Samstag, 30. April 2022

Ansatzpunkte zur effizienten Umsetzung der Organkreditvorschriften

Im Zuge der Erweiterung der Organkreditvorschriften gewährt die Aufsicht eine Reihe von Erleichterungen, die eine Optimierung der zugrundeliegenden Prozesse ermöglichen

Frédéric Kirsch, Referent Bankaufsichtsrecht, Prüfung Genossenschaftsbanken, Genossenschaftsverband Weser-Ems e.V.

 

I. Novellierung der bankaufsichtsrechtlichen Organkreditvorschriften durch das Risikoreduzierungsgesetz

Um der Gefahr von Interessenskonflikten und Vorteilsnahme entgegenzuwirken, unterliegen die Kredite eines Instituts an die Organe des eigenen Hauses gesonderten Regelungen, den sogenannten Organkreditvorschriften, welche in Deutschland im Kreditwesengesetz (KWG) im eigens hierfür geschaffenen § 15 geregelt sind. Zum Ausgleich von Abweichungen zu diesbezüglichen Standards des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht (Grundsatz 20 der Grundsätze für eine wirksame Bankenaufsicht aus September 2012) und zur nationalen Umsetzung entsprechender Vorgaben aus der im Juni 2019 erfolgten Novelle der Kapitaladäquanzrichtlinie (Capital Requirements Directive – CRD V) wurde das Organkreditregime des KWG im Dezember 2020 durch das sogenannte Risikoreduzierungsgesetz umfassend erweitert. 

Sowohl der persönliche als auch der sachliche Anwendungsbereich wurden spürbar ausgedehnt. So gelten fortan neben den Ehegatten, Lebenspartnern und minderjährigen Kindern auch die volljährigen Kinder sowie die Eltern eines Bankleiters, Aufsichtsrates, Prokuristen oder Gesellschafters eines Instituts in der Rechtsform GmbH, OHG, KG oder KGaA als Organe der jeweiligen Bank (siehe Abbildung 1). Die Tatbestände Nr. 1 bis 5 und 12 werden in diesem Zusammenhang als Personenorgane, die Tatbestände Nr. 6 bis 11 als Unternehmensorgane bezeichnet. Ferner gilt der Organtatbestand auf der Ebene der Gruppen verbundener Kunden nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 CRR (GvK). Dies bedeutet, dass alle Kunden, die sich mit einem Personen- oder Unternehmensorgan in einer GvK befinden, ebenfalls als Organe des entsprechenden Instituts gelten. 

 

[...]
Beitragsnummer: 19519

Organtatbestand

Norm

Geschäftsleiter/Bankvorstände

§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KWG

Gesellschafter eines Instituts in der Rechtsform GmbH, OHG, KG oder KGaA

§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KWG

Aufsichtsratsmitglieder

§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KWG

Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte

§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 KWG

Ehegatten, Lebenspartner, Kinder (auch volljährige) und Eltern von 1.–4.

§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 KWG

Stille Gesellschafter des Instituts

§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 KWG

Unternehmen in der Rechtsform einer juristischen Person oder einer Personenhandelsgesellschaft, wenn ein Geschäftsleiter, ein Prokurist oder ein zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigter Handlungsbevollmächtigter des Instituts oder dessen Ehegatte, Lebenspartner, Kind oder Elternteil gesetzlicher Vertreter oder Mitglied des Aufsichtsorgans der juristischen Person oder Gesellschafter der Personenhandelsgesellschaft ist.

§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 KWG

Unternehmen in der Rechtsform einer juristischen Person oder einer Personenhandelsgesellschaft, wenn ein gesetzlicher Vertreter der juristischen Person, ein Gesellschafter der Personenhandelsgesellschaft, ein Prokurist oder ein zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigter Handlungsbevollmächtigter dieses Unternehmens dem Aufsichtsorgan des Instituts angehört.

