Donnerstag, 14. Juli 2022

Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – Ein Überblick

Besteht ein Handlungsbedarf für Banken?

RA Dr. Christian Steiner, LL.M., Burgwedel

Einführung

Das Gesetz über unternehmerische Sorgfaltspflichten in Lieferketten wurde am 22.07.2021 im Bundesgesetzblatt[1] (im Folgenden „LkSG“) veröffentlicht und wird am 01.01.2023 in Kraft treten. Daneben taucht am Horizont bereits das europäische Lieferkettengesetz („Corporate Sustainability Due Diligence-Directive“ – CSDD) auf. Am 23.02.2022 präsentierte die Kommission den entsprechenden Richtlinienentwurf[2]. Der Beitrag beleuchtet das LkSG und gibt einen Ausblick auf das europäische Lieferkettengesetz.

Hintergrundinformation

Im Juni 2011 haben die Vereinten Nationen Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte verabschiedet[3]. Sie sollen die Verletzung von Menschenrechten durch Wirtschaftsunternehmen verhindern und definieren die staatliche Schutzpflicht und die unternehmerische Verantwortung für die Achtung der Menschenrechte in globalen Lieferketten. Um diese Leitprinzipien in Deutschland umzusetzen, hatte die Bundesregierung zunächst auf freiwilliges Engagement gesetzt. Im Dezember 2016 hatte sie den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte („NAP“) verabschiedet und einen Überprüfungsmechanismus eingerichtet[4]. Die Ergebnisse der im Rahmen des NAP durchgeführten repräsentativen Untersuchungen vom Juli 2020 hatten aber laut Gesetzesbegründung gezeigt, dass lediglich zwischen 13 und 17 % der befragten Unternehmen die Anforderungen des NAP erfüllen würden. Um eine ausreichende Einhaltung zu gewährleisten, bedürfe es daher eines rechtlich verbindlichen und international anschlussfähigen Sorgfaltsstandards[5].

Zweck des Gesetzes

Die Verantwortung der Unternehmen soll sich entsprechend dem neuen Gesetz auf die gesamte Lieferkette erstrecken – abgestuft nach Einflussmöglichkeiten.

Die Lieferkette im Sinne des Gesetzes bezieht sich auf alle Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens. Sie umfasst alle Schritte im In- und Ausland, die zur Herstellung der Produkte und zur Erbringung der Dienstleistungen erforderlich sind, angefangen bei der Gewinnung der Rohstoffe bis hin zu der Lieferung an den Endkunden, und erfasst

  • das Handeln eines Unternehmens im eigenen Geschäftsbereich,
  • das Handeln eines unmittelbaren Zulieferers und
  • das Handeln eines mittelbaren Zulieferers[6].

Dazu gehört auch die Inanspruchnahme von notwendigen Dienstleistungen, wie z. B. der Transport oder die Zwischenlagerung von Waren. Die Pflichten müssen durch die Unternehmen in ihrem eigenen Geschäftsbereich sowie gegenüber ihren unmittelbaren Zulieferern umgesetzt werden. Mittelbare Zulieferer werden einbezogen, sobald das Unternehmen von Menschenrechtsverletzungen auf dieser Ebene substantiierte Kenntnis erhält. Das Gesetz konkretisiert, in welcher Form die Unternehmen ihre menschenrechtliche Sorgfaltspflicht erfüllen. Hier bestehen zwölf menschenrechtliche und acht umweltbezogene Risiken[7]. Gemäß § 3 LkSG müssen Unternehmen bestimmte Sorgfaltspflichten erfüllen[8]. Dies beinhaltet, dass sie menschenrechtliche Risiken analysieren, Präventions- und Abhilfemaßnahmen ergreifen, Beschwerdemöglichkeiten einrichten und über ihre Aktivitäten berichten müssen[9].

Anwendungsbereich und Evaluation

In der ersten Stufe gilt das LkSG für Unternehmen, die mehr als 3.000 Beschäftigte und eine Hauptverwaltung, Hauptniederlassung oder einen Sitz in Deutschland haben. Mitgezählt werden auch Leiharbeitnehmer, wenn sie länger als sechs Monate im Betrieb beschäftigt sind. In einer zweiten Stufe ab 2024 wird es alle Betriebe mit mehr als 1.000 Mitarbeitern betreffen. Die Sorgfaltspflichten gelten auch für deutsche Niederlassungen ausländischer Unternehmen[10].

