Mittwoch, 11. August 2021

„Neue“ MaComp Juli 2021

Kurzüberblick der MaComp-Aktualisierung vom 15.07.2021

Lukas Zimpfer, Verbandsprüfer, Mitglied der Facharbeitsgruppe WpHG/Depot, Baden-Württembergischer Genossenschaftsverband e.V.

Die BaFin hat mit dem Rundschreiben 4/2010 (WA) „Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltensorganisations- und Transparenzpflichten nach den §§ 31 ff. WpHG“ (MaComp) vom 07.06.2010 ihre Auffassung zur Auslegung der relevanten Compliance-Vorschriften veröffentlicht. Zu diesem Rundschreiben veröffentlichte die BaFin mehrmals Neufassungen, zuletzt mit dem Rundschreiben 05/2018 (WA) vom 19.04.2018, das letztmals am 15.07.2021 aktualisiert wurde.

Als Hintergründe für die Novellierung führt die BaFin die Anpassung der Leitlinien der europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde (ESMA) zu den Anpassungen an die Compliance-Funktion auf, die die BaFin in BT 1 MaComp (insbesondere Anforderungen an die Überwachungshandlungen, die Beratungsaufgaben und die Beteiligung der Compliance-Funktion an Prozessen) überführt hat. Die MaComp, die mittlerweile die ESMA-Leitlinien nahezu unverändert abbilden, enthalten zudem umfassend überarbeitete Anforderungen an den mindestens jährlich zu erstellenden Bericht des Compliance-Beauftragten (Jahresbericht des Compliance-Beauftragten). Die von der ESMA am 05.06.2020 in englischer Sprache und am 06.04.2021 in deutscher Sprache veröffentlichte Aktualisierung ihrer Leitlinien berücksichtigen insbesondere das Product-Governance-Regime und die daraus resultierenden Veränderungen für die Compliance-Funktion (vgl. BaFin 15.07.2021, MaComp: BaFin aktualisiert Rundschreiben, abrufbar unter https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Meldung/2021/meldung_2021_07_15_ESMA_Leitlinien_MaComp.html). 

Bereits im April 2021 veröffentlichte die BaFin eine Aktualisierung der MaComp, die insbesondere Anpassungen zur Product Governance (BT 5 MaComp) zum Inhalt hatte. 

Dieser Beitrag stellt die wesentlichen Neuerungen in Folge der Aktualisierung der MaComp dar.

Die Neuerungen in BT 1.1 MaComp sollten klarstellend und bereits in der Vergangenheit selbstverständlich gewesen sein. So wird nunmehr in die MaComp aufgenommen, dass der Compliance-Beauftragte über hohe ethische Standards und persönliche Integrität verfügen soll (vgl. BT 1.1 Tz. 3 MaComp). Außerdem wird zur Förderung und Stärkung der unternehmensweiten Compliance-Kultur nun explizit die Geschäftsleitung aufgeführt. Ziel der Compliance-Kultur ist neben der Förderung des Anlegerschutzes auch die Förderung der Finanzstabilität.

Die weitere Verankerung der Verantwortung der Geschäftsleitung für Compliance-Themen in den MaComp wird auch in BT 1.2.1 MaComp weiter deutlich, in dem festgelegt wird, dass im Rahmen der Überwachungshandlungen die Compliance-Funktion und die Geschäftsleitung zusammenarbeiten.

BT 1.2.1.1 MaComp sieht vor, dass im Rahmen der Risikoanalyse neben den einzuhaltenden Pflichten des WpHGs auch ergänzende Verwaltungsvorschriften und Verlautbarungen zur Konkretisierung des WpHGs der BaFin sowie Leitlinien und Standards der ESMA zur Ermittlung des Risikoprofils des Wertpapierdienstleistungsunternehmens gewürdigt werden.

