Mittwoch, 16. März 2022

Erste Praxiserfahrungen mit dem PKoFoG

Bekannte, neue und nicht gelöste Fragestellungen

Lutz G. Sudergat, Leiter Marktfolge Kredit und Chefsyndikus der KSK Verden

 

Seit 01.12.2021 ist das PKoFoG nun in Kraft. Es ist bislang weitestgehend geräuschlos vonstattengegangen. Für die Schuldner hat das PKoFoG einige Verbesserungen erbracht, die es ihm leichter machen, sein Existenzminimum für den Lebensunterhalt erstmals, einfacher oder effektiver vor dem Zugriff der Pfändungsgläubiger zu schützen. Ansonsten sind aber erwartbare wie auch neue Praxisprobleme nun zutage getreten und einige bekannte Probleme bestehen einfach deswegen weiter, weil der Gesetzgeber im Rahmen des PKoFoG hierzu keine Regelungen verabschiedet hatte (dazu ausführlich Sudergat, Kontopfändung und P-Konto, 4. wes. erw. Aufl. 2022). Darauf wird nachfolgend ein kurzer Blick geworfen. 

 

P-Konto: Alter Wein in neuen Schläuchen?

Das P-Konto schützt weiterhin vor dem vollständigen Zugriff durch einen Kontopfändungsgläubiger. Regelungen zur Errichtung – und neu, zur Beendigung durch den Kontoinhaber – sind nun im § 850k ZPO geregelt, der nur noch aus fünf Absätzen besteht. Neu ist, dass das P-Konto nur noch auf Guthabenbasis geführt werden darf, § 850k Abs. 1 Satz 3 ZPO. Das gilt auch für inaktive P-Konten, auf denen also keine Kontopfändung lastet. Wie streng die Regelung auszulegen ist, ob also z. B. Bagatell-Überziehungen doch noch zulässig sind, ist ungeklärt. Nach dem reinen Wortlaut nicht; für die Praxis wünschenswert wäre aber sicherlich, dass die Belastung von Kontoführungs- oder Rücklastschrift-Entgelten oder auch geringfügiger Lastschriften, z. B. einer notwendigen Versicherung, eingelöst werden dürfen, wenn das auch im Interesse des Kontoinhabers geschieht und kurzfristig wieder durch den nächsten Zahlungseingang ausgeglichen werden kann (so auch Sudergat, a. a. O., Rn. 975). Ansonsten müsste selbst dafür ein Zweitkonto eingerichtet werden, auf das die Sollsalden des P-Kontos ausgebucht und Lastschriften konsequent zurückgegeben werden, auch wenn die Überziehung geringfügig und/oder nur wenige Tage andauern würde. Praxisgerecht wäre das nicht. Bleibt abzuwarten, ob sich eine pragmatische Vernunft durchsetzt.

 