§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 KWG

Unternehmen, an denen das Institut oder eine der in den Nummern 1 bis 5 genannten Personen eine bedeutende Beteiligung hält oder bei denen das Institut oder eine der in den Nummern 1 bis 5 genannten Personen persönlich haftender Gesellschafter ist.

§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 KWG

Unternehmen, die an dem Institut mit mehr als zehn vom Hundert des Kapitals des Instituts beteiligt sind.

§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 10 KWG

Unternehmen in der Rechtsform einer juristischen Person oder einer Personenhandelsgesellschaft, wenn ein gesetzlicher Vertreter der juristischen Person oder ein Gesellschafter der Personenhandelsgesellschaft an dem Institut mit mehr als 10 % des Kapitals beteiligt ist.

§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 KWG

Persönlich haftende Gesellschafter, Geschäftsführer, Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsorgans, Prokuristen und an zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigte Handlungsbevollmächtigte eines von dem Institut abhängigen Unternehmens oder das Institut beherrschenden Unternehmens sowie ihre Ehegatten, Lebenspartner, Kinder und Eltern.

§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 12 KWG

Abbildung 1: Die Tatbestände des persönlichen Anwendungsbereichs der Organkreditvorschriften nach § 15 KWG

 

Während der sachliche Anwendungsbereich bislang nach § 21 Abs. 1 KWG auf herkömmliche Kredittatbestände begrenzt war (im Folgenden: Organkredite), sind gem. § 15 Abs. 6 KWG nunmehr auch alle Geschäfte, „die keine Kredite im Sinne von § 21 Absatz 1 sind“ (im Folgenden: Organgeschäfte) sowie Direktabschreibungen auf Forderungen erfasst. 

Nach Klarstellung der Aufsicht ist dieser Geschäftsbegriff weit auszulegen und greift immer dann, wenn ein Vertrag geschlossen wird und die Möglichkeit besteht, dass aufgrund der Organstellung des Vertragspartners das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung nicht angemessen ist und hieraus ein Vermögensabfluss zu Lasten des Instituts resultieren kann. Ungeachtet dieser Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereiches auf Geschäfte und Direktabschreibungen ist der § 15 KWG nach wie vor lediglich mit dem Titel Organkredite überschrieben und auch die Bankpraxis spricht diesbezüglich weiterhin von den Organkreditvorschriften oder dem Organkreditregime. Nachdem die Erstanwendung der erweiterten Anwendungsbereiche ursprünglich vorgesehen war zum 29.12.2020, wurde den Instituten in Form einer E-Mail der BaFin an das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) im Juni 2021 ein Aufschub gewährt, diese Neuerungen vollständig erst zum Jahresende 2021 umsetzen zu müssen. Hintergrund dieses Zugeständnisses war eine außergewöhnlich hohe Anzahl von praktischen Umsetzungsfragen, die von Seiten der Bankindustrie an die Aufsicht herangetragen wurden. Hieraus entwickelte sich ein ausführlicher Diskurs, der als Ergebnis im September 2021 die Veröffentlichung eines konkretisierenden BaFin-Schreibens mit ergänzenden Arbeitshilfen und einer FAQ-Liste zu den geänderten Organkreditbestimmungen hervorbrachte (Schreiben der BaFin an die Spitzenverbände der deutschen Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute vom 14.09.2021).

 

II. Bagatellregelungen und prozessuale Erleichterungen

1. Befreiung von den Organkreditpflichten nach § 15 Abs. 3 KWG

Die Organkreditvorschriften des KWG verlangen vor der Vergabe oder Direktabschreibung von Organkrediten sowie vor dem Abschluss eines Organgeschäftes zum einen die einstimmige Zustimmung des Vorstands und die mehrheitliche Zustimmung des Aufsichtsorgans (die sogenannte Beschlussfassungspflicht) und zum anderen den Nachweis über die Marktmäßigkeit der zugrunde liegenden Konditionen (die sogenannte Marktgerechtigkeitsprüfung). Das KWG selbst eröffnet in Form des § 15 Abs. 3 drei Bagatellregelungen, die bei Unterschreiten sowohl die Beschlussfassung als auch die Marktgerechtigkeitsprüfung für die betroffenen Sachverhalte entbehrlich machen. Im Ergebnis entfallen die Organkreditvorschriften in diesen Konstellationen somit vollumfänglich. Die Bagatellen des § 15 Abs. 3 KWG sind im Einzelnen wie folgt ausgestaltet:


a) Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 KWG)

Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte sowie deren Ehe-/Lebenspartner, Kinder und Eltern, sofern der Betrag des Organkredites oder des Organgeschäftes ein Bruttojahresgehalt des Prokuristen oder des Handlungsbevollmächtigten nicht überschreitet. Hierbei wird immer Bezug auf das Gehalt des Prokuristen bzw. Handlungsbevollmächtigten selbst genommen. Dies bedeutet, dass dieses Einkommen auch dann die maßgebliche Bagatellgrenze darstellt, wenn der Organkredit oder das Organgeschäft mit seinen ggf. volljährigen Kindern oder Eltern abgeschlossen wird. 

 

b) Unternehmensorgane, stille Gesellschafter und konzernbezogene Personenorgane (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 KWG)

Beträge aus Organkrediten und -geschäften mit Unternehmensorganen, die < 1 % der anrechenbaren Eigenmittel nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 71 CRR oder < 50 TEUR sind. Für die Inanspruchnahme dieser Bagatellregelung ist es ausdrücklich ausreichend, wenn eine der beiden Grenzen unterschritten wird. Dies wurde zuletzt von der BaFin selbst im Zuge der angesprochenen Konsultation mit der Bankindustrie im Rahmen der Umsetzung der neuen Organkreditvorschriften bestätigt.

 

c) Personen- und Unternehmensorgane (§ 15 Abs. 3 Nr. 3 KWG)

Sämtliche Organkredite und -geschäfte, die um weniger als 10 % des zuletzt beschlossenen Betrags erhöht werden (sogenannter „10 %-Freibetrag“). Diese Bagatellregelung bezieht sich auf den gesamten persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich des § 15 KWG und stellt somit die umfassendste der drei Bagatellen dar. Abbildung 2 veranschaulicht die praktische Handhabung dieser Erleichterung anhand eines Beispiels für Organkredite.

 

Organkredithöhe

Organkreditbeschlussfassung und Marktgerechtigkeitsprüfung

Tilgungen

Höhe des „10 %-Freibetrags“

Anmerkungen

Organkredit A: Kreditwunsch i. H. v. 1 Mio. EUR

Beschlussfassung und Marktgerechtigkeitsprüfung sind erforderlich

1 Mio. EUR * 0,1 = 100 TEUR

Erstmalige Kreditvergabe an betroffenes Organ

 

Organkredit A: Tilgungsleistung erfolgt

100 TEUR, Restschuld somit 900 TEUR

1 Mio. EUR * 0,1 = 100 TEUR

Maßgeblich für die Höhe der Bagatellgrenze ist der ursprünglich beschlossene Betrag, nicht die Restschuld

Organkredit B: Neuer Kreditwunsch i. H. v. 100 TEUR

Verzicht auf Beschlussfassung und Marktgerechtigkeitsprüfung, da Höhe des Kreditwunsches innerhalb des „10 %-Freibetrags“

Freibetrag wird vollumfänglich ausgeschöpft

 

Organkredit C: Neuer Kreditwunsch i. H. v. 300 TEUR

Beschlussfassung und Marktgerechtigkeitsprüfung sind erforderlich. Das zu beschließende Volumen umfasst das gesamte bestehende Engagement (Organkredit A: 900 TEUR + Organkredit B: 100 TEUR + Organkredit C: 300 TEUR = 1,3 Mio. EUR)

1,3 Mio. EUR * 0,1 = 130 TEUR.

