden atypischen Verwahrungsvertrages darstellt und insofern das Verwahrentgelt die Gegenleistung für die Verwahrung darstellt, weswegen es sich bei der vereinbarten Vergütung für die Verwahrung um eine Hauptpreisabrede handelt, welche der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB entzogen ist (Rn. 46 u. H. a. Kropf, in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bank- und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl. 2019, Rn. 3.850).

Hieran habe die in § 675 f. BGB normierte Vertragsart des Zahlungsdiensterahmenvertrages nichts geändert. Vielmehr sei die Verwahrungsleistung der Bank – wie bereits ausgeführt – eigenständige Hauptleistung eines neben dem Zahlungsdiensterahmenvertrag bestehenden atypischen Verwahrungsvertrages, weswegen es sich bei der Verwahrleistung der Bank auch um eine unabhängige vertragliche Hauptleistung und bei dem Verwahrentgelt um die diese Leistung individuell bepreisende Gegenleistung handelt (Rn. 46 f. u. H. a. Kropf, a. a. O.).

Dieser Sichtweise stünde nach Auffassung des Landgerichts Leipzig auch nicht der Umstand entgegen, dass die Sparkassen gemeinwohlorientierte Aufgaben i. S. v. § 2 Abs. 1 Satz 4 ÖRKredInstG wahrnehmen müssten. Denn Sparkassen hätten – ebenso wie andere Banken auch – aufgrund der jeweiligen Marktgegebenheiten und insbesondere aufgrund der Marktzinsentwicklung wirtschaftlich zu agieren, um die Versorgung mit geld- und kreditwirtschaftlichen Leistungen sicherzustellen. Demgemäß müssten die Sparkassen auch die ihnen in § 2 Abs. 1 ÖRKredInstG obliegenden Aufgaben und Verpflichtungen auf der Grundlage der Marktgegebenheiten und dem derzeitigen Zinsumfeld wahrnehmen. Eine einseitige gemeinwohlorientierte Tätigkeit der Sparkassen wäre daher kein tragfähiges Geschäftsmodell, sondern würde vielmehr einen Eingriff in den Wettbewerb darstellen und die Wettbewerbsfähigkeit der Sparkassen massiv beeinträchtigen (Rn. 50).

In diesem Zusammenhang hält das Landgericht Leipzig schließlich fest, dass in der Vereinbarung eines Verwahrentgelts neben der Kontoführungsgebühr auch keine Doppelbepreisung derselben Leistung vorliege. Vielmehr würde die Verwahrung als eigenständige Hauptleistung gesondert bepreist, welche durch die Kontoführungsgebühr in keiner Weise abgegolten wird (Rn. 53 u. 55).

Was wiederum den vermeintlichen überraschenden Charakter der Vereinbarung eines Verwahrentgelts anbelangt, so lässt das Landgericht Leipzig zunächst dahingestellt bleiben, ob der klagende Verbraucherverband im Unterlassungsklageverfahren überhaupt geltend machen kann, eine bestimmte AGB-Klausel sei wegen ihres überraschenden Charakters nicht Vertragsbestandteil geworden, was der Bundesgerichtshof ablehnen würde (vgl. hierzu Piekenbrock, in Staudinger, BGB-Kommentar, 2019, § 1 UKlaG Rn. 28). Denn von einem Überraschungseffekt könne bei der Vereinbarung eines Verwahrentgelts nicht die Rede sein, nachdem jeder Kunde im Vorfeld der Unterzeichnung der „Verwahrentgeltvereinbarung“ sowohl auf die Vereinnahmung des Verwahrentgelts hingewiesen wurde als auch darauf, dass das Verwahrentgelt zusätzlich zu der Kontoführungsgebühr erhoben und vereinbart wird (Rn. 54).

Schließlich führt das Landgericht Leipzig aus, dass auch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot i. S. v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht in Betracht komme. Dies deshalb, weil das Erheben eines Verwahrentgelts klar und eindeutig in der „Verwahrentgeltvereinbarung“ ebenso geregelt war wie die klare Hervorhebung der Trennung von Kontoführungsgebühr und Verwahrentgelt (Rn. 55).

PRAXISTIPP

Nachdem schon das Landgericht Tübingen in seinem Urt. v. 26.01.2018 Az. 04 O 187/17 die Vereinbarung eines Verwahrentgelts im Neugeschäft als Hauptpreisabrede der AGB-rechtlichen Kontrolle entzogen angesehen hatte (vgl. zu diesem Urteil Edelmann, WuB 2018, 248), ist es für Kreditinstitute mehr als erfreulich, dass nunmehr auch das Landgericht Leipzig mit rechtlich überzeugenden Argumenten die Vereinbarung eines Verwahrentgelts bei Abschluss von Neuverträgen als kontrollfreie wirksame Preishauptabrede angesehen hat, welche der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle entzogen ist; dies jedenfalls dann, wenn das Verwahrentgelt durch Unterzeichnung eines gesonderten Dokuments erfolgt und der Kunde im Vorfeld der Unterzeichnung auf die Vereinbarung des Verwahrentgelts hingewiesen wird. Erfreulich für Kreditinstitute ist auch, dass das Landgericht Leipzig unmissverständlich hervorgehoben hat, dass das Verwahrentgelt neben der Kontoführungsgebühr vereinnahmt werden darf; dies deshalb, weil mit dem Verwahrentgelt ausschließlich die Verwahrleistung der Bank als eigenständige Hauptleistung abgegolten wird (zur Problematik von Negativzinsen vgl. Suendorf-Bischof BKR 2019, 279 ff. und Edelmann BB 2018, 394 ff.; zur Zulässigkeit der Vereinbarung eines Verwahrentgelts, vgl. auch Kropf, a. a. O., Rn. 3.851).


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