Dr. Norbert Baumstark, Wirtschaftsprüfer/Steuerberater, Genossenschaftsverband – Verband der Regionen e.V. und AWADO GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft
I. Notleidende Kredite als Ausgangspunkt des Umdenkens
1. Der notleidende Kredit als Problemfaktor
Verfolgt man die Novellierung der MaRisk aus dem Jahr 2021 zurück, um den Ursprung der darin zu Tage tretenden Ansätze zu verstehen, dann gelangt man über mehrere Stationen zu der globalen Banken- und Finanzkrise,[1] welche mit dem Zusammenbruch der Investmentbank „Lehman Brothers” im September 2008 weltweit offen zu Tage trat. Die Faktoren für diese Krise bestanden zwar selbstverständlich schon vorher und waren in ihrer Problematik erkennbar, der Zusammenbruch der Investmentbank zeigte jedoch die sehr starken Auswirkungen notleidender Kreditportfolien auf die Solvenz sowie Liquidität einer Bank und auf ein gesamtes Wirtschaftssystem. Neben der Bonität der Kunden spielten auch die Einschätzung der Immobilienwerte als Sicherheit für die Kredite eine tragende Rolle in der Krise, denn wenn der Wert nicht mehr auf die Bonität der Kreditnehmer gestützt werden kann, deckt die Sicherheit den Wert der Forderung.
2. Europäische Harmonisierung
Entsprechend findet man in den neuen MaRisk gerade zu den Themen notleidende Kredite sowie Bewertung von Immobilien-Sicherheiten strenge Neuerungen, welche Fehlsteuerungen, wie sie insbesondere in der Krise erkennbar wurden, vermeiden wollen. Weiterhin sind die notleidenden Kredite auch als Hemmnis für die weitere Harmonisierung bankaufsichtsrechtlicher Regelungen durch die europäischen Gesetzgeber erkannt worden. So kann in einem Europa, in welchem die NPL-Quoten noch von einer sehr starken Heterogenität geprägt sind, beispielsweise kein einheitliches Einlagensicherungssystem eingeführt werden.[2] Ansonsten würden die Einlagen in insoweit stärkeren Ländern eine Haftungsfunktion für schwächere Länder einnehmen müssen, was diese Einlagen zu leisten gar nicht imstande sind.
3. Forbearance
Eine weitere Thematik, die sehr eng mit dem Problemfeld notleidender Kredite verbunden ist, ist Forbearance, was mitunter wenig gelungen mit „Stundung” übersetzt wird. Richtiger ist es, sich an der Definition in Art. 47b Abs. 1 CRR zu orientieren, welche von einer Konzession eines Instituts an einen Kreditnehmer ausgeht, der Schwierigkeiten hat oder wahrscheinlich haben wird, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. Mit Forbearance kann die Bank eine Überziehung größer 90 Tage und so auch einen Ausfallstatus nach Art. 178 CRR verhindern oder zu verhindern versuchen, mit der Folge, dass das notleidende Kreditportfolio kleiner ausfallen kann. Forbearance kann auch dazu führen, dass die Leistungen derart aufgeschoben werden, dass mangels laufender Zahlungsverpflichtungen des Kreditnehmers für die Bank aus der Kontoführung nicht mehr oder nur noch schwer erkennbar wird, inwiefern der Kreditnehmer kapitaldienstfähig ist. Damit wurde Forbearance zu einem weiteren Thema, welches von den MaRisk in Angriff genommen wurde.
4. Die Leitlinien als Versuch einer Lösung [...]
Beitragsnummer: 19411