 

In Folge sind Kreditausreichungen an dieses Organ bis zu 130 TEUR ohne Beschlussfassung und Marktgerechtigkeitsprüfung möglich

 

Abbildung 2: Beispiel zur Bagatellregelung gem. § 15 Abs. 3 Nr. 3 KWG. Annahme: Die weiteren Ausnahmen nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 und 2 KWG sind hier jeweils nicht einschlägig

 

Gemäß Aussage der BaFin beläuft sich der maßgebliche Betrag eines Organgeschäftes bzgl. der drei obenstehenden Bagatellen auf das jeweilige Geschäftsvolumen des Geschäftes, werden mehrere Organgeschäfte mit demselben Organ getätigt, sind die einzelnen Volumen aufzusummieren. Bei Dauerschuldverhältnissen ist auf das Geschäftsvolumen des Kalenderjahres abzustellen. Dies betrifft bspw. Unternehmensorgane, mit denen die Bank einen Dienstleistungsvertrag abgeschlossen hat, z. B. für die Reinigung der Bankgebäude oder das Catering für die Veranstaltungen des Hauses. Handelt es sich bei der betrachteten Transaktion für das Institut um einen steuerabzugsfähigen Betrag, so darf es auf den Nettorechnungsbetrag ohne Umsatzsteuer abstellen, andernfalls ist der Bruttorechnungsbetrag anzusetzen. Ferner gestattet die BaFin, die Bagatellgrenzen nach Abs. 3 für Organkredite und Organgeschäfte getrennt anzuwenden, innerhalb dieser beiden Kategorien sind die Positionen allerdings kumuliert auf die jeweilige Bagatelle anzurechnen. Aufgrund der methodischen Ausgestaltung stellt dies in allen drei Fällen eine Erleichterung für die Banken dar, da die maßgeblichen Schwellenwerte bei getrennter Aufsummierung von Organkrediten und Organgeschäften weniger schnell überschritten werden.

 

2. Weitere Erleichterungen und Klarstellungen im Rahmen der Marktgerechtigkeitsprüfung

Neben diesen im KWG selbst verankerten Entlastungen nach § 15 Abs. 3 hat die BaFin mit Veröffentlichung ihres bereits angesprochenen Schreibens aus September 2021 weitere Erleichterungen und Klarstellungen hinsichtlich der Marktgerechtigkeitsprüfung für Organgeschäfte ausgesprochen. Hierbei werden die Organgeschäfte zunächst unterschieden in sogenannte institutstypische, andere institutstypische und nicht-institutstypische Geschäfte. 

Institutstypische Geschäfte umfassen das klassische Kundengeschäft, wie z. B. das Einlagengeschäft oder die Konto- und Depotführung. Hiervon abgegrenzt werden sogenannte andere institutstypische Geschäfte, zu denen das Provisions- und Vermittlungsgeschäft (bspw. Bauspar- oder Versicherungsgeschäfte) zählen. Die Gruppe der nicht-institutstypischen Geschäfte bezieht sich auf weitere Geschäfte mit Kunden und Dienstleistern und betrifft vorrangig Dienstleistungs- oder Kaufverträge, z. B. für Handwerksleistungen an den Bankgebäuden. Für die institutstypischen und anderen institutstypischen Geschäfte gilt die Marktmäßigkeit der Konditionen stets als gegeben, sofern sich diese aus dem Preis- und Leistungsverzeichnis der Bank ergeben, so dass in solchen Fällen keine weiteren Nachweishandlungen erforderlich sind. 