Schutz von Guthaben auf gemeinschaftlichen Zahlungskonten, § 850l

Gänzlich neu ist, dass seit 01.12.2021 nun auch Guthaben auf gepfändeten gemeinschaftlichen Zahlungskonten schützbar sind (dazu ausführlich Knees, WM 2021, 664; Sudergat, a. a. O., Rn. 1.318 ff.). Dazu müssen die Kontoinhaber lediglich den in § 850l ZPO gesetzlich geregelten Anspruch auf Eröffnung eines (neuen) Zahlungs-Einzelkontos innerhalb eines Monats geltend machen. Auf diese Konten, die auch als P-Konto errichtet werden dürfen, können dann die Guthaben vom Gemeinschaftskonto in gleichen Teilen – oder mit Zustimmung der Gläubiger auch in abweichender Aufteilung – übertragen werden und werden dann dort im Rahmen der Freibeträge geschützt. Dies müssen die Kontoinhaber des Gemeinschaftskontos auch innerhalb eines Monats verlangen. Abweichende Aufteilungen müssen dem Kreditinstitut in Textform mitgeteilt werden und können nicht rückwirkend erfolgen. Abgesehen davon, dass es keine Regelung gibt, wenn Guthaben nicht exakt teilbar sind (100 € bei drei Mitkontoinhabern), treten in der Praxis insbesondere Probleme bei der Frage auf, wenn Zahlungspflichtige trotz unverzüglicher Änderungsmitteilung des Schuldners nicht binnen eines Monats die Zahlungsflüsse ändern können und dann noch Gutschriften auf das Gemeinschaftskonto eingehen: Hier wird wohl nur der § 765a ZPO helfen und helfen müssen, um solche Guthaben vor dem Pfändungszugriff oder der Verrechnung durch das Kreditinstitut im Rahmen des AGB-Pfandrechts zu bewahren (vgl. Sudergat, a. a. O., Rn. 1.474). Wie zu verfahren ist, wenn die Pfändungsforderung geringer als das Guthaben auf dem Gemeinschaftskonto ist, ist ebenfalls unklar. Da § 850l ZPO auch den nichtschuldnerischen Mitkontoinhaber vor Verlust seiner Guthaben-Anteile schützen soll, wird man hier trotzdem zunächst das gesamte Gemeinschaftskonto-Guthaben anteilig übertragen müssen. Abzuwarten wird auch bleiben, ob dieser neue Schutz, nicht ggf. missbrauchsanfällig ist. Denn kurz vor der Kontopfändung, die meist angekündigt wird oder absehbar ist, einen zusätzlich Mitkontoinhaber aufzunehmen, könnte natürlich Guthaben vor dem Pfändungszugriff bewahren, da sich die Pfändung nur am neu errichteten Schuldner-Einzelkonto fortsetzt, nicht aber am neuen Einzelkonto des nichtschuldnerischen Mitkontoinhabers, § 850l Abs. 4.

 

Der neue, umfängliche Aufrechnungs- und Verrechnungsschutz, § 901 ZPO

Guthaben wird durch die §§ 850k ff. und 899 ff. nicht nur vor dem Zugriff der Kontopfändungsgläubiger geschützt, sondern durch den neuen § 901 Abs. 1 – im Rahmen der Freibeträge – auch vor dem Zugriff des eigenen Kreditinstitutes, auch dann, wenn gar keine Kontopfändung auf dem Konto lastet. Das ist ein Paradigmenwechsel, da das P‑Konto nunmehr auch zum Aufrechnungs- und Verrechnungsschutzkonto wird! Belastungen zu Lasten der Freibeträge sind nur noch möglich, wenn der Schuldner es zulässt bzw. nicht widerspricht. Damit kann sich ein Schuldner seines Sollsaldos entledigen, ohne dass das Kreditinstitut auf sein AGB-Pfandrecht zurückgreifen kann. Das gilt für alle Zahlungseingänge und zeitlich unbefristet, also solange, bis der wegen der gesetzlichen Vorschrift, P-Konten im Guthaben zu führen, auf ein Zweitkonto ausgebuchte Sollsaldo vollständig abgetragen ist. Größtes Praxisproblem wird sein, dass der Schuldner auch im Rahmen des § 901 seine (erhöhten) Pfändungsfreibeträge mittels Bescheinigung nachweisen muss. Da das aber nicht explizit gesetzlich geregelt ist, vor allem aber nicht, dass – wie im Rahmen des § 905 ZPO – die Vollstreckungsgerichte ersatzweise eine Bescheinigung mittels Beschlusses festzusetzen haben, wenn der Schuldner trotz Bemühungen keine Bescheinigung erlangen kann, ist leider zu erwarten, dass der Schuldner hier wieder eine Odyssee vor sich haben wird, um einen Nachweis zu erhalten. Der Gesetzgeber ignoriert beharrlich, dass eine stetig weiter stellengekürzte und überlastete (Vollstreckungs-)Justiz sich in dieser Not eigene Ventile schafft, indem es immer dann, wenn ein Tätigwerden nicht explizit und zweifelsfrei angewiesen ist, sich verweigern und an andere Stellen verweisen wird. 

