Donnerstag, 16. September 2021

EuGH: Sanktion bei Verletzung der Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner

 

In seiner Entscheidung vom 10.06.2021, Az. C-303/20 (WM 2021, 1529) hält der EuGH zunächst fest, dass sich aus Art. 23 der RL 2008/48 ergibt, dass die innerstaatlichen Sanktionen bei Verletzung der Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung i. S. v. Art. 8 Abs. 1 der RL2008/48 so gestaltet sein müssen, dass diese Sanktionen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind, wobei die Wahl der Sanktionsregelungen innerhalb dieser Grenzen im Ermessen des Mitgliedstaates stünden (Rn. 30). Damit eine innerstaatliche Sanktion wiederum wirksam und abschreckend in diesem Sinne ist, müssten nach Auffassung des EuGH den Verantwortlichen zum einen die wirtschaftlichen Gewinne entzogen werden, welche diese durch die Pflichtverletzung erzielt haben. Zum anderen müssten die Sanktionen vor dem Hintergrund des mit der Richtlinie angestrebten Ziels, den Verbraucher vor den Risiken der Überschuldung und der Zahlungsunfähigkeit zu schützen, ausreichend effektive Auswirkungen auf die Lage des Verbrauchers haben, welchem unter Verstoß gegen die Kreditwürdigkeitsprüfung ein Kredit gewährt wurde (Rn. 32). Ob dies wiederum im jeweiligen Mitgliedstaat gewährleistet sei, müsse von den nationalen Gerichten unter Heranziehung des gesamten nationalen Rechts überprüft werden, wobei das nationale Gericht diese nationalen Regelungen anhand von Wortlaut und Zweck der Richtlinie – soweit möglich – so auslegen muss, dass das hierdurch erlangte Ergebnis mit den von der Richtlinie verfolgten Zielen vereinbar ist (Rn. 36). 

 

Nach dem das im konkreten Fall betroffene nationale polnische Recht neben einer im Ordnungswidrigkeitengesetz aufgenommenen Sanktion weitergehende zivilrechtliche Sanktionen zugunsten des betroffenen Verbrauchers wie z. B. die Verwirkung des Zinsanspruchs enthielt und der EuGH die Verwirkung des Zinsanspruchs bereits in der Vergangenheit als verhältnismäßig i. S. d. Richtlinie angesehen hatte, konnte der EuGH einen Verstoß gegen Art. 23 der Richtlinie im konkreten Fall nicht erkennen.

 

PRAXISTIPP

Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass das deutsche Recht bei Verletzung der Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung keine vollständige Gewinnabschöpfung im Sinne des Entzugs sämtlicher durch die Pflichtverletzung erlangten Vorteile vorsieht, der deutsche Gesetzgeber vielmehr als Konsequenz bei der Verletzung der Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung in § 505d BGB lediglich eine Zinsreduktion, die Möglichkeit der sofortigen Kündigung ohne Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung sowie den Ausschluss der Ansprüche wegen Pflichtverletzung vorsieht, bleibt abzuwarten, ob die im deutschen Recht bei Verletzung der Kreditwürdigkeitsprüfung aufgenommenen Sanktionen ausreichend wirksam, verhältnismäßig und abschreckend i. S. v. Art. 23 der RL 2008/48 sind (zweifelnd Feldhusen, BKR 2021, 497 ff., welche vorschlägt, dem Verbraucher zusätzlich zu den im Gesetz vorgegebenen und bisher von der überwiegenden Auffassung als abschließend angesehenen Sanktionen einen Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 i. V. m. § 249 BGB einzuräumen, der allerdings auf die Befreiung von Zinsen und Kosten ab Vertragsabschluss beschränkt ist).


Beitragsnummer: 18329

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