Für Bankmitarbeiter gelten selbstverständlich auch die standardmäßigen Mitarbeiterkonditionen des jeweiligen Hauses als marktgerecht, welche häufig in Form von Betriebsvereinbarungen geregelt sind. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass solche Mitarbeiterkonditionen gemäß einem BaFin-Schreiben aus Februar 2003 auch Bankvorständen gewährt werden dürfen und dann als marktgerecht gelten, da in diesem Kontext nicht auf den arbeitsrechtlichen Mitarbeiterbegriff abgestellt wird, sondern alle Angestellten eines Instituts erfasst sind. Im Fall von Aufsichtsräten, die keine Mitarbeiter der Bank sind, gelten Mitarbeiterkonditionen hingegen ausdrücklich nicht als marktgerecht im Sinne der Organkreditvorschriften. Ferner gewährt die BaFin weitere prozessuale Erleichterungen, die sich vorrangig auf die nicht-institutstypischen Geschäfte beziehen. Demnach ist keine Marktgerechtigkeitsprüfung erforderlich, sofern auf ein Organgeschäft eine der folgenden vier Konstellationen zutrifft: Es handelt sich um ein eilbedürftiges Geschäft, wie die Beauftragung eines Handwerkers nach einem Wasserrohrbruch, um ein standardisiertes Geschäft innerhalb einer Institutsgruppe, wie der Genossenschaftlichen FinanzGruppe oder der Sparkassen-Finanzgruppe, um ein Geschäft welches innerhalb eines Vergabeverfahrens oder unter Einhaltung vergaberechtlicher Vorgaben abgeschlossen wurde oder Geschäfte, bei denen aufgrund der Struktur kein Vergleichsangebot eingeholt werden kann. Letzteres trifft z. B. auch dann zu, wenn eine Regionalbank in ihrer Satzung die Förderung der Wirtschaft ihres Geschäftsgebiets verankert hat und für eine bestimmte Dienstleistung nur ein einziger Anbieter in diesem Einzugsbereich ansässig ist. 

Darüber hinaus wird den Banken die Möglichkeit eingeräumt, eine weitere institutsindividuelle Bagatellgrenze in Abhängigkeit von Größe und Risikogehalt zu beschließen (Maximalhöhe 50 TEUR). Für betragsmäßig unterhalb dieser individuellen Schwelle liegende Organgeschäfte ist ebenfalls keine Marktgerechtigkeitsprüfung erforderlich. Der Unterschied zu den vier oben genannten Konstellationen besteht jedoch darin, dass für die getätigten Geschäfte unterhalb dieser Grenze zusätzlich jährlich anhand von Stichproben ex-post zu prüfen ist, ob das Marktmäßigkeitsgebot auch tatsächlich eingehalten wurde. Da es sich hierbei um eine nachgelagerte Prüfung handelt, kann diese im Kontext der Innenrevisionsrichtlinien durchgeführt werden. 

Für alle anderen Fälle von Organgeschäften beschreibt die BaFin ihre Erwartungshaltung an eine aufsichtskonforme Marktgerechtigkeitsprüfung wie folgt: Eine vereinbarte Kondition gilt grundsätzlich dann als marktmäßig, wenn sie nicht maßgeblich abweicht von einem Mittelwert, der aus mindestens drei Vergleichsangeboten zu bilden ist. Der Begriff der maßgeblichen Abweichung wird in diesem Zusammenhang aufsichtsseitig nicht weiter quantifiziert. Größere Abweichungen können im Ausnahmefall ebenfalls als marktgerecht gelten, wenn sie im Einzelfall gerechtfertigt sind, z. B. durch eine besonders hohe Qualität oder etwaige Zusatzleistungen. Als Vergleichsangebot gelten sowohl Angebotspreise die direkt bei einem Anbieter erfragt werden, z. B. auf Basis eines Kostenvoranschlags, als auch öffentlich zugängliche Preise, bspw. aus Vergleichsportalen. Für Letztgenanntes gilt, dass auffällig günstige Konditionen, wie Lockangebote, aus Vorsichtsgründen von der Mittelwertberechnung auszuschließen sind. Abbildung 3 gibt einen schematischen Überblick über diese gewährten Erleichterungen und Klarstellungen.

 

Art des Organgeschäftes

Erleichterungen

Institutstypische Geschäfte

Kundengeschäft

Die Marktmäßigkeit erfolgt aus der Berücksichtigung des Preis- und Leistungsverzeichnisses.