Das Gesetz gilt für Unternehmen jeder Rechtsform. Erfasst sind also etwa Einzelunternehmen, Personengesellschaften und Körperschaften. Dagegen fallen Körperschaften des öffentlichen Rechts, die Verwaltungsaufgaben einer Gebietskörperschaft wahrnehmen, nicht darunter, soweit sie nicht am Markt unternehmerisch tätig sind[11]. Im Unternehmensverbund ist für jedes Unternehmen separat zu ermitteln, ob es das LkSG zu beachten hat oder nicht. Eine Befreiung von den Sorgfaltspflichten, etwa weil auch die Obergesellschaft das LkSG anzuwenden hat, sieht das LkSG nicht vor. Dabei ist zu beachten, dass der Begriff Obergesellschaft weder im LkSG noch in anderen Gesetzen definiert ist. Es ist aber davon auszugehen, dass hier der Konzern gemeint ist[12].

Eine Befristung kommt gemäß der Gesetzesbegründung nicht in Betracht, weil der mit dem Gesetz bezweckte Schutz der Menschenrechte eine Daueraufgabe sei. Bis 2026 soll der erreichte Schutz der Menschenrechte in Lieferketten evaluiert werden, um die Wirksamkeit zu überprüfen und gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen – das kann beispielsweise auch eine mögliche Absenkung des Schwellenwertes der Größenklassen erfasster Unternehmen oder aber die Höhe der Bußgelder betreffen. Grundlage für die Evaluation soll gemäß der Gesetzesbegründung die Unternehmensberichte nach § 10 Abs. 2 sowie die Daten der zuständigen Kontrollbehörde sein. Diese Datengrundlage soll durch Erhebungen bei Unternehmen und Stakeholdern ergänzt werden[13].

Inhalt der Sorgfaltspflicht

Der Umfang der Sorgfaltspflichten wird von Art und Umfang der Geschäftstätigkeit sowie dem Einflussvermögen des Unternehmens auf den unmittelbaren Verursacher von Menschenrechtsverletzungen abhängig gemacht. Die Sorgfaltspflichten beziehen sich auf den eigenen Geschäftsbereich, auf den Geschäftsbereich des unmittelbaren Zulieferers sowie auf den des mittelbaren Zulieferers. Welche Maßnahmen für jede Stufe zu ergreifen sind, wird in den §§ 4 bis 10 LkSG näher geregelt[14]. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle („BAFA“) führt aus, dass eine Art von Checkliste oder ähnliches daher seitens des BAFA nicht vorgesehen sei. Die Gesetzesbegründung (z. B. zu § 3 LkSG) nennt einschlägige Leitfäden, die für die praktische Umsetzung relevant sind. Auf www.wirtschaft-menschenrechte.de finden sich eine Reihe weiterer Unterstützungsangebote zur Umsetzung der Sorgfaltspflichten. Weiterhin werden zurzeit im Rahmen der Branchendialoge zum Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte praxisorientierte Handlungsanleitungen im Multi Stakeholder-Prozess zu allen Sorgfaltspflichten erarbeitet[15].

Die Sorgfaltspflicht der Unternehmen erstreckt sich auf den eigenen Betrieb und die unmittelbaren und direkten Zulieferer. Dennoch ist das Gesetz ebenso für Unternehmen von Bedeutung, die nicht in den direkten Anwendungsbereich fallen. Denn diese können mittelbar betroffen sein, etwa als Zulieferer eines in der gesetzlichen Verantwortung stehenden Unternehmens. Unternehmen außerhalb des Anwendungsbereiches sind jedoch nicht direkte Adressaten von Bußgeldern oder gesetzlichen Verpflichtungen[16]. Hier drohen aus Sicht von Kreditinstituten die eigentlichen Risiken. Dass Kreditinstitute gar nicht betroffen sind, ist gesetzgeberisch nicht geregelt. Daher kann für Kreditinstitute hier aus verschiedenen Richtungen zumindest eine Auseinandersetzung mit dem LkSG und auch dem europäischen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz sowie den weiteren Handreichungen des BAFA angezeigt sein. Denn sowohl die Verwendung der unbestimmten Rechtsbegriffe, der nicht eindeutigen Ausführungen in dem Gesetzgebungsverfahren sowie der fehlenden Handreichungen durch das BAFA macht die Beurteilung für Kreditinstitute nicht einfach[17].

