Dienstag, 19. Oktober 2021

Kündigung des Bausparvertrages 10 Jahre nach erstmaliger Zuteilung

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner

 

In seinem Hinweisbeschluss vom 02.06.2021, Az. 17 U 20/20 (ZIP 2021, 1910) hat das OLG Frankfurt am Main erneut bestätigt, dass es einer Bausparkasse grundsätzlich erlaubt ist, nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB (§ 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F.) 10 Jahre nach erstmaliger Zuteilungsreife den Bausparvertrag zu kündigen.

Was wiederum die Voraussetzungen des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB anbelangt, so stellt das OLG Frankfurt fest, dass sämtliche Voraussetzungen erfüllt sind und dass der streitgegenständliche Bausparvertrag insbesondere auch einen festen Zinssatz i. S. d. Norm aufweist, weil bereits bei Vertragsabschluss der Guthabenszins für die Dauer der Ansparphase in Höhe eines festen Zinssatzes – im konkreten Fall in Höhe von 3 % p.a. – vereinbart worden sei. Hieran vermöge auch die Möglichkeit einer rückwirkenden Erhöhung des Zinssatzes bei Inanspruchnahme des Zinsbonus nichts zu ändern, weil auch für diesen Fall der Darlehenszins für die gesamte Laufzeit von Anfang an als feststehende Prozentzahl feststünde und bereits bei Vertragsabschluss vereinbart worden sei.

Sodann hält das OLG Frankfurt fest, dass bei einem Bausparvertrag von einem vollständigen Umfang des Darlehns i. S. v. § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB im Regelfall im Zeitpunkt der erstmaligen Zuteilungsreife auszugehen ist. Dies deshalb, weil der Zweck des Bausparvertrages, der regelmäßig darin liegt, nach Leistung der Bauspareinlagen einen Anspruch auf Gewährung eines Bauspardarlehens zu erlangen, zu diesem Zeitpunkt erreicht ist und dem Bausparer ermöglicht, von der Rolle des Darlehensgebers in diejenige des Darlehensnehmers zu wechseln. Hieran ändere auch das dem Bausparer eingeräumte Optionsrecht, nach der Zuteilung – endgültig – einen Verzicht auf das Bauspardarlehen zu erklären, um rückwirkend ab Vertragsbeginn einen über den ursprünglichen Zinssatz hinausgehenden Bonuszins beanspruchen zu können, nichts. Denn seine bis zur erstmaligen Zuteilungsreife erbrachten Ansparleistungen blieben weiterhin zweckgebunden, um einen Anspruch auf Gewährung eines Bauspardarlehens zu erlangen, der erst in der Folge durch einen Verzicht auf das Bauspardarlehen unter Inanspruchnahme des Zinsbonus abgegolten werden konnte. Insoweit unterscheide sich der streitgegenständliche Fall von dem Fall eines zeitlich begrenzten Verzichts auf Gewährung eines Bauspardarlehens, bei welchem der Vertrag nach Ablauf des Verzichtszeitraums fortgesetzt wird und bei dem die Ansparleistungen während der Karenzzeit zusätzlich einem reinen Sparzweck dienen.

Hieran würden wiederum weder die Regelungen zur Tilgung des Bauspardarlehens noch die von der Bewertungszahl abhängige Tilgungsstaffelung etwas ändern. Denn die vom Bausparer bis zur Inanspruchnahme des Bauspardarlehens erbrachten Ansparleistungen würden weiterhin zweckgebunden sein, um einen Anspruch auf Gewährung eines Bauspardarlehens zu erlangen.

Schließlich führt das OLG aus, dass die Kündigung durch die Bausparkasse auch nicht deshalb als treuwidrig i. S. v. § 242 BGB angesehen werden könne, weil das Kündigungsrecht nicht in den Bausparbedingungen genannt ist. Insoweit handle es sich nämlich um zwingendes Recht und nicht um den gemäß § 5 Bausparkassengesetz notwendigen Inhalt der Vertragsbedingungen.

 

PRAXISTIPP

Es ist sehr zu begrüßen, dass das OLG Frankfurt erneut feststellt, dass es einer Bausparkasse grundsätzlich erlaubt ist, 10 Jahre nach der erstmaligen Zuteilungsreife den Bausparvertrag zu kündigen und dass eine Ausnahme hiervon nur in den besonders gestalteten Einzelfällen zu machen sein könnte, in denen die Vertragsparteien eine vom Regelfall abweichende Modifikation des Vertragszwecks in Form der Vereinbarung eines zeitlich begrenzten Verzichts treffen. 

Auch wenn die mit dem Urteil des OLG Frankfurt unzufriedenen Bauspar-Kläger Rechtsbeschwerde gegen die Entscheidungen des OLG Frankfurt beim BGH eingelegt haben (XI ZR 430/21), ist nicht davon auszugehen, dass der Bundesgerichtshof seine bisher bereits mehrfach bestätigte und verfassungsrechtlich „abgesegnete“ Rechtsprechung nochmals ändert, auf welche das OLG Frankfurt in seinem Urteil mehrfach hingewiesen hat (vgl. nur BGH Urteil vom 21.02.2017, Az. XI ZR 185/16, BGHZ 214, 94 ff. sowie XI ZR 272/16, ZIP 2017, 852, bestätigt durch Nichtannahmebeschluss des BVerfG, Beschluss vom 21.06.2017, Az. 1 BvR 918/17; vergl. auch BGH Urteile vom 01.08.2017, Az. XI ZR 469/16 sowie vom 10.07.2018, Az. XI ZR 198/17).


Beitragsnummer: 18363

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