Donnerstag, 24. November 2022

Unwirksamkeit des Jahresentgelts in Ansparphase des Bausparvertrages

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart

 

Ausweislich seiner Pressemitteilung hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 15.11.2022, XI ZR 551/21, im Entgeltbereich erneut zugeschlagen und das von der Bausparkasse in der Ansparphase des Bausparvertrages vereinnahmte Jahresentgelt für AGB rechtlich unwirksam angesehen. Dabei hat der Bundesgerichtshof, so jedenfalls der Eindruck der Pressemitteilung, ohne jedwede Berücksichtigung der bausparspezifischen Besonderheiten des Bausparvertrages sowie des diesen Vertragstyp kennzeichnenden besonderen Pflichtenprogramms so getan, als würde sich das Pflichtenprogramm des Bausparvertrages in der Ansparphase ausschließlich nach § 488 Abs. 1 BGB richten, was nach den eigenen Ausführungen des Bundesgerichtshofs jedoch nicht der Fall ist. Denn die Bausparkasse ist, worauf der Bundesgerichtshof selbst hinweist, anders als bei dem „normalen" Darlehensvertrag, nicht nur verpflichtet, den nach § 488 Abs. 1 S. 2 BGB geschuldeten Zins (die Sparraten) auf das vom Bausparer zur Verfügung gestellte Bausparguthaben (Darlehen) zu bezahlen. Die Bausparkasse muss nämlich ungeachtet dessen dem Bausparer nach Erbringung der Sparraten zusätzlich einen Anspruch auf Gewährung eines niedrig verzinslichen Bauspardarlehens aus der Zuteilungsmasse verschaffen, was auch nach Auffassung des BGH als Hauptleistung der Bausparkasse in der Ansparphase anzusehen ist; eine Leistung, zu deren Erbringung die Bausparkasse nach § 488 Abs.1 S. 2 BGB nicht verpflichtet ist.

Zur Verschaffung dieser Hauptleistung erbringt die Bausparkasse in der Ansparphase wiederum Sonderleistungen, welche bei einem „normalen“ Darlehensvertrag niemand zu erbringen verpflichtet ist. Hierbei handelt es sich z. B. um die bauspartechnische Verwaltung, um die Kollektivsteuerung sowie um die Führung der Zuteilungsmasse. Ohne die Entfaltung dieser Tätigkeiten könnte die Bausparkasse ihre Hauptleistung gegenüber ihrem Bausparer nicht erbringen, sodass diese von der Bausparkasse zu erbringenden und dem Darlehensrecht i. S. v. § 488 BGB fremden Leistungen „Hauptleistungsimmanent“ sind. Insofern stellt das Jahresentgelt nichts anderes dar als den Preis für diese als Verschaffung eines niedrig verzinslichen Bauspardarlehens anzusehende Hauptleistung und wäre daher vor diesem Hintergrund als Hauptpreisabrede AGB-rechtlich grundsätzlich nicht überprüfbar.

Ungeachtet dessen führt der Bundesgerichtshof unter Bezugnahme auf seine bisherige Standard-Rechtsprechung in seiner Pressemitteilung aus, dass die Bausparkasse mit dem Jahresentgelt lediglich Verwaltungstätigkeiten bepreist, bei welchen es sich nach Auffassung des Bundesgerichtshofs lediglich um notwendige Vorleistungen und gerade nicht um die von der Bausparkasse in der Ansparphase zu erbringende Hauptleistung handelt. Wie dies der Bundesgerichtshof zu begründen beabsichtigt, obwohl gerade diese Tätigkeiten/Vorleistungen Teil der Hauptleistung sind, bleibt abzuwarten. Im Hinblick auf die Pressemitteilung ist jedoch davon auszugehen, dass der Bundesgerichtshof die Jahresentgeltklausel deswegen für AGB-rechtlich überprüfbar erachtet, weil die Bausparkasse mit der bauspartechnischen Verwaltung, Kollektivsteuerung und Führung der Zuteilungsmasse die ihr von Gesetzes wegen in § 1 BauSpG aufgegebene Hauptleistungspflicht erfüllt, dem Bausparer den Anspruch auf das Bauspardarlehen zu verschaffen, was wiederum als Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht – auch als geschuldete Hauptleistung! – nicht bepreisbar ist. 

Geht man einmal mit dem Bundesgerichtshof von der AGB-rechtlichen Überprüfbarkeit der Jahresentgeltklausel aus, dann wäre diese, so auch der Bundesgerichtshof in seiner Pressemitteilung, indiziert bzw. automatisch unwirksam. Gründe, dieses Jahresentgelt trotzdem als angemessen zu erachten, sieht der Bundesgerichtshof nicht. Denn Bausparer müssten in der Ansparphase bereits hinnehmen, dass ihre Spareinlagen bezogen auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Bausparvertrages nur vergleichsweise niedrig verzinst werden, was bereits als Gegenleistung der Bausparer anzusehen sei. Zudem könne die Bausparkasse bei Abschluss des Bausparvertrages von dem Bausparer eine Abschlussgebühr verlangen, was zusammen mit dem Guthabenszins als ausreichendes Entgelt für die von ihr entfalteten Tätigkeiten anzusehen ist. Dabei übersieht der Bundesgerichtshof allerdings, dass dem niedrigen Guthabenszins in der Ansparphase ein niedrigerer Darlehenszins in der Darlehensphase gegenübersteht und die Abschlussgebühr nach der eigenen Auffassung des Bundesgerichtshofs zur Abdeckung der Vertriebskosten dient, mit diesen „Gegenleistungen“ somit die zur Verschaffung des Darlehensanspruchs von der Bausparkasse in der Ansparphase zu erbringen und nach § 488 Abs. 1 BGB nicht geschuldeten Sonderleistungen weder bepreist noch abgegolten sind.

 

PRAXISTIPP

Nach Ergehen vorstehender Entscheidung steht für die Bausparbranche (wohl) fest, dass die Bausparkassen für die von ihnen in der Anspar- und Darlehensphase des Bausparvertrages zu erbringenden Tätigkeiten ungeachtet der Tatsache, dass diese Tätigkeiten Teil der Hauptleistung sind, nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ausschließlich die Abschlussgebühr vereinnahmen dürfen, wodurch der Bundesgerichtshof nicht nur das vertraglich vereinbarte und von der BaFin als angemessen angesehene Gefüge von Leistung und Gegenleistung in der Ansparphase auf den Kopf stellt. Er entzieht den Bausparkassen zudem jedwede weitere Möglichkeit, die von ihnen zu erbringenden Leistungen angemessen zu bepreisen. Offenbar erachtet es der XI. Zivilsenats des BGH als seine Aufgabe, den Kreditinstituten jedwede Möglichkeit zum Geld verdienen zu entziehen, womit der Bundesgerichtshof letztendlich die Mitverantwortung dafür trägt, wenn Kreditinstitute in Zukunft nicht mehr in der Lage sein werden, ihren Kunden Produkte zu wirtschaftlich tragbaren und vernünftigen Konditionen anzubieten. Denn entgegen dem Glauben des Bundesgerichtshofs müssen auch Kreditinstitute, um wirtschaftlich arbeiten zu können, Geld generieren und verdienen, wobei es jedem Verbraucher selbst überlassen bleibt zu entscheiden, ob er sich für das Produkt entscheidet oder nicht 


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