Die (Groß-)Unternehmen sind verpflichtet, einen Verantwortlichen innerhalb ihres Betriebes festzulegen, der die Einhaltung der Sorgfaltspflichten überwacht. Die Geschäftsleitung hat sich regelmäßig über die Arbeit der zuständigen Person(en) zu informieren. Gemäß dem neuen Sorgfaltspflichtengesetz müssen Unternehmen ein angemessenes Risikomanagement entlang der gesamten Lieferkette einführen, das menschenrechtliche Risiken in allen maßgeblichen unternehmensinternen Geschäftsabläufen analysiert. Betroffene Unternehmen müssen insbesondere eine Risikoanalyse durchführen, d. h., dass sie zunächst die Teile ihrer Produktions- und Lieferkette identifizieren müssen, die besonders hohe menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken bergen. Dazu zählen auch die Geschäftsbereiche der Zulieferer. Anschließend müssen geeignete Abhilfe- oder präventive Maßnahmen getroffen werden, um Verstößen vorzubeugen. Das kann z. B. die Vereinbarung entsprechender vertraglicher Menschenrechtsklauseln mit dem Zulieferer sein. Ebenso müssen angemessene Maßnahmen zur Beendigung oder Minimierung einer bereits eingetretenen Verletzung (Abhilfemaßnahmen) getroffen werden. Auch Menschenrechtsrisiken bei mittelbaren Zulieferern, d. h. in den tieferen Gliedern der Lieferkette, müssen analysiert, beachtet und angegangen werden, wenn Unternehmen darüber Kenntnis erlangen und tatsächliche Anhaltspunkte haben – etwa aufgrund von Hinweisen durch Behörden, aufgrund von Berichten über eine schlechte Menschenrechtslage in der Produktionsregion oder aufgrund der Zugehörigkeit eines mittelbaren Zulieferers zu einer Branche mit besonderen menschenrechtlichen Risiken. Zudem müssen Unternehmen ein Beschwerdeverfahren einrichten, das direkt Betroffenen ebenso wie denjenigen, die Kenntnis von möglichen Verletzungen haben, ermöglicht, auf menschenrechtliche Risiken und Verletzungen hinzuweisen[18].

Über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten müssen die Unternehmen jährlich einen Bericht bei der zuständigen Behörde einreichen[19]. Der erste Bericht ist spätestens vier Monate nach dem Schluss des Geschäftsjahres, welches im Laufe des Kalenderjahres 2023 (für Unternehmen ab 3.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern) bzw. 2024 (für Unternehmen ab 1.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern) abläuft, bei der zuständigen Behörde einzureichen. Der Berichtszeitraum beginnt erst am 01.01.2023. Der Bericht für das Jahr 2023 muss also Ende April 2024 in deutscher Sprache eingereicht werden[20].

Vertragliche Vereinbarungen

Das Gesetz sieht bestimmte Präventionsmaßnahmen in § 6 LkSG vor. Im Vorfeld können beispielsweise Lieferantenvereinbarungen geschlossen werden, die auf einen verbindlichen Verhaltenskodex verweisen oder es könnten Lieferantenverpflichtungen festgelegt werden, die dafür sorgen, dass Compliance-Standards entlang der Lieferkette eingehalten werden. Als Folge ist die vertragliche Fixierung von Sanktionen wie Kündigungsrechten und Schadensersatzansprüchen ebenso denkbar wie der Nachweis von Schulungen[21]. In der Praxis sind in bestehenden Lieferverträgen häufig entsprechende Vertragsklauseln noch nicht eingeführt und es bedarf entsprechender Nachträge. Neben der Wirksamkeit muss das Risikomanagement angemessen sein, wobei unklar ist, was die Angemessenheit im Einzelfall bedeutet. Jedenfalls richten sich die in der Lieferkette zu ergreifenden Maßnahmen nach Art und Umfang der Geschäftstätigkeit, dem Einflussvermögen des Unternehmens auf Verletzende, der Wahrscheinlichkeit einer Verletzung und der Schwere eines möglichen Schadens[22].

