Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart
Gestützt auf § 6 Abs. 2 S. 3 WpHG hatte die BaFin auf ihrer Homepage in Bezug auf den Erwerb einer konkreten Aktie eine öffentliche Warnung wegen möglicher Marktmanipulation veröffentlicht, in welcher die BaFin die Anleger zur Vorsicht bei den durch Börsenbriefe und E-Mails ausgesprochenen Kaufempfehlungen in Bezug auf eine konkrete Aktie warnte. Zugleich wurde den Anlegern empfohlen, die in den Kaufempfehlungen gemachten Angaben mithilfe anderer Quellen sehr genau zu überprüfen. Hintergrund für diese Warnmeldung war die Annahme der BaFin, dass solche Börsenbriefe und E-Mails dazu dienen könnten, Anleger zum Kauf von bestimmten Aktien zu verleiten, damit die Absender von steigenden Kursen dieser Aktien profitieren.
Der Versuch eines Börsenbrief-Herausgebers, die BaFin zu verpflichten, die Warnmeldung von ihrer Homepage zu entfernen, scheiterte in zwei Instanzen. Der ersten Instanz des Verwaltungsgerichts Frankfurt folgend entschied auch der VGH Kassel in seinem Beschluss vom 10.06.2021, Az. 6 B 685/21 (BKR 2022, 401 m. Anm. Hippeli), dass die Warnmeldung der BaFin zu Recht erfolgte. Zur Begründung führt der VGH aus, dass die BaFin nach § 6 Abs. 2 S. 3 WpHG bereits dann tätig werden darf, wenn Hinweise oder Anhaltspunkte für einen kapitalmarktrechtlichen Verstoß bestehen und damit die Gefahr eines Marktmanipulationsverstoßes im Raum stünde. Insofern erfordere die öffentliche Warnung i. S. v. § 6 Abs. 2 S. 3 WpHG gerade nicht, dass ein tatsächlicher Verstoß gegen das Verbot der Marktmanipulation eingetreten ist (Rn. 9).
Hiervon ausgehend hält der VGH sodann fest, dass weder Art. 12 Abs. 1 GG noch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG noch Art. 5 Abs. 1 GG vor der Verbreitung von inhaltlich zutreffenden, unter Beachtung des Gebots der Sachlichkeit sowie mit angemessener Zurückhaltung formulierten Informationen und Warnungen schützt (Rn. 19 ff.).
PRAXISTIPP
Dass die BaFin bereits dann nach § 6 Abs. 2 S. 3 WpHG tätig werden und Warnungen aussprechen darf, wenn die Gefahr eines Marktmanipulationsvorwurfs besteht, ist nach hiesiger Auffassung nicht zu beanstanden. Problematisch erscheint eher, ob die Annahme eines drohenden Marktmanipulationsvorwurfs im konkreten Fall tatsächlich berechtigt war. Dies deshalb, weil gleich mehrere Börsenbriefe den Kauf der streitgegenständlichen Aktie empfohlen hatten und die BaFin dem VGH (weil teilweise geschwärzt) nur unvollständige Akten zur Überprüfung des Vorwurfs vorgelegt hatte. Auf der anderen Seite lässt die Tatsache, dass gleich mehrere Börsenbriefe den Kauf der streitgegenständlichen Aktie empfohlen haben, die Gefahr eines Marktmanipulationsvorwurfs nicht entfallen.
Beitragsnummer: 21737