Donnerstag, 24. November 2022

Rückerstattung überzahlter Rentenbeiträge nach Kontoauflösung

Reinhard Langer, Student, wissenschaftlicher Mitarbeiter, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart

 

Regelmäßig werden Rentenbeiträge der Deutschen Rentenversicherung auch noch nach dem Tod des Versicherten auf dessen Konto bezahlt. Da diese Zahlungen der Rentenversicherung gem. § 118 Abs. 3 S. 1 BGB unter Vorbehalt erfolgen, sind Geldinstitute in solchen Fällen bei Rückforderung durch die Rentenversicherung zur Rückerstattung der überzahlten Beiträge gem. § 118 Abs. 3 Satz 2 SGB VI verpflichtet. Eine Verpflichtung zur Rückerstattung fällt nur dann weg, sofern über den entsprechenden Betrag bereits anderweitig verfügt wurde und das Konto kein Guthaben mehr aufweist.

In einem Fall, in welchem das Kreditinstitut auf Aufforderung des Rentenversicherungsträgers die auf das Konto ihres Kunden eingezahlten Beträge der Versicherung zurückerstattet hatte, verlangte das Kreditinstitut vom Kunden/Beklagten die Rückzahlung dieser an ihn nach Kontoauflösung ausbezahlten Beträge gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB. Der Kunde wandte gegen den geltend gemachten Anspruch ein, dass mit der bereits erfolgten Kontoauflösung durch ihn als Rechtsnachfolger des Verstorbenen und der Auszahlung des Guthabens an ihn bereits eine Verfügung über den entsprechenden Betrag vorliegt und die Bank schon dadurch von ihrer Rückerstattungspflicht gem. § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI gegenüber der Rentenversicherung befreit gewesen wäre. Die Bank könne ihren Anspruch schon deshalb nicht mehr gegenüber ihm als früheren Kunden aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB geltend machen, da schon kein Rückzahlungsanspruch Dritter bestünde.

Dem ist das Landgericht Duisburg mit Hinweisbeschluss vom 18.10.2022, 10 0106/22, nicht gefolgt, sondern hat die Auffassung vertreten, der Kunde sei zur Rückzahlung der Beträge an das Kreditinstitut nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB verpflichtet.

Das Landgericht weist dabei zunächst darauf hin, dass die Bank mit der Auszahlung des Kontoguthabens nach Kontoauflösung an den Kunden einen (vermeintlichen) Anspruch des Kunden – als Rechtsnachfolger des ursprünglichen Kontoinhabers – erfüllt. Die Grundlage für den Auszahlungsanspruch sei nämlich die dem Bankkonto zugrunde liegende Kontokorrentvereinbarung i. S. d. §§ 355 ff. BGB, worauf sich gem. § 355 Abs. 3 HGB auch der Anspruch auf Auszahlung des Überschusses ergibt. Ein Überschuss bestehe jedoch nur, wenn die Beträge dem Kontoinhaber gem. § 675t BGB „verfügbar gemacht“ worden wären. Dies sei im vorliegenden konkreten Fall jedoch gerade nicht der Fall.

Die Zahlung der überzahlten Beträge der Deutschen Rentenversicherung auf ein Konto bei einem Geldinstitut und damit auch die Verfügbarmachung i. S. d. § 675t BGB würden für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten gem. § 118 Abs. 3 Satz 1 SGB VI lediglich als unter Vorbehalt erbracht angesehen. Daher habe das Geldinstitut sie der überweisenden Stelle oder dem Träger der Rentenversicherung zurückzuüberweisen, wenn diese sie als zu Unrecht erbracht zurückfordern.

