Freitag, 22. Oktober 2021

Bankenaufsicht vs. COVID-19

Reaktionen der Bankenaufsicht auf die COVID-19 Pandemie und die beschlossenen Erleichterungen für Kreditinstitute

Talena Wahl, Bankgeschäftliche Prüferin, Deutsche Bundesbank Stuttgart[1]

Das Jahr 2020 war geprägt durch die Unsicherheit, die mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 in Verbindung steht. Die Situation war für uns alle und daher auch für die Banken und Aufsichtsbehörden eine neue Situation, auf die niemand wirklich vorbereitet war. Deswegen musste schnell und flexibel reagiert werden, u. a. um die operative Handlungsfähigkeit sowie die Kreditversorgung sicherzustellen. Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick über ausgewählte Maßnahmen durch die Deutsche Bundesbank und die BaFin sowie die Europäische Zentralbank.

Bankaufsichtliche Erleichterungen auf nationaler Ebene

Grundsätzlich gelten die bestehenden bankaufsichtlichen Regelungen auch während einer Krise oder eine Pandemie weiter fort. Erst, wenn die Aufsichtsbehörden anders entscheiden und neue Regelungen auf den Weg bringen, kann von dem bestehenden Regelwerk gemäß der aufsichtlichen Vorgaben abgewichen werden. Um die Herausforderungen für die Banken zu minimieren, haben die Deutsche Bundesbank und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht einige Maßnahmen beschlossen, um die deutschen Kreditinstitute zu entlasten. Unter anderem wurden Vor-Ort-Prüfungen ausgesetzt und verschoben und der Stresstest für weniger signifikante Institute wurde von 2021 auf das Jahr 2022 verschoben. Zur Vorbereitung auf den LSI-Stresstest hätten die Banken sonst schon in der zweiten Jahreshälfte 2020 Vorbereitungshandlungen und Berechnungen vornehmen müssen. Mit dieser Entscheidung folgt die BaFin der EBA, welche den Stresstest für die signifikanten Institute vom Jahr 2020 auf das Jahr 2021 verschoben hatte.

Zudem hat die BaFin ihre Verwaltungspraxis zur Behandlung von operationellen Risiken vorgenommen. Somit sind Kreditinstitute flexibler in der Einstufung von Kreditausfällen infolge von beispielsweise Stundungen. Diese Fälle müssen auch nicht als operationelle Verluste gemäß der Kapitaladäquanzverordnung zur Berechnung der Anforderungen an die Eigenmittel erfasst werden (Vgl. https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Meldung/2020_21_Corona_andereBehoerden/meldung_2020_12_23_corona_virus_121_EBA_Bericht_Massnahmen.html, zuletzt abgerufen am 09.10.2021). 

Maßnahmen auf europäischer Ebene durch die Europäische Zentralbank

Auch die signifikanten Institute wurden stark von der Corona-Pandemie getroffen, sodass auch seitens der Europäischen Zentralbank ein Handeln vonnöten war. Das Maßnahmenpaket der Europäischen Zentralbank betrifft verschiedene Bereiche, welche in der folgenden Übersicht zusammengefasst werden: 

Behandlung von notleidenden Krediten

Die Europäische Zentralbank hat die Auslegung der „ECB Guidance on NPLs“ (NPL = Non-performing loans) dahingehend angepasst, dass Kreditnehmer, die staatliche Garantien in Anspruch genommen haben, flexibler in Bezug auf die Ausfalldefinition gehandhabt werden können. Diese Flexibilität wird durch die Verordnung (EU) Nr. 575/2013 der EBA zur Ausfalldefinition möglich gemacht. Nichtsdestotrotz sind Banken dazu angehalten den Prozess zur Erkennung von Ausfällen konservativ zu gestalten und die Quote notleidender Kredite möglichst gering zu halten (Vgl. https://www.bankingsupervision.europa.eu/press/publications/html/ssm.faq_ECB_supervisory_measures_in_reaction_to_the_coronavirus~8a631697a4.en.html, zuletzt abgerufen am 09.10.2021). 

Operatives Geschäft

Das operative Geschäft der Kreditinstitute wurde zu großen Teilen ins Homeoffice verlagert. Dennoch mussten die bankinternen Prozesse regelkonform bleiben, um z. B. das Funktionstrennungsprinzip aufrecht zu erhalten. Bankaufsichtlich wurden auch diese operativen Belastungen berücksichtigt und infolgedessen wurde auch die aufsichtliche Praxis angepasst. Als Beispiel ist zu nennen, dass Fristen für Einreichungen oder Mängelbehebungen verlängert wurden und die Anforderungen, wie z. B. im Rahmen des jährlichen aufsichtlichen Überprüfungsprozesses, an die Pandemie angepasst wurden (Vgl. https://www.bankingsupervision.europa.eu/press/publications/html/ssm.faq_ECB_supervisory_measures_in_reaction_to_the_coronavirus~8a631697a4.en.html, zuletzt abgerufen am 09.10.2021).

Anforderungen an das Kapital und die Liquidität von Banken

Die EZB hat ihre Kapitalanforderungen im Zuge der Pandemie nach unten angepasst. Damit entspricht sie dem Schaffungsgedanken der Säule-2-Empfehlung, welche dafür sorgt, dass in guten Zeiten Kapital aufgebaut wird, welches in schlechten Zeiten zur Verfügung steht. Diese Säule-2-Empfehlung muss nicht mehr verpflichtend eingehalten werden. Mit dieser Lockerung, welche voraussichtlich bis Ende 2022 gelten soll, soll Kreditinstituten mehr Kapital zur Verfügung gestellt werden, was sich positiv auf die Kreditvergabe auswirken soll. Des Weiteren wurde die Mindestquote von 100 % für die Liquiditätsdeckungsquote ausgesetzt, welche aber ab dem Jahr 2022 wieder vollumfänglich gelten soll (Vgl. https://www.bankingsupervision.europa.eu/press/publications/html/ssm.faq_ECB_supervisory_measures_in_reaction_to_the_coronavirus~8a631697a4.en.html, zuletzt abgerufen am 09.10.2021).

Dividenden und variable Vergütung

Bis Ende September 2021 hat die EZB empfohlen, Ausschüttungen von Dividenden auszusetzen. Nichtsdestotrotz sollen Banken auch über diesen Zeitraum hinweg konservativ handeln, wenn es an Ausschüttungen geht. Auch variable Vergütungszahlungen sind bis Ende des Jahres 2021 nur sehr konservativ zu handhaben (Vgl. https://www.bankingsupervision.europa.eu/press/publications/html/ssm.faq_ECB_supervisory_measures_in_reaction_to_the_coronavirus~8a631697a4.en.html, zuletzt abgerufen am 09.10.2021).

PRAXISTIPPS

  • Während der Pandemie wurde die gegebene Flexibilität des Regelwerkes genutzt und es wurden neue Erleichterungen eingeführt. Die getroffenen Maßnahmen sind allerdings nur vorübergehend, sodass sich Kreditinstitute schon frühzeitig wieder Gedanken machen müssen, wie sie die Mindestanforderungen fristgerecht einhalten können.
  • Aus der Finanzkrise wurden viele Lehren gezogen, welche z. B. Puffer zur Folge hatten. Diese Puffer können während der COVID-19-Pandemie genutzt werden. Daher sollten wir auch nach und im Zuge von Corona unsere Lehren ziehen und uns für die Zukunft wappnen.

[1] Dieser Beitrag gibt die eigene Meinung der Autorin wieder und stellt nicht notwendigerweise den Standpunkt der Deutschen Bundesbank dar.


Beitragsnummer: 18345

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