 

Andere institutstypische Geschäfte

Provisions- oder Gebührenbasis, Vermittlungsgeschäfte

Nicht-institutstypische Geschäfte

Weitere Geschäfte mit Kunden und Dienstleistern

Stets marktmäßig sind Geschäfte:

  1. die eilbedürftig sind (z. B. Wasserrohrbruch),
  2. innerhalb einer Institutsgruppe (z. B. der Genossenschaftlichen FinanzGruppe oder der Sparkassen-Finanzgruppe),
  3. aus Vergabeverfahren,
  4. bei denen strukturell kein Vergleichsangebot möglich ist.

 

Institutsindividuelle Bagatellgrenze bis zu 50 TEUR:

  • Bei Geschäften unterhalb dieser Bagatellgrenze kann unter gewissen Voraussetzungen auf eine Einzelfallprüfung zur Marktgerechtigkeit verzichtet werden.

Abbildung 3: Erleichterungen für die Marktgerechtigkeitsprüfung von Organgeschäften

 

3. Die Möglichkeit der Vorratsbeschlussfassung für Personenorgankredite und -geschäfte

Das KWG erlaubt mittels § 15 Abs. 4 S. 6 die Beschlussfassungspflichten für Personenorgankredite und -geschäfte in Form von Vorratsbeschlüssen zu erfüllen. Diese prozessuale Erleichterung ist auf einen Zeitrahmen von maximal einem Jahr im Voraus beschränkt und mit folgenden weiteren formalen Erfordernissen verbunden: Für Organkredite und nicht-institutstypische Organgeschäfte wird die Nennung eines maximalen Kredit- oder Geschäftsbetrags gefordert, wobei in diesem Kontext keine aufsichtlich definierte Höchstgrenze existiert.

Ferner wird bei Organkrediten die Aufnahme von Bestimmungen über die Verzinsung und Rückzahlung verlangt. Vorratsbeschlüsse sind sowohl für einzelne Organe als auch für (Teil-)Gruppen von Organen möglich, wie bspw. die Gruppe der Geschäftsleiter oder der Aufsichtsräte. Mit Veröffentlichung ihres Schreibens zu den geänderten Organkreditvorschriften im September 2021 hat die BaFin den Instituten als Arbeitshilfe einen Mustervorratsbeschluss für Personenorgangeschäfte an die Hand gegeben. Für Personenorgankredite existiert eine solche offizielle Vorlage von Seiten der Aufsicht bislang nicht. Dies liegt vordergründig daran, dass Personenorgangeschäfte erst seit Kurzem Teil der Organkreditvorschriften sind und die BaFin den Instituten über dieses Musterdokument zusätzliche Sicherheit bei der Umsetzung der Neuerung geben wollte, Personenorgankredite und die damit verbundene Möglichkeit der Vorratsbeschlussfassung in vielen Häusern hingegen schon seit vielen Jahren geübte Praxis sind. 

 

4. Weitere Vorgaben zur Behandlung von Einlagengeschäften

Aufgrund der hervorgehobenen Bedeutung des Einlagengeschäftes für eine Vielzahl der deutschen Kreditinstitute wurde im Rahmen des angesprochenen Austausches zwischen Aufsicht und Bankindustrie folgendes Vorgehen vereinbart: Einlagengeschäfte sind bis auf Weiteres von einer Anrechnung auf die Bagatellgrenzen nach § 15 Abs. 3 KWG befreit. Für die Praxis bedeutet dies, dass für das Einlagengeschäft mit sämtlichen Unternehmensorganen sowie Prokuristen, Handlungsbevollmächtigten und deren nahestehenden Personen keine Beschlussfassung erforderlich ist, da durch die Nichtanrechnung die jeweiligen Schwellenwerte nicht überschritten werden können.  

Für die Gruppe der weiteren Personenorgane ist die Beschlussfassung zwar weiterhin verpflichtend, sie darf jedoch, wie bereits erläutert, in Form eines Vorratsbeschlusses ohne Benennung eines Maximalbetrags erfolgen. Ungeachtet dessen stellt die BaFin ergänzend klar, dass die Marktmäßigkeit bei Einlagengeschäften in jedem Fall zu gewährleisten ist, wobei hier eine Verknüpfung zum Preis- und Leistungsverzeichnis ausreicht.