Nach der Rechtsprechung des BSG würde wiederum, so das LG Duisburg, dieser Vorbehalt auch auf das Verhältnis zum Kontoinhaber durchschlagen. In diesem Zusammenhang stellt das Landgericht Duisburg sodann klar, dass das Verfügbarmachen i. S. d. § 675t Abs. 1 Satz 1 BGB bedeutet, dass der Zahlungsdienstleister die überzahlten Beiträge für Verfügungen auf das Konto in dem rechtlichen Umfang zur Verfügung stellen muss, in dem er diese Beträge selbst vom Zahlungsdienstleister des Zahlenden erhalten hat. Gelte somit die Leistung als unter Vorbehalt erbracht, erfolge auch die Verfügbarmachung der Beträge unter einem entsprechenden Vorbehalt. Rechtstechnisch gesehen handele es sich daher bei dem öffentlich-rechtlichen Vorbehalt um eine auflösende Bedingung. Der Vorbehalt bewirke kraft Gesetzes, dass eine ggf. noch vor dem Todeszeitpunkt des Versicherten für den Folgemonat vorgenommene Rentengutschrift ihre materiell-rechtliche Wirksamkeit wieder verliert bzw. eine erst nach dem Tod erfolgte Gutschrift von vornherein nicht wirksam wird.

Sodann hält das Landgericht Duisburg weiter fest, dass die Verpflichtung des Kunden zur Rückzahlung der Beträge an die Bank nicht gem. § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI ausgeschlossen gewesen sei, da über den entsprechenden Betrag bei Eingang der Rückforderung bereits anderweitig verfügt wurde. Die Auszahlung an den Kunden – als Rechtsnachfolger des Kontoinhabers – stelle nämlich schon keine Verfügung i. S. d. § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI dar. Nach der Rechtsprechung des BSG sei nämlich unter einer „anderweitigen Verfügung" jedes abgeschlossene bankübliche Zahlungsgeschäft zu Lasten des Rentenüberweisungskontos anzusehen, durch das sich eine kontoverfügungsberechtigte Person des Kontos zur Bewirkung einer Zahlung oder Auszahlung bedient. In Fällen, in denen die Bank die zu Unrecht überwiesene Rentengutschrift (sog. „Schutzbetrag“) trotz Kenntnis von dem Tod des Versicherten an seinen Erben auszahlt, liege kein bankübliches Zahlungsgeschäft und damit schon begrifflich keine anderweitige Verfügung i. S. d. § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI vor.

Darüber hinaus fehle es nach Auffassung des LG Duisburg jedenfalls an der erforderlichen Gutgläubigkeit der Bank im Zeitpunkt der Auszahlung. Die Gutgläubigkeit der Bank hinsichtlich der Berechtigung des über das Konto Verfügenden ist ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 118 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 SGB VI. Dies folge aus dem systematischen Gefüge sowie aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift sowie ihrer Entstehungsgeschichte. Die Kenntnis der Bank vom Tod des Kontoinhabers bei Ausführung einer Verfügung zu Lasten von dem Konto schließe daher den Einwand der anderweitigen Verfügung aus (BGS, Urteil vom 24.02.2016 a. a. O. Rn. 18 ff.). 

Hieran anschließend hält das LG Duisburg weiter fest, dass aus der vom Kunden behaupteten Kontovollmacht der Kunde einen Rechtsgrund für die Auszahlung ebenfalls nicht herleiten könne. Es sei bereits nicht ersichtlich, inwiefern die Kontovollmacht für die Auszahlung überhaupt relevant geworden sein soll. Hintergrund der Auszahlung sei es gewesen, dass der Kunde in seiner Eigenschaft als Rechtsnachfolger des Kontoinhabers die Auszahlung des bei Beendigung der Kontokorrentvereinbarung bestehenden Saldos gem. § 355 Abs. 3 HGB begehrt habe. 

Sodann legt das LG Duisburg dar, aus welchen Gründen dem Bereicherungsanspruch der Bank § 814 nicht entgegenstehen würde. Nach § 814 BGB könne das zur Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete dann nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst habe, dass er zur Leistung nicht verpflichtet gewesen ist. Erforderlich sei positive Kenntnis hiervon. Dass die Bank hätte wissen müssen, dass ein Vorbehalt gem. § 118 Abs. 3 Satz 1 SGB VI bestanden hat, genügt dementsprechend nicht.


PRAXISTIPP

Geldinstitute sind damit auch nach Auflösung des Bankkontos und Auszahlung an den Rechtsnachfolger des Kontoinhabers zur Erstattung von überzahlten Rentenbeiträgen gem. § 118 Abs. 3 Satz 2 SGB VI verpflichtet, können jedoch wiederum den Anspruch gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB gegenüber dem Rechtsnachfolger geltend machen.


Beitragsnummer: 21934

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