Als mögliche Formen der Überwachungshandlung werden nunmehr in BT 1.2.1.2 MaComp die Beobachtung von Arbeitsabläufen und Befragungen (Interviews) von Mitarbeitern aufgeführt. Während diese Formen der Überwachung regelmäßig bereits praktiziert worden sind, ist die eröffnete Möglichkeit der Befragung relevanter Kunden gänzlich neu. Explizit führt BT 1.2.1.2 MaComp auf, dass im Bereich Product Governance Berichte und Arbeitsmethoden der Mitarbeiter mit kritischem Blick zu würdigen sind. Unverändert besteht die Möglichkeit, dass das Beschwerdemanagement in der Compliance-Funktion angesiedelt ist. Besonders „gern gesehen“ war diese Konstellation zwar bereits in der Vergangenheit nicht, die Möglichkeit bestand allerdings explizit. Mit Aktualisierung der MaComp beschreibt die BaFin, dass eine Organisationsstruktur zu bevorzugen sei, bei der die Compliance-Funktion nicht an der operativen Beschwerdebearbeitung beteiligt ist. Eine Koordination der Prüfungshandlungen der einzelnen Kontrollfunktionen eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens mit der Compliance-Funktion war bisher bereits vorgesehen, nunmehr wird auch klargestellt, dass ein Ergebnisaustausch stattfinden soll. Ebenso soll ein Informationsaustausch zwischen den internen und externen Prüfern stattfinden.

BT 1.2.2 MaComp nennt explizit den Proportionalitätsgrundsatz in Bezug auf die Berichterstattung des Compliance-Beauftragten zur Produkt Governance. Angaben zu einfachen, weit verbreiteten Produkten können weniger ausführlich dargestellt werden als die Ausführungen zu komplexen oder risikoreichen, innovativen oder illiquiden Produkten.

Der Mindestumfang der im Compliance-Jahresbericht zu tätigenden Aussagen wurde spürbar erweitert. BT 1.2.2 Tz. 7 sieht insbesondere folgende neuen Mindestinhalte vor:

  • Überblick über die Struktur, Mitarbeiterqualifikation und Berichtslinien der Compliance-Funktion sowie eingetretene Änderungen.
  • Darstellung sonstiger im Berichtszeitraum aufgetretener wesentlicher Sachverhalte mit Compliance-Relevanz oder sonstiger erforderlicher Maßnahmen und Strategien, zu denen im Berichtszeitraum gewonnene Erkenntnisse Anlass gegeben haben.
  • Darstellung von Situationen, in denen von dem Grundsatz abgewichen wurde, dass Geschäftsbereiche keine Weisungen gegenüber den Mitarbeitern der Compliance-Funktion erteilen oder auf sonstige Art und Weise auf deren Tätigkeit Einfluss nehmen dürfen.
  • Einschätzung zur fortbestehenden Angemessenheit der Grundsätze und Verfahren, die eine Minimierung der Interessenkonflikte bewirken sollen, sofern die Compliance-Funktion in die operative Beschwerdebearbeitung eingebunden ist.
  • Beschreibung der Überwachungsaufgabe der Compliance-Funktion, insbesondere Darstellung der Früherkennung von Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben.
  • Zusammenfassung der von der Compliance-Funktion durchgeführten Prüfungen (insbesondere Vor-Ort Prüfungen und Aktenprüfungen).
  • Zusammenfassung der von der Compliance-Funktion für den nächsten Überwachungszyklus geplanten Prüfungen.
  • Angabe der Zahl der im Beschwerdeberichtszeitraum eingegangenen Beschwerden. 
  • Zusammenfassung der Maßnahmen, die ergriffen wurden, um wesentlichen Risiken von Verstößen zu begegnen bzw. um diese zu beseitigen.
  • Zusammenfassung der Maßnahmen, die aufgrund von Kundenbeschwerden eingeleitet wurden und der auf diesen ggf. basierenden Kulanzzahlungen, sofern die Geschäftsleitung hierauf nicht bereits auf anderem Weg aufmerksam gemacht wurde, sowie eine Zusammenfassung der Maßnahmen im Hinblick auf spezifische Compliance- oder sonstige Risiken für die Grundsätze und Verfahren zur Erbringung von Wertpapier(neben)dienstleistungen, die im Rahmen der Beschwerdebearbeitung identifiziert wurden.   
  • Informationen darüber, wo und wie die Geschäftsleitung von wichtigen Empfehlungen oder Einschätzungen der Compliance-Funktion abgewichen ist.

Der Bericht des Compliance-Beauftragten hat sich explizit auch auf den Themenbereich der Product Governance zu beziehen. Dabei hat insbesondere eine Berichterstattung über die Angemessenheit und Wirksamkeit der Grundsätze, Mittel und Verfahren zu erfolgen, die darauf ausgerichtet sind, sicherzustellen, dass das Wertpapierdienstleistungsunternehmen selbst und seine Mitarbeiter den Product-Governance-Vorgaben nachkommen. Sofern ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen sowohl als Konzepteur als auch als Vertriebsunternehmen tätig ist, sollen beide Geschäftsfelder getrennt voneinander betrachtet und reportet werden.