 

III. Best-Practice-Beispiele zur Neugestaltung des Organkreditbearbeitungsprozesses

Die umfassende Erweiterung der Anwendungsbereiche der Organkreditvorschriften sowie die Vielzahl neugewährter Erleichterungen und Klarstellungen erfordert eine Umgestaltung des prozessualen Ablaufs der Bearbeitung von Organkrediten und -geschäften. Hinzu kommen einmalige Tätigkeiten, die im Zuge der Implementierung der neuen Organkreditvorschriften initial durchzuführen sind. Abbildung 4 gibt einen zusammenfassenden Überblick über die wesentlichen Gesichtspunkte.

 

Aspekt

Tätigkeit

Häufigkeit (initial/laufend)

Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereichs

Identifikation der neuen Organtatbestände durch die Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereichs auf volljährige Kinder und Eltern sowie deren Unternehmensbeziehungen. Bei dieser Erfassung ist zu beachten, dass alle Kunden, die sich mit einem Institutsorgan in einer Gruppe verbundener Kunden gem. Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 CRR befinden, ebenfalls als Organ der Bank gelten. (Hinweis: Für diese Erfassung kann bspw. der IDW-Prüfungsstandard 255 (IDW PS 255, IDW RS HFA 33) über „Beziehungen zu nahestehenden Personen im Rahmen der Abschlussprüfung“ als Prozessvorlage herangezogen werden).

laufend (anlassbezogen, z. B. bei personeller Änderung im Aufsichtsrat)

Institutsindividuelle Bagatellgrenze zur Marktmäßigkeitsprüfung für Organgeschäfte (Maximalhöhe 50 TEUR)

Beschlussfassung über die institutsindividuelle Bagatellgrenze in Abhängigkeit von Größe und Risikogehalt:

  • Eine einfache Bankbeschlussfassung ist ausreichend, eine zusätzliche Genehmigung durch den Aufsichtsrat nicht erforderlich.
  • Soweit das Risiko aus Geschäften mit Organen aufgrund besonderer Umstände des Institutes nicht überdurchschnittlich hoch ist, kann als institutsindividuelle Bagatellgrenze grundsätzlich die vorgesehene Maximalgrenze von 50 TEUR verwendet werden.

initial (ggf. Anpassung bei Änderung wesentlicher Einstufungsparameter)

Festlegung des Prozesses und der Zuständigkeit für die jährlich durchzuführende Stichprobenkontrolle:

  • Da es sich hierbei um eine nachgelagerte Prüfung handelt, kann diese Prüfungstätigkeit der Innenrevision zugewiesen werden.

initial

Institutstypische und andere institutstypische Geschäfte mit Personenorganen

Fassung eines Vorratsbeschlusses ohne Betragsangabe für institutstypische und andere institutstypische Geschäfte mit Personenorganen, wie bspw. dem Einlagengeschäft oder der Konto- und Depotführung (Hinweis: Geltungsdauer auf ein Jahr beschränkt, danach ist eine Neufassung erforderlich). 

laufend (i. d. R. jährlich)

Organkredite und nicht-institutstypische Geschäfte mit Personenorganen

Überprüfung weiterer Kredit- und Dienstleistungsgeschäfte mit Personenorganen: Sofern sich Kreditierungsbedarf abzeichnet oder nicht-institutstypische Geschäfte eingegangen werden sollen, empfiehlt sich eine Vorratsbeschlussfassung zur Prozessverschlankung (Hinweis: Die Geltungsdauer des Vorratsbeschlusses ist auch hier auf ein Jahr befristet).

