Dienstag, 25. Januar 2022

Organkredite im Prüfungsfokus

Weitreichende Änderungen der KWG-Vorgaben

Frank Günther, Seniorconsultant Kreditregulatorik-Spezialist Kredit und Aufsichtsrecht, FCH Consult GmbH

Vor ca. einem Jahr haben wir an dieser Stelle über das Inkrafttreten des neuen Risikoreduzierungsgesetzes (RiG) betreffs umfangreicher Änderungen rund um den § 15 KWG „Organkredit“ berichtet. 

 Folgende wesentliche Änderungen stehen dabei im Fokus:

  • Erweiterung des Begriffes der nahestehenden Personen und Unternehmen (Organträger),
  • Erweiterung des Kreditbegriffes um einen umfassenden Geschäftsbegriff,
  • Verzichtspflicht auf Beschlussfassung der Mitglieder der Geschäftsleitung und des Aufsichtsrats bei Interessenkonflikten.

Mit der Auslegungsentscheidung vom 14.09.2021 nahm die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht umfangreich zu den Fragen der Banken und Verbände Stellung.  Schwerpunkte sind hierbei begriffliche Erläuterungen und Auslegungen, Anwendung von Erleichterungen, Anforderungen an die Marktgerechtigkeitsdokumentation der Dokumentationen und Muster für Vorratsbeschlüsse für Personenorgangeschäfte.

Die BaFin unterstreicht, dass die Regeln des geänderten § 15 KWG für die Jahresabschlussprüfung ab 2021 komplett relevant sind. Gleichzeitig ist für neue Organkredite und -geschäfte, welche in 2020 noch in dem Glauben getätigt wurden, dass hier keine Beschlussfassung notwendig wäre, die unmittelbare Information des Gesamtvorstandes dokumentiert nachzuholen.

Welche Prüfungs- und Umsetzungsschwerpunkte bestehen somit:

  • Ist ein angemessenes laufendes Informationssystem über bestehende Organschaften/Organträger organisiert?
    • Sicherstellung Ersterfassung,
    • Sicherstellung laufende Aktualität,
    • Erkennbarkeit/Informationssicherstellung in den laufenden Kredit- und Geschäftsprozessen,
    • Auswertbarkeit des Bestandes der Organkredite und -geschäfte sowie von Neukrediten und -geschäften im Zeitraum t-(t-1).
  • Wurden die genehmigungspflichtigen Geschäftsarten bankspezifisch ermittelt und die Art der Volumenbemessung festgelegt?
  • Wurden Vorratsbeschlüsse für Kredite und Geschäfte für Personenorgane aufsichtsrechtlich konform gefasst?
  • Wie wird die Marktgerechtigkeit geprüft und dokumentiert?
  • Welche Erleichterungen und Ausnahmeregelungen des § 15 KWG und der Auslegungsentscheidungen werden durch die Bank angewandt und wie erfolgt die Überwachung der sachgerechten Anwendung?
    • Wurde die schriftlich fixierte Ordnung der Bank angepasst? Wurden die Mitarbeiter, welche im Kredit- und Geschäftsabschluss die Einhaltung der Regeln sicherstellen müssen, ausreichend informiert?

Umsetzung der Anforderungen an das erweiterte Informationssystem 

Im Rahmen der Umsetzung des erweiterten Organträger(personen)begriffes muss sichergestellt sein, dass neu auch die Kredit- und Geschäftsbeziehungen mit den Eltern und volljährigen Kindern von folgenden bisher auch bereits durch § 15 KWG erfassten Personen erkannt werden:

  • Geschäftsleiter, Prokuristen, Generalbevollmächtige des Instituts,
  • Gesellschafter (nicht Geschäftsleiter) des Instituts, wenn dieses Personengesellschaft oder GmbH (KGaA ausschließlich persönlich haftender Gesellschafter),
  • Aufsichtsräte des Instituts,
  • persönlich haftende Gesellschafter, Geschäftsführer, Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsorgans, Prokuristen und zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigte Handlungsbevollmächtigte eines von dem Institut abhängigen Unternehmens oder eines das Institut beherrschenden Unternehmens. 

Betreffs der Unternehmensorgankredite wurden ebenfalls Erweiterungen vorgenommen:

  • Unternehmen, wenn ein Geschäftsleiter, ein Prokurist oder ein zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigter Handlungsbevollmächtigter des Instituts oder dessen Ehegatte, Lebenspartner, Kind oder Elternteil gesetzlicher Vertreter oder Mitglied des Aufsichtsorgans der juristischen Person oder Gesellschafter der Personenhandelsgesellschaft ist,
  • Unternehmen, an denen das Institut oder eine der vorab genannten Personen oder deren Ehegatten, Lebenspartner, Kinder und Eltern eine bedeutende Beteiligung (mindestens zehn Prozent des Kapitals oder der Stimmrechte eines Unternehmens) hält oder eine der genannten Personen persönlich haftender Gesellschafter ist.