 

Bescheinigbare Erhöhungsbeträge, §§ 902, 903

Welche Erhöhungsbeträge bescheinigt werden können, regelt nun § 902 sowie – erstmals gesetzlich geregelt – § 904 Abs. 1 und 2 für die Nachzahlung laufender Leistungen. In § 903 sind dann die Anforderungen an die Nachweise für Erhöhungsbeträge geregelt, der erstmals auch inhaltliche Vorgaben macht. Abgesehen davon, dass der Katalog in § 902 nun deutlich mehr Geldleistungen durch Bescheinigungen schützbar aufzählt und § 903 auch weitere Stellen zulässt, die eine Bescheinigung ausstellen dürfen (z. B. die Stiftung Mutter und Kind), hat der Gesetzgeber zwei weitere Neuerungen implementiert: Eine Bescheinigungspflicht, korrespondierend mit einem Recht des Schuldners, auf Verlangen eine Bescheinigung verlangen zu können sowie die Maßgabe, dass unbefristete Bescheinigungen von drittschuldnerischen Kreditinstitut grds. mindestens für zwei Jahre akzeptiert werden müssen, § 903 Abs. 2. Allerdings gelten sowohl die Pflicht zur Ausstellung als auch die inhaltlichen Anforderungen einer Bescheinigung nur für Familienkassen, Sozialleistungsträger oder einer mit der Gewährung von Geldleistungen i. S. d. § 902 Satz 1 befassten Einrichtung, nicht für Arbeitgeber oder z. B. Schuldnerberatungsstellen oder Rechtsanwälte. In der Praxis wird das dazu führen, dass mehr – und regelmäßig nur befristete – Teil-Bescheinigungen ausgestellt werden und der Schuldner sich diese von verschiedenen Stellen ausstellen lassen muss, da die Verpflichtung zur Ausstellung sich nur auf die eigenen gewährten Leistungen beschränkt. Für drittschuldnerische Kreditinstitute wird die Herausforderung sein, hieraus den – ggf. für jeden Monat abweichenden – richtigen Freibetrag zu ermitteln (siehe entsprechende Beispiele bei Sudergat, a. a. O., Rn. 1.857). Hinzukommt, dass der § 902, z. B. in Satz 1 Nr. 6 ZPO, festlegt, dass eine Geldleistung nur dann bescheinigbar ist, wenn die Unpfändbarkeit im Leistungsgesetz selbst festgelegt ist (Jungmann, WuB 2021, 322). Ist das nicht der Fall, ist das Vollstreckungsgericht nach § 906 gefragt. Weiteres Problem: In § 904 Abs. 1 ZPO, der die unbeschränkte Bescheinigbarkeit von nachgezahlten laufenden Geldleistungen regelt, fehlt ein Verweis auf § 902 Nr. 2, so dass diese nur bis zu einem Zahlbetrag von 500 € bescheinigbar sind (§ 904 Abs. 2), was für Pflegegelder, die häufig nachgezahlt werden, stets eine aufwändige vollstreckungsgerichtliche Freistellung erfordert. Zudem ist feststellbar, dass sich – rechtswidrigerweise – Vollstreckungsgerichte verweigern, Beschlüsse zu diesen Nachzahlungen zu fassen, weil sie irrigerweise der Meinung sind, die auszahlenden Stellen nach § 903 könnten die Bescheinigung über die Nachzahlung ausstellen. Die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) hat eine neue Musterbescheinigung aufgelegt, die die neuen Konstellationen vollständig abbildet. Teilweise werden aber von Kommunen, der Agentur für Arbeit oder anderen Stellen eigene, nur daran orientierte Musterbescheinigungen verwendet, die in Einzelfällen Mängel aufzeigen und durch drittschuldnerische Kreditinstitute nicht akzeptiert werden dürfen (Sudergat, a. a. O., Rn. 1.856). Der Gesetzgeber hatte sich – trotz Forderungen von verschiedenen Stellen – nicht dazu durchringen können, ein gesetzlich vorgeschriebenes einheitlich zu verwendendes Muster zu schaffen. Unklar ist auch weiterhin, wie alt eine Bescheinigung bei Vorlage maximal sein darf und damit auch die Frage der Wiederverwendbarkeit einer solchen unbefristeten Bescheinigung, z. B. wenn zwischen zwei Pfändungen mehrere Monate liegen. Grds. sollten drittschuldnerische Kreditinstitut im Hinblick auf § 903 Abs. 2 Satz 2 hier künftig großzügiger sein. 