Bagatellgrenzen nach § 15 Abs. 3 Nr. 1–3 KWG

Anpassung der Systematik zur Anrechnung der maßgeblichen Beträge aus Organkrediten und -geschäften auf die Bagatellgrenzen des § 15 Abs. 3 Nr. 1–3 KWG: Die drei Bagatellgrenzen können für Organkredite und Organgeschäfte getrennt angewendet werden. Innerhalb dieser beiden Kategorien sind allerdings alle anfallenden Beträge kumuliert auf die jeweiligen Schwellen anzurechnen.

initial

Abbildung 4: Empfehlenswerte Tätigkeiten im Rahmen der Neugestaltung des Organkreditbearbeitungsprozesses

 

Bei der Anbahnung eines Organkredites oder -geschäftes sollte zur Verschlankung des sich anschließenden Bearbeitungsprozesses immer die mögliche Inanspruchnahme der gewährten Bagatellen und Erleichterungen geprüft werden. Diesbezüglich eignet sich z. B. nachfolgend beschriebenes zweistufiges Vorgehen. Zunächst sollte untersucht werden, ob eine der drei Bagatellen nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 KWG einschlägig ist, da diese die umfänglichsten aller Entlastungen darstellen, so dass bei einem Zutreffen sowohl die Beschlussfassungspflicht als auch die Marktgerechtigkeitsprüfung gänzlich entfallen.  

Ist eine Inanspruchnahme nicht möglich, empfiehlt sich bei Vorliegen eines Organgeschäftes in einem zweiten Schritt die Analyse der weiteren durch die BaFin ausgesprochenen Erleichterungen für die Zwecke der Marktgerechtigkeitsprüfung (siehe Abschnitt II. 2). Diese gelten jedoch ausdrücklich nur für die Gruppe der Organgeschäfte und können nicht für zu gewährende Organkredite herangezogen werden. Durch dieses Vorgehen kann der Bearbeitungsaufwand im Zuge der Organkreditvorschriften häufig spürbar reduziert werden. Losgelöst hiervon sollte für die Gruppe der Personenorgane umfassend von der Möglichkeit der Vorratsbeschlussfassung Gebrauch gemacht werden. Insbesondere bei institutstypischen Geschäften des Alltags, wie z. B. der Konto- und Depotführung oder des Wertpapier- oder Einlagengeschäfts, wäre andernfalls die Unterhaltung einer Geschäftsbeziehung zu einem Personenorgan praktisch betrachtet kaum möglich, da vor jeder Transaktion zunächst der Beschluss von Vorstand und Aufsichtsrat einzuholen wäre. Hinsichtlich der Unternehmensorgane kann für solche Tagesgeschäfte zwar keine Vorratsbeschlussfassung vorgenommen werden, die Bagatellgrenze i. H. v. 1 % der anrechenbaren Eigenmittel bzw. 50 TEUR nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 KWG ist in den allermeisten Fällen jedoch hoch genug, um diesbezüglich eine praktische Handhabung zu ermöglichen.

 

PRAXISTIPPS

  • Zur Gewährleistung eines effizienten Managements des gestiegenen Bearbeitungsaufwandes zur Erfüllung der Organkreditvorschriften aufgrund des Risikoreduzierungsgesetzes empfiehlt sich eine sorgfältige Analyse und Überarbeitung der bestehenden Prozesse zur Sicherstellung einer möglichst vollumfänglichen Berücksichtigung der ausgesprochenen Erleichterungen. Dies kann bspw. durch die Implementierung eines zweistufigen Prozesses erreicht werden, der in einem ersten Schritt die Bagatellregelungen nach § 15 Abs. 3 KWG für Organkredite und -geschäfte und in einem zweiten Schritt die weiteren Erleichterungen zur Herstellung der Marktgerechtigkeit von Organgeschäften prüft.
  • Wann immer möglich, sollte von der Erlaubnis der Vorratsbeschlussfassung für Kreditverhältnisse und Geschäfte mit Personenorganen Gebrauch gemacht werden. Insbesondere zur Aufrechterhaltung einer intakten Geschäftsbeziehung im Rahmen der alltäglichen Bankgeschäfte, wie Einlagengeschäft und Kontoführung, ist die Nutzung dieser Möglichkeit aufgrund der geänderten Vorschriften nahezu unerlässlich.

 

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