Donnerstag, 24. November 2022

Befangener Sachverständiger bei Prämiensparverträgen

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart

 

Das Landgericht Stendal hatte in einem einen Prämiensparvertrag betreffenden Verfahren, in welchem es u. a. um Zinsnachzahlungsansprüche wegen einer unwirksamen Zinsanpassungsklausel ging, einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens zur Berechnung eines etwaigen Zinsdifferenzschadens beauftragt, welcher sein Gutachten auch erstellte. Daraufhin konfrontierte die beklagte Sparkasse den Sachverständigen mit solchen von seinem Gutachten abweichenden Ausführungen eines vom OLG Dresden in einem Parallelverfahren zur selben Frage beauftragten Sachverständigen, woraufhin der Sachverständige vor dem Landgericht Stendal erklärte, dass die vom Sachverständigen vor dem OLG Dresden vertretene Auffassung eine reine Schutzmaßnahme zugunsten der Kreditinstitute darstelle. Daraufhin lehnte die betroffene Sparkasse den Sachverständigen als befangen ab und wies ergänzend darauf hin, dass der Sachverständige in einer Fachzeitschrift mit der Bezeichnung „Kfz-Betrieb" einen Beitrag veröffentlicht habe, in welchem der Sachverständige den Banken und Sparkassen im Hinblick auf unzureichende Zinsanpassungen ein systematisch unlauteres, nahezu betrügerisches Vorgehen aus reiner Profitgier anlastet, was eine eindeutig bankenfeindliche Einstellung des Sachverständigen sowie eine Fokussierung auf den Verbraucherschutz zu Tage treten lasse. Daraufhin erklärte der Sachverständige wiederum, dass es schon an Bösartigkeit grenze, wenn ihm die Sparkasse wegen seines diesbezüglichen Beitrags Parteilichkeit und Befangenheit unterstellen würde.

Sowohl das Landgericht Stendal (Beschluss vom 18.08.2022, 21 O 218/20) als auch das OLG Naumburg als Berufungsgericht (Beschluss vom 30.09.2022, 7 W 21/22 (Abl.)) haben den Sachverständigen mit sehr deutlichen Worten nicht nur für befangen erklärt, sondern dem Sachverständigen darüber hinaus dessen Anspruch auf Vergütung aberkannt. Dabei wurde dem Sachverständigen nicht nur vorgeworfen, fahrlässig gegen seine Pflicht aus § 8 a Abs. 1 JVEG verstoßen zu haben, weil er es unterlassen habe, dem Gericht bei dessen Beauftragung auf offenkundige Umstände wie seinen bankenfeindlichen Fachbeitrag hinzuweisen, welche zu dessen Ablehnung durch einen Beteiligten berechtigen. Darüber hinaus wurde dem Sachverständigen vorgeworfen, einen weiteren Ablehnungsgrund nach § 406 ZPO dadurch geschaffen zu haben, dass er zum einen die gutachterliche Tätigkeit des weiteren Sachverständigen im Parallelverfahren in einer durch nichts zu rechtfertigenden abfälligen und diskreditierenden Art angegriffen hat. Zudem habe er die von der betroffenen Sparkasse berechtigterweise vorgebrachten Zweifel an dessen Unparteilichkeit als Unterstellung gewertet, die an die Grenze zur Bösartigkeit heranreiche, was als sprachliche Entgleisung und als eine durch nichts zu rechtfertigende verbale Attacke angesehen werden muss.

 

PRAXISTIPP

Es überrascht schon sehr, mit welcher sprachlichen Entgleisung sich Sachverständige bei Erhebung des Vorwurfs der Parteilichkeit zur Wehr setzen. Diese Überraschung schlägt in völliges Unverständnis um wenn man bedenkt, dass sich der Sachverständige im konkreten Fall bereits im Vorfeld seiner Beauftragung in einem der Öffentlichkeit zugänglichen Fachbeitrag derart bankenfeindlich geäußert hat, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit jedes Kreditinstitut, welches dessen Fachbeitrag entdeckt und liest, ihn als Sachverständigen wegen Befangenheit ablehnt. Dass der Sachverständige dessen offenkundige Befangenheit aufgrund dessen verfassten Beitrags nicht selbst erkannt und bei dessen Beauftragung durch das Gericht offengelegt hat, lässt offenkundig werden, mit welcher „Dreistigkeit" solche sich im Verbraucherlager befindlichen Sachverständigen ihre offenkundig fehlende Neutralität zu verstecken versuchen.

Insofern sollte jedes Kreditinstitut einen in ihrem Verfahren durch das Gericht beauftragten Sachverständigen gründlich „durchleuchten“. Dies gilt insbesondere in Fällen der hier vorliegenden Art, in welchen der Sachverständige ein Gutachten erstellt, was offenkundig bankenfeindlich ist.


Beitragsnummer: 21930

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