Montag, 15. November 2021

Beschlussfassung einer Genossenschaft in virtueller Versammlung

Prof. Dr. Hervé EdelmannRechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner

 

Das OLG Karlsruhe (ZIP 2021, 1323) hatte bekanntlich die Beschlussfassung in einer virtuellen Vertreterversammlung als nicht ausreichend angesehen, weil die virtuelle Vertreterversammlung mangels physischer Anwesenheit der Versammlungsteilnehmer nicht den Anforderungen des § 13 Abs. 1 Satz 2 UmwG entsprochen habe.

Dies hat der Bundesgerichtshof anders gesehen. Denn in seinem diesbezüglichen Beschluss vom 05.10.2021, Az. II ZB 7/21, hält der Bundesgerichtshof fest, dass Beschlüsse der Mitglieder einer Genossenschaft auch dann nach § 3 Abs. 1 Satz 1 GesRuaCOVBekG schriftlich oder elektronisch gefasst werden können, wenn dies in der Satzung nicht ausdrücklich zugelassen ist oder die Satzung keine Regelungen zu schriftlichen, elektronischen oder virtuellen Beschlussfassungen enthält (Rn. 10). 

Das Versammlungs-Erfordernis des § 13 Abs. 1 Satz 2 UmwG stünde nach Auffassung des Bundesgerichtshofs diesem Ergebnis nicht entgegen. Denn die Regelung des § 3 Abs. 1 GesRuaCOVBekG würde ihrem Wortlaut nach uneingeschränkt für sämtliche Beschlüsse der Genossenschaftsmitglieder gelten, ohne nach den Beschlussgegenstand oder dessen Bedeutung bzw. Gewicht zu unterscheiden (Rn. 13). Zudem würde die Einbeziehung von umwandlungsrechtlichen Beschlüssen in die durch § 3 Abs. 1 GesRuaCOVBekG geschaffenen Erleichterungen dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, während der Versammlungsbeschränkungen aufgrund der COVID-Pandemie die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft zu erhalten (Rn. 12 f.). Auch der Begriff der Versammlung i. S. v. § 13 Abs. 1 Satz 2 UmwG stünde dem nach Meinung des Bundesgerichtshofs nicht entgegen. Nach herkömmlichem Verständnis dürfte zwar mit dem Begriff der Versammlung in erster Linie die körperliche Zusammenkunft der Teilnehmer gemeint sein. Aufgrund der Entwicklung der modernen Kommunikationstechniken könnten jedoch darunter nach allgemeinem Sprachgebrauch auch Zusammenkünfte, z. B. in Telefon- und Videokonferenzen, dann gefasst werden, wenn eine Erörterung des Beschlussgegenstandes gewährleistet ist (Rn. 17). Die Beschlussfassung in einer virtuellen Versammlung sei nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch mit dem Sinn und Zweck des § 13 Abs. 1 Satz 2 UmwG vereinbar (Rn. 19). Schließlich erfordere auch die nach § 13 Abs. 3 Satz 1 UmwG vorgeschriebene notarielle Beurkundung des Verschmelzungsbeschlusses keine physische Versammlung (Rn. 20).

Offen lies der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 05.10.2021 die Frage, ob sich die Zulässigkeit von Beschlussfassungen in einer virtuellen Gesellschafterversammlung bereits aus § 43 Abs. 7 GenG ergibt (Rn. 11). Offen ließ der Bundesgerichtshof zudem die Frage, ob eine Beschlussfassung in Pandemie-Zeiten auch im schriftlichen Beschlussverfahren möglich ist (Rn. 15).

 

PRAXISTIPP

Es ist aus hiesiger Sicht sehr zu begrüßen, dass der Bundesgerichtshof, anders als die Berufungsinstanz, den Genossenschaften erlaubt hat, in Pandemie-Zeiten selbst Verschmelzungsbeschlüsse in einer virtuellen Versammlung zu fassen. 

Im Hinblick auf vorstehende BGH-Entscheidung dürfte vieles dafür sprechen, dass Beschlussfassungen in Pandemie-Zeiten nicht nur virtuell, sondern auch im schriftlichen Beschlussverfahren getroffen werden können.


Beitragsnummer: 19418

Beitrag teilen:

Produkte zum Thema:

Produkticon
Fit & Proper-Praxisleitfaden

59,00 € inkl. 7 %

Beiträge zum Thema:

Um die Webseite so optimal und nutzerfreundlich wie möglich zu gestalten, werten wir mit Ihrer Einwilligung durch Klick auf „Annehmen“ Ihre Besucherdaten mit Google Analytics aus und speichern hierfür erforderliche Cookies auf Ihrem Gerät ab. Hierbei kommt es auch zu Datenübermittlungen an Google in den USA. Weitere Infos finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen im Abschnitt zu den Datenauswertungen mit Google Analytics.