Bedeutung für kleine und mittlere Unternehmen

Es ist zu erwarten, dass nicht nur Unternehmen, die aufgrund ihrer Größe direkt betroffen sind, die Auswirkungen des Lieferkettengesetzes auf ihre unternehmerischen Abläufe spüren werden. Die Tendenz, dass größere Unternehmen Nachweise auch von ihren kleineren Vertragspartnern einfordern, was deren menschenrechtlich und umweltbezogenes verantwortungsbewusstes Handeln betrifft, gibt es seit Längerem. Diese Tendenz dürfte durch das Gesetz bestärkt werden. Davon geht der Gesetzgeber selbst auch aus. Zwar heißt es in der Gesetzesbegründung: „Der vorliegende Gesetzentwurf vermeidet zusätzliche Belastungen für kleine und mittlere Unternehmen und beschränkt sich auf Anforderungen an Großunternehmen, die praktikabel, verhältnismäßig und ohne übermäßigen bürokratischen Aufwand umzusetzen sind.“[23] Bei den Kosten hingegen heißt es: „Kleine und mittlere Unternehmen werden durch das Vorhaben nicht direkt belastet. Allerdings sind mittelbare Auswirkungen im Rahmen der Lieferketten zu erwarten“[24], ohne dass dies dann weiter ausgeführt wird.

Ungeachtet des Vorgenannten gibt es auch eine grundsätzliche Erwartungshaltung an kleine und mittlere Unternehmen. So führt das BAFA folgendes auf seiner Homepage auf: „Grundsätzlich sollen auch Unternehmen, die nicht in den Anwendungsbereich des LkSG fallen, Sorgfaltspflichten umsetzen. Die VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte richten sich an alle Unternehmen. Bereits seit 2016 gilt der NAP, der entsprechende Erwartungen an alle in Deutschland ansässigen Unternehmen formuliert[25].

Aufgabe des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA)

Das BAFA als zuständige Behörde (§ 19 LkSG) soll überwachen, dass die Unternehmen ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen. Zu den konkreten Aufgaben gehören dabei:

  • zu überprüfen, ob Unternehmen ihrer Berichtspflicht nachkommen
  • die Durchführung von Kontrollen
  • Verstöße festzustellen, zu beseitigen und zu verhindern
  • die Verhängung von Zwangs- und Bußgeldern.

Gleichzeitig muss das BAFA laut LkSG sogenannte Handreichungen mit näheren Einzelheiten zum Gesetz veröffentlichen. Bis dahin werden aber wohl noch einige Monate vergehen[26]. Das BAFA hat auf seiner Homepage zwar noch keine Handreichungen veröffentlicht, aber zumindest einen Überblick zum LkSG gegeben. Dazu gehören auch FAQ, die zuletzt am 28.04.2022 aktualisiert wurden[27]. Das BAFA ist mit sehr weitreichenden Befugnissen zur Kontrolle, Durchsetzung und Sanktionierung der Rechtspflichten ausgestattet, um den Zweck des Gesetzes durchzusetzen[28].

Haftung

Anders als noch der Regierungsentwurf stellt die verabschiedete Fassung des LkSG in § 3 III 1 LkSG klar, dass eine Verletzung von Sorgfaltspflichten keine zivilrechtliche Haftung begründet. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll die Einführung des LkSG nicht zur Erweiterung zivilrechtlicher Haftungsrisiken führen. Insbesondere sind die Sorgfaltspflichten im LkSG keine Schutzgesetze i. S. d. § 823 II BGB. Allerdings werden nach geltendem Recht bestehende Haftungsansprüche durch das LkSG auch nicht ausgeschlossen, § 3 III 2 LkSG[29].

Besondere Prozessstandschaft

§ 11 LkSG sieht eine besondere Prozessstandschaft vor, welche es inländischen Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen ermöglicht, Ansprüche vor deutschen Gerichten im eigenen Namen geltend zu machen, wenn der Betroffene einer Menschenrechtsverletzung eine Ermächtigung zur Prozessführung erteilt[30]. Jedoch muss die Verletzung einer „überragend wichtigen“ geschützten Rechtsposition aus § 2 I LkSG geltend gemacht werden; was dies konkret bedeutet, bleibt auch nach der Gesetzesbegründung unbestimmt[31].