Auch an dieser Stelle der MaComp wird davon gesprochen, dass die Product Governance selbst Berichtspflichten gegenüber der Geschäftsleitung zu erfüllen hat (vgl. BT 1.2.2 Tz. 8 MaComp). Im weiteren Verlauf nennt BT 1.2.2 Tz. 8 MaComp den Mindestinhalt der Berichtspflichten zur Product Governance (Maßnahmen zur Behebung von Verstößen, Abwicklung der die Product Governance betreffenden Beschwerden, Berichterstattung über die Überwachung der Entwicklung und regelmäßigen Überprüfung der Produktfreigabevorkehrungen, Darstellung der Rolle der Compliance-Funktion im Product-Governance-Prozess). Bereits bisher musste der Compliance-Bericht systematische Informationen über die vom Wertpapierdienstleistungsunternehmen konzipierten und vertriebenen Finanzinstrumente enthalten. Diese Berichtspflichten werden in BT 1.2.2 Tz. 9 MaComp weiter konkretisiert. 

Dass sich die Bedeutung der Product Governance spürbar gesteigert hat, zeigt sich, in dem auch im weiteren Verlauf zahlreiche Neuerungen der MaComp in der expliziten Nennung der Product Governance als Aufgabe der Compliance-Funktion vorzufinden sind, z. B. in BT 1.2.3 Tz. 11 und 15 MaComp (Beratungsaufgaben) oder BT 1.2.4 Tz. 3 und 6 (Beteiligung der Compliance-Funktion an Prozessen)

Sofern zwischen dem Compliance-Beauftragten und dem Single Officer keine Personenidentität herrscht, muss gem. BT 1.3.3.4 Tz. 8 MaComp das Wertpapierdienstleistungsunternehmen sicherstellen, dass beide Funktionen unabhängig voneinander ausgeübt werden und keinerlei Kontrolle oder Weisungen durch den Compliance-Beauftragten erfolgen.

BT 5.3.4 Tz. 2 MaComp zur Bestimmung des konkreten Zielmarktes durch das Vertriebsunternehmen bezieht sich nunmehr nicht mehr auf die Wertpapierdienstleistung der Finanzportfolioverwaltung, sondern nur noch auf die Anlageberatung und im weiteren Verlauf unverändert auch auf das beratungsfreie Geschäft mit Angemessenheitsprüfung. 

BT 5.4.2 MaComp zum regelmäßigen Produktüberprüfungsprozess nimmt das Vertriebsunternehmen mehr in die Verantwortung. Im Rahmen des wechselseitigen Evaluierungsprozesses (Kernfrage: Ist der Zielmarkt noch immer sachgerecht?) wird dem Vertriebsunternehmen durch Schaffung von Freitextfeldern die Möglichkeit gegeben, dem Produktkonzepteur weitere Anmerkungen zum jeweiligen Produkt zu machen. Hinsichtlich des Turnus des Informationsaustausches sollte dieser zumindest jährlich erfolgen, wobei ersichtlich ist, dass bei komplexen, risikoreicheren, illiquideren oder innovativen Produkten nach Ansicht der Aufsicht mindestens ein unterjähriger Produktüberprüfungsprozess dringend geboten ist. Der Überwachungsturnus folgt risikoorientierten und proportionalen Grundsätzen. Unverändert besteht gegenüber dem Vertriebsunternehmen die Pflicht, den Konzepteur bei dessen Produktüberprüfung zu unterstützen. Neu ist hingegen die ausdrückliche Pflicht zur proaktiven Informationsweitergabe des Vertriebsunternehmens an den Produktkonzepteur, sofern dies aufgrund der besonderen Bedeutung oder Dringlichkeit der Information im Einzelfall notwendig erscheint.

PRAXISTIPPS

  • Loslösen des Beschwerdemanagements aus der Compliance-Funktion.
  • Besonderes Augenmerk im Rahmen der Jahresberichterstattung auf die neuen Berichtspflichten des BT 1.2.2 MaComp.
  • Ausgestaltung des Product-Governance-Prozesses, insb. des Rückmeldungsprozesses, evaluieren und ggf. auf den Prüfstand stellen.

Beitragsnummer: 18302

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