Dienstag, 22. März 2022

Formularmäßiger Ausschluss der Einrede der Anfechtbarkeit wirksam

Keine unangemessene Benachteiligung des Bürgen durch formularmäßigen Ausschluss der Einrede der Anfechtbarkeit (BGH vom 25.01.2022 – XI ZR 255/20)

Andrea Neuhof, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Frankfurt am Main

 

Bereits mit Urteil vom 19.09.1985 – III ZR 214/83 – hatte der Bundesgerichtshof festgestellt, dass bei Bürgschaftsverträgen zur Kreditsicherung das Recht des Bürgen, sich auf eine vom Hauptschuldner erklärte Anfechtung zu berufen, zwar nicht durch eine AGB-Bestimmung ausgeschlossen werden könne, ein Formularverzicht des Bürgen auf die Einrede aus § 776 betreffend die Aufgabe einer Sicherheit und § 770 Abs. 1 und Abs. 2 BGB betreffend die Einrede der Anfechtbarkeit und der Aufrechenbarkeit jedoch zulässig sei. Diese Entscheidung wurde in Literatur wie auch Instanzrechtsprechung durchaus kontrovers diskutiert. Bezüglich des Verzichts auf die Einrede der Aufrechenbarkeit hatte der BGH zudem zwischenzeitlich darauf hingewiesen, dass ein solcher entgegen der vorzitierten Entscheidung insoweit unwirksam sei, als er auch unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Forderungen des Hauptschuldners umfasse (vgl. BGH-Urteil vom 24.10.2017 – XI ZR 600/16).

In seiner aktuellen Entscheidung vom 25.01.2022 hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs nunmehr ausdrücklich an die vorgenannte Entscheidung des III. Zivilsenats angeknüpft und bekräftigt, dass ein formularmäßiger Ausschluss der Einrede der Anfechtbarkeit nach § 770 Abs. 1 BGB im Bürgschaftsvertrag den Bürgen nicht gem. § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige.  

Dabei hat der BGH argumentiert, dass die Einrede nach § 770 Abs. 1 BGB für den Bürgen ohnehin praktisch keine Bedeutung habe, so dass mit einem Verzicht auf diese Einrede kein erheblicher Nachteil für ihn verbunden sei. Dabei hat er zutreffend darauf hingewiesen, dass das Bestehen eines Anfechtungsrechts ohne Einfluss auf die Wirksamkeit der Hauptverbindlichkeit bleibe, solange der Hauptschuldner es noch nicht ausgeübt habe. Der Ausschluss der Einrede aus § 770 Abs. 1 BGB lasse den Grundsatz der Akzessorietät daher unangetastet. Wenn demgegenüber der Hauptschuldner den mit dem Gläubiger geschlossenen Vertrag tatsächlich wirksam angefochten habe, erlösche die Hauptschuld und damit auch die Bürgschaftsschuld, was der Bürge nach § 767 Abs. 1 S. 1 BGB gegenüber dem Gläubiger einwenden könne. In den Fällen der Irrtumsanfechtung sei die Einrede aus § 770 Abs. 1 BGB ohnehin von vornherein bedeutungslos, weil das Anfechtungsrecht des Hauptschuldners nach § 121 BGB erlösche, wenn dieser es nicht unverzüglich nach der Kenntniserlangung ausübe. Ein Schwebezustand sei nur bei einer Anfechtbarkeit nach § 123 BGB möglich. Auch hierin läge jedoch keine unangemessene Benachteiligung des Bürgen, da dieser auf Grundlage von § 768 Abs. 1 S. 1 BGB dem Gläubiger in derartigen Fällen die Arglisteinrede des Hauptschuldners nach § 853 BGB entgegenhalten könne. Die theoretisch bestehende Lücke zwischen dem Anwendungsbereich des § 853 BGB und jenem des § 123 BGB sei in der Praxis zu vernachlässigen und eine unzumutbare Benachteiligung des Bürgen hierauf nicht zu stützen. Im Übrigen könne der Bürge ohnehin nicht verhindern, dass der Hauptschuldner die Anfechtungsfrist für die Arglistanfechtung ungenutzt verstreichen lasse. Die möglicherweise fehlende Schutzwürdigkeit des arglistig täuschenden Gläubigers sei für die Frage der Unzumutbarkeit für den Bürgen überdies irrelevant.

 

PRAXISTIPP

Im Zusammenhang mit der Anfechtungsproblematik bei verbürgten Forderungen ist konsequent zwischen der (bloßen) Anfechtbarkeit einerseits sowie der bereits erklärten Anfechtung andererseits zu differenzieren. Klauseln, die nicht nur einen Verzicht auf die Einrede der Anfechtbarkeit gemäß § 770 Abs. 1 BGB enthalten, sondern darüber hinaus auch einen Verzicht auf die Einrede der Anfechtung, laufen nach wie vor Gefahr, als unwirksam eingestuft zu werden (so bereits BGH-Urteil vom 16.09.1993 – VII ZR 206/92). 

Ein Ausschluss im Hinblick auf unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Forderungen des Hauptschuldners ist bei dem Verzicht auf die Einrede der Anfechtbarkeit im Gegensatz zum Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit nicht erforderlich. 


Beitragsnummer: 20638

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