Bußgelder, Ausschluss von öffentlichen Aufträgen, weitere Haftungsgrundlagen

Bei Verstößen gegen die Sorgfaltspflicht kann das BAFA Bußgelder verhängen, um die Einhaltung des Gesetzes durchzusetzen. Kommen Unternehmen ihren Pflichten zur Risikoanalyse, zur Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens, Präventionsmaßnahmen und dem wirksamen Abstellen von bekannten Menschenrechtsverstößen nicht nach, drohen Bußgelder von bis zu acht Mio. Euro oder bis zu zwei Prozent des Jahresumsatzes. Der umsatzbezogene Bußgeldrahmen gilt nur für Unternehmen mit mehr als 400 Mio. Euro Jahresumsatz. Ebenso können Unternehmen, die gegen das Gesetz verstoßen, ab einem verhängten Bußgeld von einer bestimmten Mindesthöhe (Schwellenstufe je nach Schwere des Verstoßes: 175.000 Euto bzw. 1.500.000, 2.000.000, 0,35 % des Jahresumsatzes) bis zu drei Jahre von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden[32].

Gutachten

Mit Datum des 15.05.2022 hat der Wissenschaftliche Beirat des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) ein Gutachten zum Thema „Menschenrechte und unternehmerische Sorgfaltspflichten“ veröffentlicht. Der Beirat beleuchtet u. a. darin das LkSG. Das zentrale Thema des Gutachtens ist die Ausgestaltung von Gesetzen, die Unternehmen Sorgfaltspflichten im Umgang mit ihren Lieferanten auferlegen und die das Ziel haben, den Schutz von Menschen- und Arbeitnehmerrechten zu verbessern[33].

Das Europäische Lieferkettengesetz (Corporate Sustainability Due Diligence Directive – CSDD)

Europäische Regeln zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten werden derzeit erarbeitet. Am 23.02.2022 wurde ein Richtlinienentwurf der EU-Kommission vorgelegt.

Der Anwendungsbereich soll sich dem Entwurf nach auf Unternehmen ab 500 Mitarbeitenden und mind. 150 Mio. Euro Jahresumsatz weltweit sowie EU-Unternehmen in Hochrisikosektoren ab 250 Mitarbeitenden und mind. 40. Mio. Euro Jahresumsatz weltweit erstrecken. Auch ausländische Unternehmen sind unter bestimmten Voraussetzungen erfasst. Umwelt- und Klimathemen sollen stärker in den Fokus gerückt werden. So beziehen sich die Sorgfaltspflichten auf weitaus mehr Umweltthemen (u. a. Erhalt der biologischen Vielfalt) und die Geschäftsleitung wird verpflichtet, die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels in ihrer Geschäftsstrategie zu gewährleisten. Die Zielerreichung soll sich auch in der variablen Vergütung widerspiegeln. Die besondere Sorgfaltspflicht der Geschäftsleitung soll gewährleisten, dass diese für die Umsetzung und Überwachung der Sorgfaltspflichten sorgt. Die EU-Mitgliedsstaaten sollen hierzu den gesetzlichen Rahmen für Verstöße gegen diese Vorgaben schaffen. Der Richtlinienentwurf sieht zudem eine verwaltungsrechtliche als auch eine zivilrechtliche Haftung für Unternehmen vor. Das bedeutet Geldstrafen und die Möglichkeit, Unternehmen zu verklagen, wenn sie sich ihren Sorgfaltspflichten entziehen. Dabei bleibt es den EU-Ländern überlassen, zu entscheiden, was „abschreckende, wirksame Sanktionen“ sind. Der Vorschlag wird nun dem Europäischen Parlament und dem Rat zur Billigung vorgelegt. Sowohl das Europäische Parlament als auch der Europäische Rat hatten die Kommission bereits im Jahr 2021 aufgerufen, auf dem Gebiet tätig zu werden. Das Europäische Parlament hatte im Rahmen seines Initiativrechts im Frühjahr 2021 bereits einen (noch weitergehenden) Vorschlag für ein Europäisches Lieferkettengesetz vorgelegt. Daher ist davon auszugehen, dass der Richtlinienvorschlag verabschiedet wird. Nach seiner Annahme werden die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit haben, um die Richtlinie in innerstaatliches Recht umzusetzen und der Kommission ihre Umsetzungsvorschriften zu übermitteln[34]. Bereits jetzt ist klar, dass bei diesem Stand des Entwurfs das LkSG nicht nur marginal geändert werden muss[35]. Mit einer Umsetzung in nationales Recht ist wohl frühstens in der zweiten Jahreshälfte 2025 zu rechnen[36].