 

InsO: Enttäuschend geringfügige Anpassungen

Im Rahmen der InsO hätte man sich die gleiche Klarstellungsfülle wie im Rahmen des § 850k gewünscht, wo sie eher zu exzessiv erfolgte. Diese Erwartung wurde aber durch den Gesetzgeber bitter enttäuscht, denn übrig geblieben ist nur eine kleine Ergänzung in § 36 Abs. 1 InsO: Im neuen Satz 3 wurde lediglich geregelt, dass Verfügungen des Schuldners über nicht von der Pfändung erfasstes Guthaben im Rahmen des P-Kontos zu ihrer Wirksamkeit nicht der Freigabe dieses Kontoguthabens durch den Insolvenzverwalter bedürfen. Dagegen wurde das die Praxis (arbeitsaufwands-)belastende Problem der „Verstrickung“ nicht klarstellend geregelt. In einer „Länderumfrage Modernisierung des Insolvenzrechtes“ des Bay. Staatsministeriums für Justiz v. 28.10.2021 wurde immerhin gefordert, mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens einerseits und andererseits mit Erteilung der Restschuldbefreiung kraft Gesetzes die Verstrickung entfallen zu lassen, um Beschlüsse zur Beseitigung (= Aussetzung) in Zukunft entbehrlich zu machen (siehe unter https://www.bak-inso.de/dokumente-stellungnahmen/gesetzgebung/). Bleibt abzuwarten, was daraus wird. Auch dass bzw. ob das P-Konto und ggf. auch das noch umwandelbare Zahlungskonto insolvenzfest sind, wäre regelungsbedürftig gewesen, bleibt aber wohl der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorbehalten. Zumindest die herrschende Meinung scheint das bei Insolvenzeröffnung schon bestehende P-Konto richtigerweise als insolvenzfest zu betrachten, während dies für das noch umwandelbare Zahlungskonto eher abgelehnt wird. Zunehmend scheinen sich allerdings Meinungen zu bilden (AG Kandel, Urt. v. 17.01.2011 – 1 C 531/10, BeckRS 2011, 22915; ebenso Cranshaw/Welsch, DZWIR 2016, 53, 63), die dies – trotz der Rechtsfolgen der §§ 115, 116 InsO – ebenfalls befürworten, wozu auch der Autor gehört.


PRAXISTIPPS

  • Kurzfristige Bagatell-Überziehungen durch Belastung von Kontoführungs- oder Rücklastschrift-Entgelten können trotz gesetzlicher Vorschrift, das P‑Konto nur noch im Guthaben zu führen, toleriert und trotz § 901 mit pfändungsfreiem Guthaben verrechnet werden.
  • Das Zweikontenmodell wird weiterhin die gängige Lösung sein, das P-Konto kreditorisch zu führen.
  • Bei der Pfändung von gemeinschaftlichen Zahlungskonten können abweichende Aufteilungen von Guthaben, die dem drittschuldnerischen Kreditinstitut in Textform mitgeteilt werden müssen, nicht rückwirkend erfolgen.
  • Erfolgen Gutschriften nach Ablauf von einem Monat noch auf das Gemeinschaftskonto, unterliegt sich daraus ergebendes Guthaben der Pfändung bzw. dem ggf. vorrangigen AGB-Pfandrecht; im Einzelfall kann evtl. ein 765a-Beschluss diese Guthaben auch nach Überschreitung der Frist noch der Pfändung/Verrechnung entziehen.
  • Kreditinstitute sollten wegen des Verrechnungsschutzes des § 901 darauf hinwirken, dass nicht mehr benötigte P-Konten vom Schuldner wieder in Zahlungskonten ohne Pfändungsschutz rückumgewandelt werden. Hier empfiehlt sich ein regelmäßiges Screening zur Identifikation solcher inaktiven P-Konten.    
  • Im Hinblick auf neuen Bescheinigungsformen sollten Mitarbeiter der Kreditinstitute geschult sein, um ggf. verschiedene Teil-Bescheinigungen in einen (!) Freibetrag korrekt zu transferieren. 
  • Unbefristete Bescheinigungen sollten zur Arbeitsentlastung der drittschuldnerischen Kreditinstitut mehrfach und auch dann akzeptiert werden, wenn sie bei Vorlage älter als drei Monate sind.
  • Zweifelsfälle sollten – entsprechend dem Gesamt-Duktus des PKoFoG – künftig tendenziell eher schuldnerschützend interpretiert werden. 

Beitragsnummer: 19496

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