Mittwoch, 15. September 2021

Kreditrisiken im Lichte der Covid-19-Pandemie

Dominik Leichinger, Prüfungsleiter, Referat Bankgeschäftliche Prüfungen 2, Hauptverwaltung in NRW, Deutsche Bundesbank

 

Die in dieser Publikation vertretenen Auffassungen geben die persönliche Meinung des Autors wieder und sind nicht notwendigerweise Positionen der Deutschen Bundesbank oder einer anderen Bankenaufsichtsbehörde.

Im Zusammenhang mit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie und den erwarteten negativen Folgen für die Wirtschaft haben Kreditinstitute ihre Risikovorsorge für ausfallgefährdete Kredite teils deutlich erhöht. Der zu Anfangs befürchtete Anstieg von Insolvenzen ist in Deutschland bisher ausgeblieben. Aus einer vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Pressemitteilung (Nr. 270 vom 10.06.2021) geht hervor, dass sich der rückläufige Trend der Unternehmensinsolvenzen fortsetzt. So wurden im 1. Quartal 2021 rd. 20 % weniger Unternehmensinsolvenzen angemeldet als im gleichen Quartal ein Jahr zuvor. Diese Entwicklung zeigt sich auch in den Bilanzen deutscher Kreditinstitute. Die für 2021 vom deutschen Bankensektor erwartete Höhe an Risikovorsorgebedarf, im Zusammenhang mit notleidenden Kreditforderungen, wurde bisher nicht annähernd von den Instituten verbraucht (vgl. BaFin Journal 08/2021).

 

Als Entwarnung in Bezug auf das Kreditrisiko sollten die derzeit rückläufigen Insolvenzen allerdings nicht gewertet werden. Zum einen ist nicht auszuschließen, dass die umfangreichen staatlichen Corona-Hilfen die tatsächliche wirtschaftliche Lage einiger Unternehmen positiv verzerren. Zum anderen konstatiert rd. ein Drittel der in der DIHK-Konjunkturumfrage vom Frühsommer dieses Jahres befragten Unternehmen eine schlechte Geschäftslage. Demnach fällt insbesondere dem Dienstleistungssektor und dem Handel eine Erholung von der durch die Pandemie verursachten Krise schwer. Auch die Befragung zur Finanzsituation der Unternehmen zeichnet ein ähnliches Bild. So stufen mehr als 40 % der befragten Unternehmen ihre Finanzsituation als problematisch ein.

 

In seinen fachlichen Hinweisen zur Rechnungslegung und Prüfung schlägt das IDW fünf unterschiedliche Kategorien zur Einstufung von Unternehmen in Abhängigkeit von den jeweiligen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie vor: 

 

  1. Unternehmen ist von der Krise nicht betroffen
  2. Unternehmen profitiert von der Krise
  3. Unternehmen steht nach der Krise wie vor der Krise da
  4. Unternehmen steht nach der Krise wie vor der Krise da, indes mit temporärer „Delle“
  5. Ohne neues Geschäftsmodell voraussichtlich nicht überlebensfähig

 

Vor allem die letzten drei Kategorien bergen erhöhte Kreditrisiken für die Institute. Für Unternehmen der Kategorien drei und vier ist die entscheidende Frage, inwieweit bestehende Reserven und staatliche Unterstützungsmechanismen ausreichen (sowohl der Höhe als auch der Zeit nach), um die Krise zu überstehen.

 

Insbesondere Unternehmen aus der 5. Kategorie gilt es rechtzeitig zu identifizieren, da diese höchst wahrscheinlich ohne neues Geschäftsmodell nicht überlebensfähig sind.

 

In der Fachliteratur werden derartige Unternehmen oftmals auch als „Zombie“ bezeichnet. In einem September 2020 von der BIS veröffentlichten Working Paper (Corporate zombies: Anatomy and life cycle) werden Zombie-Unternehmen und ihre Entwicklung analysiert und Wege aufgezeigt, diese zu identifizieren. Im Rahmen der Untersuchung fanden die Autoren u. a. Hinweise darauf, dass Zombie-Unternehmen in der Vergangenheit von subventionierten Krediten profitiert haben und die Höhe der gezahlten Zinszahlungen nicht signifikant von denen normaler Unternehmen abwich. Insofern spiegelte sich das höhere Kreditrisiko nicht hinreichend in der Höhe der vereinbarten Zinszahlungen wider.

 

Vor diesem Hintergrund sollten Institute ihre Analyse- und Steuerungskennzahlen im Kreditgeschäft überprüfen und im Bedarfsfall Änderungen oder auch ergänzende Kennzahlen hinzunehmen. Von Interesse könnte einerseits die Begrenzung der Risikoexponierung in besonders von der Pandemie betroffenen Branchen sein. Aber auch der „Puffer“ in der Kapitaldienstfähigkeit (im Sinne der Auslastung der Kapitaldienstgrenze) von Kreditnehmern rückt angesichts der anhaltenden negativen wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie stärker in den Fokus und kann eine wichtige Entscheidungsgrundlage im Rahmen der Kreditvergabe darstellen. Nicht zuletzt kann die Einschätzung der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens vor Ausbruch der Covid-19-Pandemie wertvolle Hinweise auf die Überlebensfähigkeit während und nach der Krise geben.

 

PRAXISTIPPS

  • Definition und Etablierung von verbindlichen Analyse- und Steuerungskennzahlen im Kreditgeschäft, sowohl für das Gesamtgeschäft als auch auf Teilportfolioebene und auf Einzelkreditnehmerbasis, für eine stringente Umsetzung geschäftsstrategischer Vorgaben und Berücksichtigung von Rendite- und Risikogesichtspunkten.
  • Regelmäßige und anlassbezogene Evaluierung der Kennzahlen.
  • Zukunftsgerichtete Analyse der Kapitaldienstfähigkeit unter Betrachtung des Einflusses staatlicher Hilfsmaßnahmen und den weiteren potenziellen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie
  • Überprüfung der Angemessenheit der Kriterien innerhalb des Früherkennungsverfahrens zur Identifizierung problembehafteter Kreditengagements.

 


Beitragsnummer: 18313

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