Fazit/PRAXISTIPPS

  • Für die betroffenen Unternehmen besteht neben den neuen Bußgeldtatbeständen künftig ein erhebliches Reputationsrisiko, wenn diese Verpflichtungen nicht oder nicht ausreichend umgesetzt werden.
  • Da einerseits für die großen Unternehmen nur wenig Zeit für die Umsetzung verbleibt und andererseits die gesamte Lieferkette betroffen ist, ist eine zügige interne Umsetzung empfehlenswert. Auch kleinere Unternehmen sollten sich nicht „zurücklehnen“, da sie als Teil der Lieferkette von Großkunden ebenfalls betroffen sein werden. Zunächst sollte geprüft werden, inwieweit man als Unternehmen vom Gesetz direkt oder indirekt betroffen ist.
  • Weiterhin sollte die Entwicklung im europäischen Raum ebenfalls eng betrachtet werden.
  • Kreditinstitute sollten ebenfalls die weitere Entwicklung betrachten. Sicherlich hat das BAFA im Rahmen der FAQ für eine Klarstellung gesorgt. Aufgrund der Vielzahl der unbestimmten Rechtsbegriffe und der unklaren Ausführungen ist es ratsam, die Entwicklung zu beobachten. Gerade die europäische Entwicklung kann hier noch zu Änderungen führen. Eine Beschäftigung mit dem LkSG kann unter diesem Kontext hilfreich sein. Denn auch der VOEB fordert eine Handreichung und sogar eine Verschiebung, da bisher noch viele Unklarheiten bestünden und die Umsetzung bis zum 01.01.2023 bei den möglicherweise betroffenen Kreditinstituten nicht gewährleistet werden kann.

[1] BGBL, 2021 I S. 2.959.

[2]https://ec.europa.eu/info/sites/default/files/1_1_183885_prop_dir_susta_en.pdf, abgerufen am 30.06.2022.  

[3] https://www.auswaertiges-amt.de/blob/266624/b51c16faf1b3424d7efa060e8aaa8130/un-leitprinzipien-de-data.pdf, abgerufen am 03.07.2022.

[4] https://www.auswaertiges-amt.de/blob/297434/8d6ab29982767d5a31d2e85464461565/nap-wirtschaft-menschenrechte-data.pdf, abgerufen am 28.06.2022; vertiefend mit weiteren Hinweisen Stöbener de Mora/Nol, NZG, 2021 S. 1.237.

[5] BT-Drs. 19/28649, 1; Freund/Krüger, NVWZ 2022 S. 665.  

[6] BT-Drs. 19/28649, S. 34, 35.

[7] Ausführlich hierzu Gehling/Ott/Lüneborg, CCZ 2021, S. 230, 232.

[8] BT-Drs. 19/28649, S. 41.

[9] Zum Pflichtenkanon Ehmann/Berg, GWR 2021, S. 287, 288.

[10] BT-Drs. 19/28649, S. 33, 34; vertiefend zur Schwellenwertbestimmung Nietsch/Wiedmann, NJW 2022, S. 1, 2 ff. Laut BMZ betrifft das Gesetz in der 1. Stufe ca. 900 Unternehmen, in der 2. Stufe ca. 4.800, vgl. https://www.bmz.de/de/suche?search=LkSG Fragen und Antworten zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, abgerufen am 01.07.2022.

[11] § 1 LkSG; BT-Drs. 19/28649, 33; mit Kritik an dem weiten Anwendungsbereich Bettermann/Hoes, BKR 2022, S. 23, m. w. N., auch zu umfangreichen Stellungnahmen vieler Verbände und Interessengruppen.   

[12] BT-Drs. 19/28649 S. 34; Nietsch/Wiedmann, NJW 2022 S. 1, 2; zur Frage der Anwendbarkeit bei Kreditinstituten Grothaus/Winter, DB 2022, Beilage 02, S. 24, 25; zu Auslegungshinweisen vgl. auch die FAQ Abschnitt IV. verbundene Unternehmen des BAFA Stand 28.04.2022, https://www.bafa.de/DE/Lieferketten/Ueberblick/ueberblick_node.html, abgerufen am 01.07.2022.  

[13] BT-Drs. 19/28649 S. 32.

[14] BT-Drs. 19/28649 S. 41.

