Freitag, 22. Juli 2022

Nachhaltige Baufinanzierung: Praxisumsetzung der ESG-Regulatorik

Marcus Wetzel, Bereichsleiter New Business DevelopmentSprengnetter Property Valuation Finance GmbH

 

Die Bank auf die ESG-Regulatorik vorzubereiten, ist eine wichtige strategische Weichenstellung und große Zukunftschance. Banken, die sich frühzeitig aktiv mit Klimaschutz, dem regulatorischen Umfeld und Energieeffizienz auseinandersetzen und sich in diesem vertrieblich positionieren, werden gewinnen. Sie erschließen sich das Potenzial, ihr Finanzierungsvolumen signifikant zu steigern, ihre Akquisitionskosten zu senken sowie ihre Kompetenzwahrnehmung bei Kunden auszubauen. 

Das Pariser Klimaziel beschränkt die menschengemachte globale Erwärmung auf maximal 1,5 Grad Celsius (gegenüber vorindustriellen Werten). Um diesem Abkommen gerecht zu werden, wurden Gesetze und Verordnungen auf europäischer und nationaler Ebene verabschiedet. Auf europäischer Ebene erfolgte dies mit dem European Green Deal. 

Deutschland hat sich mit dem Klimaschutzgesetz 2021 sowie dem Klimaschutzplan 2050 verpflichtet, dem nachzukommen und will seine Treibhausgasemissionen bis 2030 auf mindestens 65 % im Vergleich zum Jahr 1990 reduzieren und sogar bis 2045 Treibhausgasneutralität erreichen. Deutschland verfehlte jedoch bislang seine Klimaziele im Gebäudesektor, der für rund 30 % der Treibhausgasemissionen verantwortlich ist. Damit sind weitere erhebliche zusätzliche Investitionen in den Gebäudebestand notwendig. Daher sollte bei jeder Baufinanzierung geprüft werden, wie eine konsequente Verbesserung der Energieeffizienz im Gebäudebestand sichergestellt werden kann. 

 

EU-Taxonomie: das Herzstück der Regulierung 

Das Herzstück der Regulierung ist die EU-Taxonomie mit umfangreichen Berichts- und Offenlegungspflichten über die Nachhaltigkeit bei Wirtschaftsaktivitäten. Laut dieser gelten beispielsweise beim Neubau strenge Auflagen hinsichtlich des Primärenergiebedarfs – dieser muss unterhalb von zehn Prozent des Niedrigstenergiegebäudes (nearly zero energy building, NZEB) liegen. Bei der Sanierung bestehender Wohngebäude muss der Primärenergiebedarf um mindestens 30 % reduziert werden. Daneben sind noch die Do-no-significant-harm-Kriterien zu beachten. D. h., dass ein Neubau oder eine Gebäudesanierung zu keiner erheblichen Beeinträchtigung eines oder mehrerer Umweltziele führt.  

Daneben wurde Ende 2021 die Energieeffizienzrichtlinie (EPBD) veröffentlicht. Die Richtlinie schlägt vor, dass alle neuen Wohngebäude ab 2030 emissionsfrei sein müssen und dass Wohngebäude so renoviert werden, dass sie bis 2030 mindestens die Energieeffizienzklasse F (2033 mindestens E) erreichen. 

Auch die EBA fordert über die Leitlinie für Kreditvergabe und -überwachung Banken auf, neben den regulatorischen Anforderungen an ihre Kreditrisikokultur auch sicherzustellen, dass bei der Vergabe von Darlehen die Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit und damit verbundene physische und transitorische Risiken berücksichtigt werden. 

Banken sind demnach aufgefordert, einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele zu leisten und nicht nur nachhaltigkeitsbezogene Informationen der finanzierten Immobilien regelmäßig offenzulegen. Ein erster Schritt der Regulierung könnte sein, die Vergabe einer Baufinanzierung an die Erfüllung der technischen Voraussetzungen gemäß EU-Taxonomie zu knüpfen oder ihren Kunden zur Ermöglichung der eigenen vier Wände verbindliche Sanierungsfahrpläne aufzuzeigen. 

Diese Anforderungen betreffen nicht nur das Neugeschäft, sondern auch den Bestand. Den wenigsten Banken liegen allerdings nachhaltigkeitsbezogene Informationen der von ihnen finanzierten Immobilien vor. Dabei ist das Wissen um den energetischen Zustand der finanzierten Objekte vor allem eine vertriebliche Chance. Denn es ermöglicht die gezielte Ansprache der Bestandskunden auf energetische Sanierung. 

 

EEK-Screening schafft Transparenz 

Um die Nutzung dieser Vertriebschance aber auch um Berichtspflichten nachkommen zu können, wurde das Energieeffizienzklassen-Screening (EEK-Screening) entwickelt, das Banken in ihrem Streben nach ESG-Konformität unterstützen kann. Mit dem EEK-Screening ist es möglich, die Energieeffizienzklassen aller Objekte eines Portfolios im Vergleichsverfahren zu ermitteln. 

Darüber hinaus werden die CO2-Emissionen sowie die beiden Energiekennwerte „End- und Primärenergiebedarf“ je Objekt ermittelt. Banken können somit den energetischen Zustand der finanzierten Objekte im Bestandsportfolio feststellen, ohne dass sie ihre Kunden befragen müssen oder dass eine Transaktion (also ein Kauf einer Immobilie) stattgefunden haben muss. 

 

Aktive Kundenansprache bereits heute möglich und sinnvoll! 

Unterstützt werden kann der Beratungs- und Prolongationsprozess einer Bank durch unseren Modernizer, der auf Basis des geschätzten energetischen Zustandes unter Berücksichtigung regionaler Bau- und Energiekosten konkrete Empfehlungen für energetische Sanierungsmaßnahmen liefert. Das Ergebnis ist eine visualisierte Wirtschaftlichkeitsrechnung mit individuellem Immobiliensanierungsvorschlag. Damit werden Baufinanzierungsberater in die Lage versetzt, qualifizierte Gespräche über energetische Sanierungen zu führen und konkrete, differenzierte Finanzierungsangebote zu erstellen und damit den durchschnittlichen Finanzierungsbetrag im Neugeschäft erhöhen.

Unser Beitrag zum Klimaschutz in der Baufinanzierung und für Banken die Lösungen für regulatorische Herausforderungen und Ertragschance zugleich.

 

PRAXISTIPPS

  • Empfehlenswert sind ein EEK-Bestandsscreening und eine anschließende Nutzung der Ergebnisse in einer langfristig angelegten, konsequent durchgeführten vertrieblichen Kampagne, bei der Kunden über alle verfügbaren Kanäle systematisch auf Klimaschutz und energetische Sanierung angesprochen werden.
  • Das EEK-Screening generiert Baufinanzierungs-Leads aus dem Bestand, positioniert die Bank als Expertin im Immobiliengeschäft und lenkt ihre Wirtschaftsaktivität zur Reduzierung der CO2-Emissionen und macht einen Schritt in Richtung EU-Taxonomie-Konformität.

 


Beitragsnummer: 21762

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