Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart
In seiner Entscheidung vom 20.10.2022, III ZR 88/21 (DB 2022,27 94), erinnert der Bundesgerichtshof zunächst daran, dass nach § 199 Abs. 1 BGB die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB mit dem Schluss des Jahres zu laufen beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
In diesem Zusammenhang erinnert der Bundesgerichtshof sodann daran, dass im Rahmen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB grundsätzlich die Tatsache – und gerade nicht die Rechtskenntnis – entscheidend ist. Erforderlich sei vielmehr, dass der Gläubiger um die anspruchsbegründenden Umstände weiß und gerade nicht, dass er den Vorgang rechtlich zutreffend beurteilt (Rn. 15).
Hieran anschließend erinnert der Bundesgerichtshof weiter daran, dass in der höchstrichterlichen Rechtsprechung schon seit jeher anerkannt ist, dass in dem Ausnahmefall, in dem bei einem Schadensersatzanspruch der haftungsauslösende Fehler in einer falschen Rechtsanwendung des Schuldners liegt, die Kenntnis dieser Rechtsanwendung als solche nicht ausreichen kann, der Geschädigte vielmehr Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis davon haben muss, dass die Rechtsanwendung fehlerhaft gewesen ist; dies deshalb, weil die bloße Kenntnis der tatsächlichen Umstände in einem solchen Fall dem Laien noch keine Kenntnis der Pflichtwidrigkeit einer Handlung zu vermitteln vermag (Rn. 17).
Hiervon ausgehend hält der Bundesgerichtshof sodann fest, dass in diesen besonderen Ausnahmefällen von einer Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis der anspruchsbegründenden Umstände erst ab dem Zeitpunkt ausgegangen werden konnte, zu dem der Anleger erfahren hat oder ihm infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist, dass die Angaben des Geschäftsführers der Beklagten über die Insolvenzfestigkeit der Investition rechtlich unzutreffend waren.
PRAXISTIPP
Vorstehende Entscheidung ist zu begrüßen, da der Bundesgerichtshof nochmals klarstellt, dass der Beginn des Laufs der kenntnisabhängigen Grundsatzverjährung grundsätzlich nicht die Rechtskenntnis voraussetzt, sondern lediglich die Tatsachenkenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen. Erfreulich ist auch, dass der Bundesgerichtshof weiter festhält, dass hiervon nur in ganz besonderen und engen Ausnahmefällen abgewichen werden kann. Da das Berufungsgericht wiederum übersehen hatte, dass nach der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im konkreten Fall ein solcher Ausnahmefall vorlag, wurde das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur weiteren Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Beitragsnummer: 21933