[16] Laut Begründung zum Regierungsentwurf ist auch „jede Form von Finanzdienstleistungen“ erfasst, BT-Drs. 19/28649 S. 40.

[17] Vgl. hierzu Grothaus/Winter, DB, 2022, Beilage 02, 24 ff.; Bettermann/Hoes, BKR 2022 S. 23 ff.; Nietzsch/Wiedemann, NJW 2022 S. 1, 4. Jedoch hat das BAFA im Rahmen der FAQ, Stand 28.04.2022, unter Abschnitt VI. 8, klargestellt, dass zumindest Bankdienstleistungen gegenüber den Endkunden nicht in den Anwendungsbereich fallen, https://www.bafa.de/DE/Lieferketten/Ueberblick/ueberblick_node.html#:~:text=Das%20BAFA%20setzt%20das%20Lieferkettengesetz%20um%20und%20kontrolliert%2C,dabei%3A%20zu%20%C3%BCberpr%C3%BCfen%2C%20ob%20Unternehmen%20ihrer%20Berichtspflicht%20nachkommen, abgerufen am 03.07.2022. Der VOEB hat auf seiner Homepage genau dies begrüßt, fordert aber weitere Handreichungen und eine Verschiebung der Anwendung des LkSG, https://www.voeb.de/unsere-positionen/lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, abgerufen am 03.07.2022.

[18] Zu den einzelnen Pflichten BT-Drs. 19/28649 S. 43 ff.; FAQ des BAFA, Stand 28.04.2022, https://www.bafa.de/DE/Lieferketten/Ueberblick/ueberblick_node.html#:~:text=Das%20BAFA%20setzt%20das%20Lieferkettengesetz%20um%20und%20kontrolliert%2C,dabei%3A%20zu%20%C3%BCberpr%C3%BCfen%2C%20ob%20Unternehmen%20ihrer%20Berichtspflicht%20nachkommen, abgerufen am 03.07.2022; Wagner/Ruttloff, NJW 2021 S. 2.145, 2.147 ff.; Gehling/Ott/Lüneborg, CCZ 2021 S. 230, 233 ff.

[19] Wagner/Ruttloff, NJW 2021 S. 2.145, 2.147.

[21] BT-Drs. 19/28649 S. 47, 48.

[22] BT-Drs. 19/28649 S. 45–48.

[23] BT-Drs. 19/28649 S. 23.

[24] BT-Drs. 19/28649 S. 23; Nietsch/Wiedmann, NJW 2022 S. 1, 3.

[25] FAQ des BAFA, Abschnitt XVII 1, https://www.bafa.de/DE/Lieferketten/Ueberblick/ueberblick_node.html, abgerufen am 01.07.2022.

[26] Grothaus/Winter, DB 2022, Beilage 02 S. 24.

[28] §§ 12-18 LkSG; Gehling/Ott/Lüneborg, CCZ 2021 S. 230, 240; Wagner/Ruttloff, NJW 2021 S. 2.145, 2.150; so auch das BAFA selbst zu den Aufgaben, https://www.bafa.de/DE/Lieferketten/Ueberblick/ueberblick_node.html, abgerufen am 01.07.2022.

[29] Leuering/Rubner, NJW-Spezial 2021 S. 399.

[30] Stöbener de Mora/Nol, NZG, 2021 S. 1.237, 1.287; Gehling/Ott/Lüneborg, CCZ 2021 S. 230, 240, m. w. N.

[31] BT-Drs. 19/28649 S. 52.

[32] Wagner/Ruttloff, NJW 2021 S. 2.145, 2.151; Gehling/Ott/Lüneborg, CCZ 2021 S. 230, 240; Ehmann/Berg, GWR 2021 S. 287, 291; vgl. auch die FAQ des BAFA Stand 28.04.2022, Abschnitt XV 1., https://www.bafa.de/DE/Lieferketten/Ueberblick/ueberblick_node.html, abgerufen am 01.07.2022.

[35] Bettermann/Hoers, WM 2022 S. 697 ff.; Grothaus/Winter, DB 2022, Beilage 02, S. 24, 27; becklink 2022343, https://beck-online.beck.de/Dokument?vpath=bibdata%2Freddok%2Fbecklink%2F2022343.htm&pos=12&hlwords=on, abgerufen am 01.07.2022.

[36] Grothaus/Winter, DB 2022, Beilage 02, S. 24, 27.


Beitragsnummer: 21755

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