Diese Erweiterungen führen dazu, dass die Institute die notwendigen persönlichen Informationen zu Verwandtschaftsverhältnissen und Unternehmensverbindungen meist über die direkt verbundenen Personen (Geschäftsleiter, Gesellschafter, Prokurist, Generalbevollmächtigter, Aufsichtsrat) einholen und ihre internen Prozesse betreffs Erkennen, Beschließen, Überwachen von Organkrediten anpassen mussten.

In den Auslegungsentscheidungen präferiert die BaFin die nachdrückliche Erfassung über eine dokumentierte Befragung der Organe, die in arbeitsrechtrechtlicher Verbindung zur Bank stehen oder Aufsichtsrat der Bank sind. Veränderungen sind durch den genannten Personenkreis mitzuteilen und sollten jährlich durch Überprüfung/Bestätigung der Befragung aktualisiert werden. Die Informationsidentität zu den aktivischen Beteiligungsanzeigen § 24 (1) Nr. 10 KWG, § 24 (1) Nr. 1, § 24 (1a) Nr. 1 KWG, passivischen Beteiligungsanzeigen nach § 2c KWG und den Mandatsanzeigen der Geschäftsleitung nach § 24 Abs. 3 KWG ist sicherzustellen.

Umsetzung des neuen „Organgeschäftsbegriffes“

Das Verfahren für Organkredite wurde durch Einführung des § 15 Abs. 6 KWG vom Grundsatz auf alle Geschäfte ausgeweitet, die bisher nicht unter dem definierten Kreditbegriff erfasst wurden. Zu den erfassten Geschäften zählen u. a. Dienstleistungsgeschäfte, Käufe und Verkäufe von Vermögensgegenständen (z. B. Immobilien), Bauverträge und Ausbuchungen. Bisher teilweise angewendete Pauschalbeschlüsse, dass für alle Geschäfte mit nahestehenden Personen und Unternehmen grundsätzlich marktgerechte Konditionen angewendet werden, sind nach vorliegendem Gesetzestext in dieser Form nicht mehr möglich.

Dies hatte zur Folge, dass Banken diese Geschäfte definieren und Verfahren zur Beschlussfassung, Marktgerechtigkeitsprüfung und -dokumentation einführen mussten.

Folgende Umsetzungen standen im Mittelpunkt:  

  • Listung der Geschäfte, welche die Bank sowohl im Kundengeschäft als auch im sonstigen Geschäft tätigt,
  • Organisation des laufenden Prozesses der Geschäftserkennung bei neuen Produkten oder neuen Vertragspartnern – Kopplung mit Neue-Produkte-Prozess und ggf. Erfassung in Vertragsdatenbanken,
  • Prozessuale Umsetzung der Beschlussfassungspflicht, wobei folgende Punkte in Anwendung der Auslegungsentscheidungen der BaFin zu beachten sind:
    • Festlegung der Art der Wertbemessung einzelner Geschäftsarten,
    • Erstellung Musterbeschlussprotokoll,
    • Vorratsbeschlussfassung für Personenorgane,
    • Nachvollziehbare Dokumentation der Marktgerechtigkeit,
    • Anwendung und Überwachung der Bagatelle für Unternehmensorgangeschäfte von 1 % der anrechenbaren Eigenmittel oder 50 T€ und von begrenzten möglichen Ausnahmen.

 

PRAXISTIPPS

  • Der laufende Prozess der Aktualisierung, Überprüfung und IT -Erfassung der Organträgerschaften und der Beschlüsse ist nachvollziehbar dokumentiert und wird angewandt.
  • Vorratsbeschlüsse bzw. individuelle Rahmengenehmigungen wurden an die neuen Begrifflichkeiten des Organträgers und des Geschäftsbegriffes angepasst.
  • Der installierte Prozess sichert die Einbeziehung der gesamten Gruppe verbundener Kunden – auch im Nichtkreditgeschäft – in die Beschlussfassung und Überwachung.
  • Aus prozessualer Sicht wurde über die Anwendung von Ausnahmeregelungen und Bagatellen dokumentiert entschieden.
  • Die Kundenberater und Entscheidungsträger wurden ausreichend informiert und geschult.

Beitragsnummer: 19543

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